Initiative Sozialistisches Forum (Freiburg)
Seit Jahren treffen wir uns jeden Dienstag um 20 Uhr in unseren Büroräumlichkeiten (Günterstalstr. 37, 79102 Freiburg). Wenn wir das Interesse geweckt haben, Kontakt gewünscht ist, schreiben Sie uns bitte eine E-Mail.
jour fixe der Initiative Sozialistisches Forum (Freiburg)
Der jour fixe steht allen offen und findet seit 1983 während dem Semester alle 14 Tage statt. Das gedruckte Folder liegt an allen einschlägig bekannten Orten in Freiburg aus und kann auf Anfrage auch postalisch verschickt werden. In der rechten Spalte finden sich alle für das jour fixe-Programm verfassten Texte sowie das Veranstaltungsprogramm mit den dazugehörigen Vortragsankündigungstexten. Einen Teil der Veranstaltungen haben wir mit einem Tonbandgerät aufgezeichnet und stellen sie hier zur kostenfreien Nutzung zur Verfügung.
Programm Sommer 2024
Alle Vorträge finden als Hybrid-Veranstaltungen in Präsenz mit Zoom-Übertragung (Zoom-Link: https://us06web.zoom.us/j/88664348128?pwd=alZJWDZFalJlK2FGclBUMW9BdklGUT09) statt.
Mai
Dienstag, 7. Mai 2024
Buchvorstellung von Hermann Lueer: Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung
Karl Marx und Friedrich Engels haben die Grundprinzipien der kommunistischen Gesellschaft in Übereinstimmung mit ihrer Kritik des Kapitals eindeutig formuliert: 1. Die Durchsetzung der Arbeitszeitrechnung ist die unvermeidliche ökonomische Grundlage der kommunistischen Gesellschaft. 2. Die Kommune ist die politische Form, unter der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen kann. 55 Jahre später veröffentlichte die Gruppe Internationaler Kommunisten als Reaktion auf die negative Entwicklung der russischen Revolution ihre Schrift Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung. Die darin ausgeführte Kritik der verschiedenen Theorien und Praktiken, die sich auf den Marxismus, den Anarchismus oder ganz allgemein den Sozialismus berufen, bezog sich auf die Schwachstelle der Arbeiterbewegung, die sich zum Ziel setzte, die Produktionsmittel in Gemeinschaftsbesitz zu bringen und nicht ahnte, dass mit dem Übergang zum Gemeinschaftsbesitz das Problem einer neuen Produktionsweise erst gestellt ist. Damit wurde eine Kritik formuliert, die bis zum heutigen Tag nichts von ihrer Aktualität verloren hat.
Es spricht Hermann Lueer (Malmö), Autor und Herausgeber rätekommunistischer Literatur bei Red & Black Books. Zuletzt hat er als Herausgeber das Buch von David Adam: Die Arbeitszeitrechnung und das Absterben des Staates. Beiträge zur Kritik gängiger Irrtümer übersetzt. Um 19 Uhr nur online über Zoom (Link siehe oben).
Juni
Donnerstag, 6. Juni 2024
Buchvorstellung von Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Oekonomie. Erster Band. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals
Der im ça ira-Verlag erschienene Reprint der Erstauflage des Kapitals von 1867 macht diesen für die neuere Marx-Lektüre grundlegenden Text leicht zugänglich, wobei sich die Frage aufdrängt, ob die bisherigen gängigen Ausgaben nicht auch ausreichen. Eine Einführung in die unterschiedlichen Fassungen der Marx'schen Kritik der politischen Ökonomie zeigt anhand der verschiedenen Variationen ihres Kernstücks, d.i. der Wertformanalyse, dass die Varianten von Marx als Ausdruck einer Krise der Theorie interpretiert werden müssen, die auch auf die Neue Marx-Lektüre übergreift. Diese ging mit Georg Lukács davon aus, alle Probleme der durch das Kapital vermittelten Gesellschaft durch die Lösung des ›Rätsels der Warenstruktur‹ auflösen zu können. Durch die Wiederentdeckung der Erstauflage des Kapitals glaubte man, diesem Ziel etwas näher gekommen zu sein, weil in ihr das ›Problem des dialektischen Widerspruchs‹ noch erkennbar sei, während Marx die Dialektik in den späteren Auflagen verwässert und den Text mit »Pseudodialektik« (Hans-Georg Backhaus) kontaminiert habe. Die These von der Entstellung der dialektischen Methode durch Popularisierung erweist sich allerdings als Finte: Das Unverständnis, auf das die Wertformanalyse nicht nur bei den ersten Lesern (Friedrich Engels und Louis Kugelmann) stößt, hat seine Ursache nicht darin, dass die Leser nicht »durchaus in dialektisches Denken eingewohnt« sind (Marx in der Erstauflage), sondern lässt erkennen, dass Marx mit seiner Analyse auf eine Frage antwortet, die er im Text gar nicht stellt. Stattdessen lässt er den Leser völlig im Unklaren darüber, was mit dem zwischen wissenschaftlicher Abhandlung, Kritik, Polemik und Nachhilfeunterricht in politischer Krisenbewältigung für rückständige Nationen seltsam oszillierenden Buch überhaupt erreicht werden soll. Marxʼ innere Widersprüchlichkeit desavouiert das Anliegen der Neuen Marx-Lektüre, das ›Ganze der Wertformtheorie‹ zu rekonstruieren. Dennoch bleiben die Marx'schen Kategorien, zu deren Aufklärung jene Lektüre beitrug, unverzichtbar für eine Kritik, die den Wert in der Form des Kapitals als ein gesellschaftliches Verhältnis diffamieren lehrt, das wie ein lebendiges Subjekt auftritt – ein Subjekt allerdings, das sich stets nur von der Möglichkeit der Krise zu ihrer Wirklichkeit entfalten kann.
Es spricht Aljoscha Bijlsma (Wien), Autor des Artikels Schwierigkeiten bei der Lektüre der Erstauflage des Kapitals, erschienen in der Zeitschrift sans phrase (Nr. 21, Winter 2023).
Um 19 Uhr im Büro des ça ira-Verlags, Günterstalstr. 37, im Hinterhof im 1. OG.
Donnerstag, 13. Juni 2024
Antisemitismus und die Lust am Wahn
(Kooperation mit dem Referat gegen Antisemitismus der Universität Freiburg)
Der Antisemitismus sei „etwas ganz anderes als eine Denkweise: Er ist vor allem eine Leidenschaft“, ein umfassendes „Engagement der Seele“, meinte Jean-Paul Sartre und betonte den zutiefst irrationalen Charakter der antisemitischen Regung. Max Horkheimer urteilte, er halte den Antisemitismus, „trotz der ungeheuren Bedeutung wirtschaftlicher und sozialer Tendenzen […] für ein im Wesentlichen psychologisches Phänomen“. Die schiere Freude, die Ausgelassenheit und Euphorie, die das antisemitische Morden begleitet, waren auch am 7. Oktober 2023 deutlich zu sehen – dem bis dato schlimmsten Massaker an Jüdinnen und Juden, das es seit dem Holocaust gegeben hat. Sie hat die Mörder der Hamas mit ihren Claqueuren weltweit vereint. Woher rührt diese Lust am antisemitischen Wahn?
Die in dem Vortrag vertretene These geht davon aus, dass der Antisemitismus vielen, die ihn verinnerlicht haben, einen psychischen Gewinn verschafft. Zunächst wird ein knapper Einblick in die Bedeutung der Psychoanalyse für die Kritik des Antisemitismus gegeben. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt darauf, welche Bedeutung der Bezug auf den pathologischen Narzissmus hierbei hat. Es soll deutlich werden: Mit der antisemitischen Tat fantasieren und komplettieren die antisemitischen Charaktere ihr grandioses Größenselbst.
Es spricht Thorsten Fuchshuber (Brüssel), Autor von Rackets. Kritische Theorie der Bandenherrschaft (ça ira 2019). Jüngste Veröffentlichung zum Vortragsthema: Der Genuss am Judenhass. Über den Zusammenhang von Antisemitismus und Narzissmus, in: Stephan Grigat (Hg.): Kritik des Antisemitismus in der Gegenwart. Erscheinungsformen – Theorien – Bekämpfung (Nomos 2023). Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Referat gegen Antisemitismus statt. Um 20 Uhr im Hörsaal 1015, KG1, Universität Freiburg.
Juli
Dienstag, 9. Juli 2024
Stadtrundgang
Freiburg im Nationalsozialismus
An exemplarischen Stationen wird gezeigt, was in Freiburg nach 1933 passierte, wie die Arisierung organisiert wurde, welche Menschen wo gelebt haben, die ihre Wohn- und Arbeitsstätten verlassen mussten. An der Universität wird vom Rektorat Martin Heideggers im Frühjahr 1933 die Rede sein. Der Rundgang endet gegen 17 Uhr am Platz der Alten Synagoge.
E. Imbery führt und kommentiert. Treffpunkt um 15.30 Uhr Universität, KG I, Rempartstraße.
Dienstag, 9. Juli 2024
Buchvorstellung von Alain Finkielkraut: Revisionismus von links: Überlegungen zur Frage des Genozids
»Was aber geschieht, wenn man ein Bombardement in Begriffen der ›Endlösung‹ beschreibt? Man übertreibt das erste Verbrechen und bagatellisiert das zweite, kurz: man lügt zweimal. Zunächst nimmt eine mörderische Handlung den Charakter eines außerordentlich schwerwiegenden Verbrechens an, doch sodann wird die Idee des Genozids selbst trivialisiert, sie verliert ihre eigene Realität und kann ohne weitere Unterscheidung zur Bezeichnung aller militärischen Schandtaten herhalten. In dieser verbalen Inkontinenz steckt etwas Prognostisches. Bei jeder Gelegenheit wieder hergesagt, durch seine metaphorische Verwendung geschwächt und durch unnötige Wiederholung beschädigt, erschöpft sich der Begriff ›Genozid‹ und stirbt. Diese Abnutzung der Bedeutung erleichtert den Revisionisten die Arbeit. Wenn man jedwede Brutalität einen Genozid nennt, wird das jüdische Beharren auf dem Gedenken im Grunde unverständlich.«
Dies schrieb Alain Finkielkraut 1982 in seinem Buch Revisionismus von links, das im Original L'Avenir d'une négation, also Die Zukunft des Revisionismus, hieß. Diese Zukunft ist zu unserer Gegenwart geworden. Die Geschichte des Dritten Reiches ähnelt immer mehr einem Mythos, der den politischen Erfordernissen gefügig gemacht wird. So glaubt Putin gegen die Nazis in Kiew zu kämpfen und die Palästinenser behaupten, sie seien die Juden und die Israelis die Nazis von heute, der Gazastreifen sei ein Ghetto und die militärische Antwort Israels nach dem barbarischen Angriff der Hamas vom 7. Oktober ein Genozid an den Palästinensern. Die Vergangenheit wird so nach Maßgabe der Gegenwart einer Revision unterzogen. Hierbei erwiesen und erweisen sich Auschwitz und die Gaskammern für die Revisionisten als das größte Hindernis, bei ihrem Versuch der Geschichte wieder einen Sinn zu geben. Nach Finkielkraut folgt diese Revision stets dem gleichen Muster, das das Besondere der Shoah einebnet. Dieses Muster hat er analysiert und seine Geschichte bis zur Dreyfus-Affäre nachgezeichnet. Der Vortrag beschäftigt sich mit Finkielkrauts Analyse des linken Revisionismus und wie es ihm gelang, unsere Gegenwart vor über 40 Jahren vorwegzunehmen.
Es spricht Niklaas Machunsky (Köln), der als Sozialwissenschaftler arbeitet. Um 19 Uhr im Büro des ça ira-Verlags, Günterstalstr. 37, im Hinterhof im 1. OG.
Audiodateien
Dankenswerterweise hat sich das Audioarchiv bereitgefunden, diese Audio-Dateien zu hosten.
Vergangene Jour Fixe-Programme
- Jour Fixe Sommer 2024
Redaktion Pólemos: Hinter dem Ruf nach Kontext verschanzen sich die Mörder - Jour Fixe Herbst/Winter 2023/24
- Jour Fixe Sommer 2023:
Joachim Bruhn: Unmensch und Übermensch - Jour Fixe Herbst/Winter 2022/23:
- Jour Fixe Sommer 2022:
Krieg gegen die Ukraine - Jour Fixe Herbst/Winter 2021/22:
Die Farbe der Robe - Jour Fixe Sommer 2021:
Ein Lichtlein für die Toten - Jour Fixe Herbst/Winter 2019/20:
Die Diktatur der Zukunft - Jour Fixe Sommer 2019:
»Aufhören!« Zum Tod von Joachim Bruhn - Jour Fixe Herbst/Winter 2018/19:
»Unser Karl«. Über die Heimholung eines großen Deutschen - Jour Fixe Frühling/Sommer 2018:
Was ist Wahrheit? Was ist materialistische Kritik? - Jour Fixe Herbst/Winter 2017/18:
Staatskapitalismus – das Trauma der Revolution - Jour Fixe Frühling/Sommer 2017:
"Wer Warum Wie Was" - Jour Fixe Herbst/Winter 2016/17:
Die Avantgarde des staatstragenden Widerstands - Jour Fixe Frühling/Sommer 2016:
Kritik der Flüchtlingspolitik - Jour Fixe Herbst/Winter 2015/16:
„Versöhnlich ins Stadtgefüge“ - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 2015:
Rieselfeld: Neues aus der Sickergrube - Jour Fixe Herbst/Winter 2014/2015:
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Neues vom Gröphaz - Jour Fixe Herbst/Winter 2013/2014:
I am what I am - my own special creation - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 2013:
Das Fleisch der Deutschen - Jour Fixe Herbst/Winter 2012/2013:
Drum Linkspartei? - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 2012:
Occupy reason! - Jour Fixe Herbst/Winter 2011/2012:
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Dschihad oder Revolution - Jour Fixe Herbst/Winter 2010/2011:
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Der Staat des Grundgesetzes - Jour Fixe Herbst/Winter 2008/2009:
Vertrauen und Gewalt - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 2008:
Die Konterrevolution gegen Israel - Jour Fixe Herbst/Winter 2007/2008:
Zahltag - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 2007:
Rote Armee Fiktion - Jour Fixe Herbst/Winter 2006/2007:
Karl Marx, Israel und die Militanz der Vernunft - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 2006:
Aufklärung und Aufklärungsverrat im XXI. Jahrhundert - Jour Fixe Herbst/Winter 2005/2006:
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Bomben auf Freiburg - Jour Fixe Herbst/Winter 2004/2005:
Die Produktion von Panik - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 2004:
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Revolution und Vaterland. Ein Nachruf auf die “68” - Jour Fixe Herbst/Winter 2000/2001:
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Die Metaphysik der Deutschmark - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 1997:
Wie antikapitalistisch ist die BILD-Zeitung? - Jour Fixe Herbst/Winter 1996/97:
St. Nimmerleinstag der Linken - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 1996:
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Um Sarajewo: Der Krieg der Pazifisten - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 1995:
Vorwärts zum 8. Mai! - Jour Fixe Herbst/Winter 1994/95:
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Deutsche Tränen - Jour Fixe Herbst/Winter 1993/94:
Gefrierpunkt des Bewußtseins, Rückforderung der Zukunft - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 1993:
Krise der Polititk, Perspektiven des Staates - Jour Fixe Herbst/Winter 1992/93:
Totreden und Todschlagen - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 1992:
“Entstasifizierung” - Jour Fixe Herbst/Winter 1991/92:
Artikel 16 (2) - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 1991:
Friede den Linken - Jour Fixe Herbst/Winter 1990/91:
Schon wieder Deutschland - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 1990:
Deutsche Logik - Jour Fixe Herbst/Winter 1989/90:
Staatsbürger, Volksgenosse - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 1989:
Wehrhafte Demokratie, freiheitlicher Staat - Jour Fixe Herbst/Winter 1988/89:
Nationale Identität, soziale Amnesie - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 1988:
Kurzer Lehrgang, langer Marsch - Jour Fixe Herbst/Winter 1987/88:
Vernunft als Pleite - Jour Fixe Frühjahr/Sommer 1987:
Deutsche Ideologie, solidarische Kritik - Jour Fixe Herbst/Winter 1986/87:
Freizeitpark oder Knast? - Jour Fixe Herbst/Winter 1985/86
- Jour Fixe Frühjahr/Sommer 1985:
Frei Haus - Jour Fixe Herbst/Winter 1984/85
- Jour Fixe Frühjahr/Sommer 1984
- Jour Fixe Herbst/Winter 1983/84
- Jour Fixe: Das Elend mit der Sozialdemokratie
- Jour Fixe: Kritik ohne Utopie? Podiumsdiskussion mit Wolfgang Pohrt