Initiative Sozialistisches Forum (Freiburg)
Seit Jahren treffen wir uns jeden Dienstag um 20 Uhr in unseren Büroräumlichkeiten (Günterstalstr. 37, 79102 Freiburg). Wenn wir das Interesse geweckt haben, Kontakt gewünscht ist, schreiben Sie uns bitte eine E-Mail.

jour fixe der Initiative Sozialistisches Forum (Freiburg)
Der jour fixe steht allen offen und findet seit 1983 während dem Semester alle 14 Tage statt. Das gedruckte Folder liegt an allen einschlägig bekannten Orten in Freiburg aus und kann auf Anfrage auch postalisch verschickt werden. In der rechten Spalte finden sich alle für das jour fixe-Programm verfassten Texte sowie das Veranstaltungsprogramm mit den dazugehörigen Vortragsankündigungstexten. Einen Teil der Veranstaltungen haben wir mit einem Tonbandgerät aufgezeichnet und stellen sie hier zur kostenfreien Nutzung zur Verfügung.

Programm Herbst/Winter 2023/24
Alle Vorträge finden als Hybrid-Veranstaltungen in Präsenz mit Zoom-Übertragung (Zoom-Link: https://us06web.zoom.us/j/88664348128?pwd=alZJWDZFalJlK2FGclBUMW9BdklGUT09) statt.

 

November

Donnerstag, 16. November 2023
Buchvorstellung von Hans-Peter Gruber: »Aus der Art geschlagen«. Eine politische Biografie von Felix Weil (1898-1975)
Das Frankfurter Institut für Sozialforschung (IfS) kam mit der Kritischen Theorie zu weltweitem Ruhm. Demgegenüber fand Felix Weil, der diese Plattform für wissenschaftlichen Marxismus mit seinem Millionenerbe ins Leben rief und in der Gründungs- und Frühphase maßgeblich gestaltete, bislang kaum Beachtung. Der gebürtige Argentinier entstammte einer deutsch-jüdischen Unternehmerfamilie, war Teilnehmer der Novemberrevolution, Mitgründer einer spartakistischen Hochschulgruppe, Delegierter der Kommunistischen Internationale, Mitarbeiter der argentinischen Regierung, Steuerexperte in Kalifornien und Dozent der US-Armee im rheinland-pfälzischen Ramstein. Als Mäzen finanzierte er neben dem IfS auch avantgardistische Kunst, literarische Projekte, Theater und Film. Schließlich schuf er auch selbst ein kleineres wissenschaftliches Werk. Den roten Faden in diesem facettenreichen und kosmopolitischen Lebensweg bilden Felix Weils undogmatischer Sozialismus sowie sein Glaube an die Macht der Erziehung und Bildung. Als wirkmächtiger Faktor wird zudem die jüdische Herkunft sichtbar, die Felix Weils Lebensweg begleitet.

Es spricht Hans-Peter Gruber (Heidelberg), Historiker mit dem Schwerpunkt Geschichte des Judentums. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für Jüdische Studien und im Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland. Um 19 Uhr im Büro des ça ira-Verlages, Günterstalstr. 37, im Hinterhof.

 

Dezember

Donnerstag, 7. Dezember 2023
Buchvorstellung von Olaf Kistenmacher: »Gegen den Geist des Sozialismus«. Anarchistische und kommunistische Kritik der Judenfeindschaft in der KPD zur Zeit der Weimarer Republik
Antisemitismus in der politischen Linken wurde nicht erst nach 1945 zum Thema. Die Kritik daran ist so alt wie die Sache selbst. In der Weimarer Republik waren es ehemalige Gründungsmitglieder der KPD wie Franz Pfemfert oder Anarchosyndikalisten wie Rudolf Rocker, die die antisemitische Agitation während des Schlageter-Kurses kritisierten. Mitte der 1920er Jahre warnte Clara Zetkin auf dem Parteitag der KPD vor judenfeindlichen Stimmungen an der Basis. 1929 erschien im Zentralorgan der um Heinrich Brandler und August Thalheimer gebildeten KPD-Opposition eine der ersten radikalen Kritiken des Antizionismus der KPD. Mit ihrer Kritik knüpften die anarchistischen und kommunistischen Linken an Interventionen von Rosa Luxemburg oder Leo Trotzki an und reflektierten zugleich die Entwicklung in Russland nach der bolschewistischen Revolution. Marx’ Anspruch, »alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist«, schloss für sie den Kampf gegen Antisemitismus auch in den eigenen Reihen mit ein. Ihre Kritik kam nicht nur Jahrzehnte vor der innerlinken Debatte über Antisemitismus von links, Luxemburg und Pfemfert nahmen auch Argumente der späteren antinationalen und antideutschen Linken vorweg.

Es spricht Olaf Kistenmacher (Berlin). Er promovierte mit der Studie Arbeit und »jüdisches Kapital«. Antisemitische Aussagen in der KPD-Tageszeitung Die Rote Fahne während der Weimarer Republik. Mit Hans-Joachim Hahn gab er die beiden Sammelbände Beschreibungsversuche der Judenfeindschaft heraus, die sich mit der Antisemitismusforschung vor 1945 beschäftigen. Der Vortrag findet nur online statt.

 

Januar

Fällt aus und wird im Sommer nachgeholt!
Buchvorstellung von Georg K. Glaser: Die Geschichte des Weh
1968 veröffentlichte der 1910 in Guntersblum am Rhein geborene und 1933 nach Frankreich emigrierte Georg K. Glaser die Erzählung Die Geschichte des Weh, den Bericht über einen gescheiterten Mordanschlag auf ihn. Glaser lebte bis zu seinem Tod 1995 als Schriftsteller und Silberschmied in Paris. Er ist der Autor der berühmten Autobiographie Geheimnis und Gewalt. »Weh« ist eine Abkürzung für den in Frankfurt geborenen Eugen Weidmann. Möglicherweise im Auftrag der Gestapo ermordete er in Frankreich mehrere Menschen, darunter deutsche Emigranten. Der Anschlag auf Glaser missglückte, am 17. Juni 1939 wurde Weidmann in Versailles durch die Guillotine vor großer Kulisse öffentlich hingerichtet. Glaser unternimmt es in seiner Erzählung, dem dunklen Geheimnis Weidmanns auf die Spur zu kommen, dem er sich »verwandt« fühlt.

Es spricht Ralph Schock (Saarbrücken), Herausgeber des Bandes. Er arbeitete als Leiter der Literaturabteilung des Saarländischen Rundfunks und ist Autor und Herausgeber. Um 19 Uhr im Büro des ça ira-Verlages, Günterstalstr. 37, im Hinterhof.

 

Februar

Donnerstag, 8. Februar 2024
Der Vortrag findet nur online statt.
Buchvorstellung von Léon Poliakov: Von Moskau nach Beirut. Essay über die Desinformation
Im Sommer 2022 jährte sich der Libanonkrieg zum 40. Mal: 1982 rief Israels Libanon-Offensive heftige Reaktionen in der westlichen Öffentlichkeit hervor, die damals noch nicht zum Standardrepertoire der Berichterstattung gehörten. In den Massenmedien wurde der jüdische Staat – von Léon Poliakov in dieser Schrift als »Jude unter den Staaten« bezeichnet – des Völkermords an der palästinensischen Bevölkerung bezichtigt und die Israel angekreideten Verbrechen mit denen der Nazis gleichgesetzt. Während in der arabischen Welt und den meisten sozialistischen Staaten diese Gleichsetzung bereits seit Israels Staatsgründung im Jahr 1948 an der Tagesordnung war, bedurfte es in der westlichen Welt, wie Léon Poliakov anhand eindrücklicher Beispiele und Quellen nachweist, einer längeren Entwicklung, um diese Form antisemitischer Desinformation für sich zu entdecken und zu popularisieren. Poliakov war diese Neuerung Anlass für seinen 1983 auf Französisch publizierten Essay De Moscou à Beyrouth. Essai sur la désinformation, der nun zum ersten Mal in deutscher Sprache erscheint. Hier analysiert er die antisemitische Propaganda und die damit einhergehenden judenfeindlichen Exzesse, die sich im Zuge der israelischen Intervention im Libanonkrieg Bahn brachen. Um zu beantworten, wie es so weit kommen konnte, zeichnet er die Entwicklung des Antisemitismus im 20. Jahrhundert nach, insbesondere die Transformation, die dieser in der Sowjetunion erfuhr, und schildert die zentrale Rolle, die die stalinistische Propaganda hierbei spielte. Er beschreibt die Radikalisierung des arabischen Antisemitismus durch die Protokolle der Weisen von Zion, die als Schlüsseldokument des modernen Antisemitismus betrachtet werden können. Diese Propagandaschrift leistete der Projektion einer jüdischen Weltverschwörung Vorschub und ermöglichte es so, die Juden zu den neuen Nazis zu erklären. Ein Wahn, der als wesentliche Ursache der vermeintlichen Unlösbarkeit des Konflikts zwischen der arabischen Welt und Israel betrachtet werden kann – eine Tatsache, von der diejenigen, die Israel unter Verweis auf das ›Völkerrecht‹ zur Mäßigung auffordern, bis heute geflissentlich absehen.

Insbesondere in Zentraleuropa bedurfte es der antiimperialistischen und antizionistischen Wende der 68er-Bewegung, um die einstigen Sympathien für den jungen jüdischen Staat in die Vorstellung vom berufspalästinensischen ›Unterdrückten‹ als revolutionärem Subjekt zu verschieben. Zwei Wendepunkte sind für den Autor dabei zentral: 1967, als im Zuge des Sechstagekriegs das Bild des verfolgten Juden durch das des Siegers und Unterdrückers ersetzt wurde; und der Mai 1968, als ein Teil der Jugend, von den revolutionären Kämpfen der Dritten Welt berauscht, die PLO romantisierte und auf den gleichen Sockel hob wie den Vietcong. Poliakov widmet sich insbesondere den ideologischen Brüchen in den 1970er Jahren, den sich wandelnden Formen des Antisemitismus in der arabischen Welt und der politischen Linken. Er zeigt die Macht der sowjetischen und arabischen Propaganda auf, die weltweit auf vielfältige Weise verbreitet wurde, um Israel international zu kompromittieren und es – wie Poliakov konstatiert – zum »Juden unter den Staaten« zu machen.

Es sprechen Alex Carstiuc und Miriam Mettler (Berlin), die Herausgeber des Bandes. Der Vortrag findet nur online statt.

 

Audiodateien

Dankenswerterweise hat sich das Audioarchiv bereitgefunden, diese Audio-Dateien zu hosten.

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