Initiative Sozialistisches Forum (Freiburg)
Seit Jahren treffen wir uns jeden Dienstag um 20 Uhr in unseren Büroräumlichkeiten (Günterstalstr. 37, 79102 Freiburg). Wenn wir das Interesse geweckt haben, Kontakt gewünscht ist, schreiben Sie uns bitte eine E-Mail.

jour fixe der Initiative Sozialistisches Forum (Freiburg)
Der jour fixe steht allen offen und findet seit 1983 während dem Semester alle 14 Tage statt. Das gedruckte Folder liegt an allen einschlägig bekannten Orten in Freiburg aus und kann auf Anfrage auch postalisch verschickt werden. In der rechten Spalte finden sich alle für das jour fixe-Programm verfassten Texte sowie das Veranstaltungsprogramm mit den dazugehörigen Vortragsankündigungstexten. Einen Teil der Veranstaltungen haben wir mit einem Tonbandgerät aufgezeichnet und stellen sie hier zur kostenfreien Nutzung zur Verfügung.

Programm Herbst/Winter 2025/26

 

 

Oktober

Donnerstag, 9. Oktober 2025
Zum Gedenken an den 7. Oktober 2023
Szenische Lesung aus Oh, ihr Menschenbrüder von Albert Cohen

»Wenige Minuten zuvor hatte ich mich mit dem Lächeln eines Kindes dem Tisch des Straßenhändlers genähert, und jetzt ging ich mit dem Lächeln eines Buckligen davon«, schreibt Albert Cohen in seiner Erzählung Oh, ihr Menschenbrüder. In ihr blickt der alternde Schriftsteller auf eine traumatische Episode seiner Marseiller Kindheit im Jahr 1905 zurück: Das Kind lernte an seinem zehnten Geburtstag, was es heißt, in einer Welt des Antisemitismus Jude zu sein. Als Totenklage, Anklage und Appell zugleich reflektiert Cohen in diesem Text die zerstörerische Kraft des Hasses und die Folgen der Ausgrenzung bis hin zu den unvergleichlichen Gewaltverbrechen der Shoah in der Zeit des Nationalsozialismus.

Es lesen Renate Obermaier und Heinzl Spagl (Freiburg). Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Israelitischen Gemeinde, dem Dokumentationszentrum Nationalsozialismus der Museen Freiburg, dem Freiburger Bündnis gegen Antisemitismus der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Freiburg und der Amadeu Antonio Stiftung statt.
Um 20 Uhr (Einlass: 19 Uhr) im Gertrud-Luckner-Saal, Zentrum der Israelitischen Gemeinde Freiburg (Neue Synagoge), Haupteingang in der Engelstraße hinter der Stadtbibliothek. Für diese Veranstaltung ist eine Anmeldung notwendig: bfsrk@jg-fr.org. Es finden Einlasskontrollen statt. Um die Dauer der Kontrollen zu reduzieren, bitten wir, auf größeres Gepäck zu verzichten und Personalausweise bereitzuhalten.

 

November

Donnerstag, 6. November 2025
Der Traum vom Frieden. Warum die Zwei-Staaten-Lösung unter den gegebenen Umständen keine Lösung ist und der Palästina-Aktivismus den Palästinensern nicht hilft

Die Rede von einer Zwei-Staaten-Lösung geht von der Annahme aus, dass die regelmäßigen Kriege im Nahen Osten enden würden, wenn neben dem bereits existierenden Staat Israel ein palästinensischer Staat entsteht. Aus mehreren Gründen ist diese Annahme keineswegs unmittelbar einleuchtend. So ist die Oberfläche der Erdkugel nahezu vollständig in Staaten aufgeteilt, ohne dass deswegen der Weltfrieden ausgebrochen ist. Offenkundig garantiert Staatlichkeit alleine noch lange keinen Frieden. Auch abstrahiert die Rede von der Zwei-Staaten-Lösung von den weiteren Akteuren neben Israel und den Palästinenserorganisationen: der Hisbollah im Südlibanon, Katar und natürlich dem Iran, der schon lange vor dem jüngsten Krieg die Vernichtung Israels zum Staatsziel erklärt und seine aggressive Außenpolitik in der gesamten Region vom Jemen über den Irak nach Syrien bis in den Libanon und den Gazastreifen mit Milizen und Terrororganisationen gewaltsam durchzusetzen versucht.
Nicht zuletzt lehnt der Kriegsgegner Israels, die Hamas, nicht nur die Zwei-Staaten-Lösung ab, sondern lehnt es überhaupt ab, mit Israel auch nur über einen Quadratzentimeter Land zu verhandeln. Die Hamas ist aber dank der Unterstützung Katars und Irans bislang die herrschende Macht im Gazastreifen gewesen.
Wer also ernsthaft die Zwei-Staaten-Lösung fordert und behauptet, sie wäre ein Schritt zum Frieden, müsste sich auch mit den Voraussetzungen beschäftigen, die gegeben sein müssten, damit überhaupt sinnvoll von einem »palästinensischen Staat« gesprochen werden kann und ebenso mit den Voraussetzungen, die gegeben sein müssten, damit ein solcher Staat eine einigermaßen realistische Option auf eine friedliche Koexistenz mit Israel bieten könnte.

Es spricht Leo Elser (Freiburg), Mitglied der Redaktion der Zeitschrift Pólemos, deren jüngste Ausgabe unter dem Titel »Verteidigt Israel« erschienen ist. Dort schrieb der Referent über die Zwei-Staaten-Lösung. Dieser und weitere Artikel werden im Rahmen der Veranstaltung vorgestellt. Um 19 Uhr im Büro des ça ira-Verlags, Günterstalstr. 37, im Hinterhof im 1. OG.

 

Januar

Donnerstag, 8. Januar 2026
Mobilisierte Volkssouveränisten. Zur Kritik des Populismus

Der Begriff des Populismus ist in aller Munde. Er sei die »Ideologiekritik des kleinen Mannes« oder die »Polemik innerhalb der Demokratie«, heißt es im Feuilleton und an der Uni. Doch scheitern Versuche, den Populismus zu bestimmen unter anderem daran, dass sich die als für ihn konstitutiv angesehene Gegenüberstellung von Volk und Elite sowohl bei den Neonazis des »Dritten Wegs« als auch in den Parteien der bürgerlichen Mitte durchaus finden lässt. Die akademischen Versuche, den Populismus zu erklären, laufen in all ihren Varianten auf eine Enthistorisierung der Demokratie als einer Herrschaftsform hinaus. Dabei wäre mit dem Begriff des Populismus durchaus etwas zu treffen: Er mobilisiert die Gewalt, die der Demokratie als Staatsform innewohnt und die er deswegen mobilisieren kann, weil die Demokratie ihren Versprechen im Rechtsstaat des Kapitals nur sehr bedingt gerecht wird. Als Bewegung mobilisierter Volkssouveränisten in der Demokratie lebt der Populismus von einer doppelten Feindbestimmung: Er ist Gewalt gegen die da oben und Gewalt gegen die da draußen – also gegen all jene, die man nicht zum Volk zählt, dessen Souveränität man sich gegen die normativen Regeln der Demokratie zurückerkämpfen will. Dass er dabei ein zwar in diesem Sinne demokratisches, aber von Widersprüchen geprägtes Krisenphänomen ist, welches die Kritik an ihm durchaus miteinschließt, diskutiert der Vortrag.

Es spricht Daniel Poensgen (Berlin), Mitglied der Redaktion der Zeitschrift Pólemos. Für das jüngst erschienenen Heft 10 der Zeitschrift verfasste der Referent einen Artikel zum Vortragsthema. Um 19 Uhr im Büro des ça ira-Verlags, Günterstalstr. 37, im Hinterhof im 1. OG. Die Veranstaltung wird online per Zoom übertragen (Zoom-Link: https://us06web.zoom.us/j/88664348128?pwd=alZJWDZFalJlK2FGclBUMW9BdklGUT09).

 

Donnerstag, 15. Januar 2026
Das syrische Staatschamäleon. Über den Damaszener Coup d’État

Bevor das alles geschah, was Ende des Jahres 2024 den Kairos auf den Vorstoß nach Damaskus hervorbrachte – die Lähmung der Hezbollah, die Lethargie der russischen und khomeinistischen Despotie, die Leichenstarre des dynastischen Regimes –, verharrte die Hay‘at Tahrir al-Sham in Idlib angesichts von Fraktionsfehden und ausdauernden Protesten in Instabilität. Doch keinem anderen Regime wurde nach einem Coup d’État mit einem solchen diplomatischen Eifer begegnet wie in Syrien. Einzig darin gründet die Legitimation des Regimes von al-Sharaa, der noch als Emir der al-Nusra-Front die bürgerliche Demokratie als »Blasphemie« ächtete.
Wenige Tage vor den Massakern im südsyrischen Suwayda hatte Donald Trumps Point Man in Damaskus, Thomas Barrack, auf ein Ende der Bemühungen um ein dezentralisiertes Syrien gedrängt, das nicht nur für Drusen eine Lebensversicherung wäre. Barrack schmeichelte dabei dem Regime, dass es »unglaublich enthusiastisch« darin sei, divergierende »Interessen anzugleichen«. Noch im Angesicht der anti-alawitischen Massaker in der syrischen Küstenregion behauptete sich al-Sharaa als Souverän, der als einziger die Übereifrigen brüderlich-autoritär zur Räson bringen kann. Die Mehrheit der US-amerikanischen und europäischen Analysten hat ihn dabei unlängst als Ordnungsgaranten akkreditiert. Dass dies vor allem auch in der Sensibilisierung für die türkischen Interessen in der Region gründet, macht das syrische Staatschamäleon nicht weniger bedrohlich. Denn es ist mit Erdoğan der Staatspräsident einer formal-laizistischen Republik, der sich als geifernder Übervater einer islamofaschistischen Konterrevolution geriert, die in Afrîn oder Conflans-Sainte-Honorine zur barbarischen Tat schreitet. Während Analysten in diesen Tagen bemüht sind, die heilige Wandlung eines Warlords der al-Qaida zum Übervater der Nation zu bezeugen, wie anderswo fromme Katholiken die Erscheinung der Gottesmutter, scheint man über das Ende eines anderen Syrien bereits entschieden zu haben. Von der demokratischen Föderation in Nordostsyrien aus gewann der Ruf »Frau, Leben, Freiheit« an Popularität, bevor er im Jahr 2022 zum Namensgeber der Massenproteste im Iran wurde. Im Vortrag wird es um den als syrische Revolution mystifizierten Coup d’État gehen, um die regionalen Konstellationen und die Endlosigkeit des »strategischen Albtraums« (Mitch McConnell), die mit einem Rückzug des US-amerikanischen Militärs aus Nordostsyrien droht.

Es spricht Danyal Casar (Hamburg), der auf dem Blog Cosmoproletarian Solidarity schreibt. Außerdem ist er freier Autor, u. a. für die sans phrase und iz3w. Um 19 Uhr im Büro des ça ira-Verlags, Günterstalstr. 37, im Hinterhof im 1. OG.

 

Februar

Donnerstag, 12. Februar 2026
Die Entdeckung der Vorurteilsforschung

Rassismus, Antisemitismus, Fremdenhass sind Grundbestand moderner Gesellschaften, doch zum Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschung wurden sie erst ab den 1920er Jahren. Im Vortrag werden einige Stränge der Entstehung, Formation und Überlieferung der Soziologie aufgenommen: von Europa nach Amerika, aus dem langen 19. Jahrhundert ins kurze 20. Jahrhundert, zwischen »traditionalen« und Einwanderungsgesellschaften.
Wissenschaftssoziologisch, historisch und gesellschaftstheoretisch wird sich der Frage angenähert, warum, wo und in welcher Form das Ressentiment in der rationalistischen Wissenschaft der Selbstbeobachtung bürgerlicher Gesellschaft (so spät) entdeckt wurde.

Es spricht Florian Hessel (Hamburg), Sozialwissenschaftler und Publizist. Er ist Gründungsmitglied des Bildungsvereins Bagrut e.V. Verein zur Förderung demokratischen Bewusstseins. Um 19 Uhr im Büro des ça ira-Verlags, Günterstalstr. 37, im Hinterhof im 1. OG.

 

Audiodateien

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