Jour Fixe Programm Herbst/Winter 2017/18

Jour Fixe Programm Herbst/Winter 2017/18

Freitag, 20. Oktober 2017

Stadtrundfahrt: Freiburg im Nationalsozialismus

Radtour zur Erinnerung an die Deportation von 403 jüdischen Mitbürgern in das Internierungslager Gurs am 22. Oktober 1940 und deren Vorgeschichte in Freiburg – geführt von E. Imbery.

Treffpunkt um 15:00 Uhr am Haupteingang des KG I, Rempartstraße.

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Donnerstag, 26. Oktober 2017

Oktober 1917: Zur Staatswerdung einer Revolution

Die sagenumwobene Oktoberrevolution in Russland gilt immer noch – wohl neben der Großen Französischen – als eines der Beispiele für eine gewaltige Erschütterung der Herrschaft durch die Massen, die eine Ära der Emanzipation der ganzen Menschheit hätte einleiten sollen. Die in und durch die bolschewistische Partei organisierten Massen fegten den maroden absolutistischen Staat hinweg und verhinderten im selben Zug die Etablierung einer bürgerlichen Gesellschaft auf dem Territorium des ehemaligen Zarenreiches, indem sie sich – trotz Marxens Einsichten – sofort an die Errichtung des Kommunismus in einer vorwiegend bäuerlichen Gesellschaft machten. Weil sich der Marxismus-Leninismus paradoxerweise praktisch „bewahrheitete“, sprich: seine Herrschaft politisch durchsetzen und sichern konnte, gilt nach wie vor vielen Menschen auf der Welt auch sein kruder theoretischer Inhalt als die ultimative Anleitung zur kommunistischen Revolution schlechthin – und das nicht nur in den agrarisch geprägten Gegenden der sog. „Dritten“, sondern auch in der „Ersten Welt“. Dabei musste er viele erbitterte theoretische Kämpfe nicht nur gegen erklärte Feinde, sondern auch gegen seine Mitstreiter und innere Opposition führen, bis er sich an die körperliche Liquidation seiner eigenen Träger machte.

Wann diese Revolution zu Ende gegangen ist, ist unter ihren Freunden und Feinden umstritten. Vielleicht erst 1991. Vielleicht mit dem Aufstieg Stalins zur Macht. Vielleicht aber bereits mit der Niederschlagung des Kronstadter Aufstands 1921. Auch über die Absichten bolschewistischer Anführer kann man sich streiten. Ihre proklamierte Staatstreue vermochte jedoch keinen revolutionären Staat zu konstruieren: Mit der Staatswerdung der Emanzipation erledigt sich die letztere. Man munkelt aber, nach der „bürgerlichen“ und „bolschewistischen“ Revolution habe es eine dritte gegeben, die in der Geschichtsschreibung der Freunde und Feinde der Oktoberrevolution so gut wie nicht mehr vorkommt.

Es spricht Ndejra, Mitherausgeber des Weltschmerzmagazins Das Grosse Thier. Er lebt und arbeitet in Leipzig.

Um 20 Uhr in der Laterna Magika, Günterstalstr. 37

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Freitag, 10. November 2017

Stadtrundgang: Freiburg im Nationalsozialismus

An exemplarischen Stationen wird gezeigt, was in Freiburg nach 1933 passierte, wie die Arisierung organisiert wurde, welche Menschen wo gelebt haben, die ihre Wohn- und Arbeitsstätten verlassen mussten. An der Universität wird vom Rektorat Martin Heideggers im Frühjahr 1933 die Rede sein. Der Rundgang endet gegen 17 Uhr am Platz der Alten Synagoge. – E. Imbery führt und kommentiert.

Treffpunkt um 15.00 Uhr am „Basler Hof“, Kaiser-Josephstraße (gegenüber Buchhandlung Herder).

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Donnerstag, 23. November 2017

Einfühlung in die Kanone – zur Kritik der deutschen Waffenexportkritik

„Waffenexporte stoppen!“ – viel mehr ist kaum übrig geblieben von linker Kritik an den Verhältnissen der Staaten zueinander: Kein Gewehr, kein Panzer soll Deutschland verlassen, egal warum und wohin. Was klingt wie der vielleicht naive, aber doch verständliche Wunsch, an Mord und Totschlag weltweit nicht beteiligt sein zu wollen, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Engagement für den deutschen Staat.

Den Waffenhandel generell verbieten und gleichzeitig von der Produktion dieser Waffen nichts wissen zu wollen, diese paradoxe Position der Waffenexportgegner von Friedensbewegung bis SPD verweist auf eine doppelte Einfühlung in den Staat als Gewaltmonopolisten und ideellen Gesamtkapitalisten. „Einfühlung in den Tauschwert macht noch Kanonen zu demjenigen Konsumgegenstand, der erfreulicher ist als Butter“, schreibt Walter Benjamin 1938 in einem Brief an Adorno. Als Staatsbürger will man sich ganz in diesem Sinne nicht nur „milliardenschwer“, sondern auch bis an die Zähne bewaffnet fühlen. Als Deutscher jedoch muss man zugleich die Sehnsucht nach Omnipotenz nicht zuletzt vor sich selbst in die Forderung nach dem Ende von Waffenexporten kleiden, um so die eigenen geopolitischen Ambitionen als Dienst am Allgemeinen, am „friedlichen Zusammenleben der Völker“, wie es im Grundgesetz heißt, verkaufen zu können. Mit der Kritik an den Waffenexporten einher geht das Eintreten für eine Politik, die keine sein will. Deutsche Politik ist Politik mit antipolitischer Rhetorik, die keine Gegner oder Konkurrenten, sondern nur uneinsichtige Feinde kennt und diese doch immer nur in den USA und Israel findet.

Es spricht Daniel Poensgen (Berlin), Sozialwissenschaftler und Mitglied der Redaktion der Zeitschrift Pólemos. Er promoviert zum Verhältnis von Staatsverständnis und Antisemitismus.

Um 20 Uhr in der Laterna Magika, Günterstalstr. 37

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Donnerstag, 14. Dezember 2017

Mickey und der Golem. Reflexionen der Judenvernichtung im Comic

An die Vernichtung der Juden wird in Deutschland bis heute vorrangig durch Fotografien erinnert, die von überzeugten Nationalsozialisten aufgenommen wurden. Weder die wenigen Aufnahmen des Sonderkommandos in Auschwitz noch die vielen, oft seriellen Häftlingszeichnungen sind im deutschen Bildgedächtnis weit verbreitet. Nicht erst seit MAUS – A Survivor’s Tale von Art Spiegelman ist in Comics ein anderes Bildgedächtnis etabliert. Dieses reflektiert, wie in MAUS, die Überlieferung selbst, kann aber auch, wie z.B. in Breath of Bones. A Tale of the Golem von Steve Niles, Dave Wachter und Matt Santoro, eine andere Bildwelt entwickeln. Dies sind nicht unbedingt nur nachträgliche Versuche, schon 1942 hat Horst Rosenthal mit Mickey in Gurs gezeigt, dass sich mit Comic-Figuren die Judenverfolgung reflektieren lässt. Doch vor allem stellen die Comics die Frage, in welchen Bildern an den Holocaust erinnert wird und welche andere Erinnerung jenseits des in Deutschland favorisierten Täterblicks möglich wäre.

Es spricht Ole Frahm (Frankfurt), Comic-Spezialist und Künstler der Gruppe Ligna. Er hat 2006 Genealogie des Holocaust. Art Spiegelmans MAUS – A Survivor`s Tale veröffentlicht.

Änderung: Der Vortrag findet am 14.Dezember und nicht am 7. Dezember statt!

Um 20 Uhr in der Laterna Magika, Günterstalstr. 37

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Donnerstag, 11. Januar 2018

Arbeit macht frei? Von Luther bis Hitler: Deutscher Arbeitswahn und Judenhass

Warum prangte die zynische Parole „Arbeit macht frei“ auf den E ingangstoren der Konzentrations-, Arbeits- und Vernichtungslager Auschwitz, Dachau, Sachsenhausen und Flossenbürg? Warum wurden Jüdinnen und Juden vor ihrer Ermordung im Nationalsozialismus oftmals zu sinnlosen Arbeiten gezwungen? Aus welchen Motiven initiierten die Deutschen das Programm „Vernichtung durch Arbeit“? Grundlegend für den deutschen Arbeitsbegriff, der im Zentrum der nationalsozialistischen Ideologie stand, ist die dichotomische Trennung von „schaffenden und raffenden Kapital“, sowie „ehrlicher und unehrlicher Arbeit“. Lässt sich bis heute ein spezifisch deutscher Antisemitismus, der mit einem spezifisch deutschen Berufung zur Arbeit korreliert, behaupten? Und besteht eine Kontinuität, ausgehend von der Reformation und den Schriften und Predigten Martin Luthers, der dem Volk auf’s Maul schaute und 1543 zum Niederbrennen der Synagogen aufrief?

Es spricht Klaus Thörner, Autor von ,Der ganze Südosten ist unser Hinterland‘. Deutsche Südosteuropapläne von 1840 bis 1945 und von ihm erscheint ebenfalls im ça ira-Verlag im Winter 2017 Arbeit macht frei? Von Luther bis Hitler: Deutscher Arbeitswahn und Judenhaß.

Um 20 Uhr in der Laterna Magika, Günterstalstr. 37

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Donnerstag, 25. Januar 2018

Binjamin Segel: Die Protokolle der Weisen von Zion kritisch beleuchtet. Eine Erledigung

Beinahe drei Jahre arbeitete der Journalist und Autor Binjamin Segel (1866-1931) an der Entlarvung der Protokolle der Weisen von Zion, dem bis heute virulenten antisemitischen Verschwörungsphantasma. Mit seiner erschreckend aktuell gebliebenen Studie von 1924 gehört er zu den Pionieren einer Kritik des Pamphlets. Segel informiert darin nicht nur über dessen Entstehungs-und Verbreitungsgeschichte, sondern weist gleichfalls nach, aus welchen Quellen dessen Urheber schöpften, um den vermeintlichen Plan einer jüdischen Weltverschwörung zu spinnen.

Es spricht Franziska Krah, Herausgeberin der Neuauflage des Buches, das im Herbst im ça ira-Verlag erscheint. Sie stellt Segels kritische Auseinandersetzung mit den Protokollen vor und äußert sich zur ungebrochenen Aktualität des antisemitischen Verschwörungswahns.

Um 20 Uhr in der Laterna Magika, Günterstalstr. 37

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Donnerstag, 8. Februar 2018

Über Reichsbürger, Staatsverweigerer und Selbstverwalter als militante Querulanten

Ähnlich wie die Souveränisten der FPÖ und AfD sehen sich die parteilos militanten Querulanten im Streben nach herrschaftlicher Befehlsgewalt und Handlungsfreiheit durch Institutionen eingeschränkt. Anders als jene wollen Reichsbürger, Staatsverweigerer und Selbstverwalter jedoch dem Räderwerk der Staatsapparate entkommen und setzen daher auf autarke Zellenbildung und ‚Leugnung des Staates‘, um sich freilich zum Zweck eigener Herrschaftsausübung sogleich in den Vor- und Schrebergärten ihren putzigen Gegenstaat zu erbasteln. Als legitim, legal und souverän wird der Gegenstaat halluziniert, sei es durch die freihändige Behauptung, die BRD sei nur eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, also ohne staatliche Würde, sei es durch die These, das Großdeutsche Reich existiere unverändert fort. Manche flankieren diese als staatsrechtliches Urteil drapierte Sehnsucht nach dem Tausendjährigen Reich mit der verbreiteten Auffassung, dass das wahlweise historisch gewordene, göttliche oder auch deutsche Naturrecht dem bloß geltenden, positiven und irgendwie bodenlosen (ergo künstlichen) Recht übergeordnet sei. Wie der Normalbürger, aber auch jeder um Redlichkeit bemühter Wissenschaftler, verdrängen auch sie, dass rechtlich begründete Souveränität ohne Gewalt nicht sein kann und dass diese Gewalt mit der Krise des Kapitals manifest wird.

Im Vortrag soll u.a. geklärt werden, wie sich die Transformation des Normalbürgers in den konsequenten Souveränisten vollzieht, warum sich diese vor allem gegen die halluzinierte Weltverschwörung, die sich in einem gewissen Verwandtschaftsverhältnis zur Idee der Nation des Bürgers bewegt, formieren und inwiefern es sich hier also um die aktuelle Form antisemitischer Bandenbildung handelt. Im Verlauf der Darstellung sollen außerdem die Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Reichsbürgern, Staatsverweigerern und Selbstverwaltern sichtbar werden.

Es spricht David Hellbrück (Wien). Er ist u. a. Redaktionsmitglied der Zeitschriften Pólemos und sans phrase und schreibt zum Reichsbürgerphänomen eine Artikelserie in sans phrase.

Um 20 Uhr in der Laterna Magika, Günterstalstr. 37

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