Jour Fixe Programm Fruühjahr/Sommer 2006

Jour Fixe Programm Fruühjahr/Sommer 2006

Dienstag, 2. Mai

Happy End

Zur Kritik des gesellschaftlichen Arrangements mit dem Sterben

Wenigstens im Tode, so denkt es im Subjekt, will ich selbstbestimmt sein. Eine letzte, unüberwindlich geglaubte Grenze fordert es heraus, schließlich fürchtet es nichts mehr als die Reminiszenz an naturhafte Vergänglichkeit. Die frühen Bürger hatten diesen Schrecken noch mit dem Versprechen gekontert, nach den äußeren auch die inneren Bedrohungen durch die Natur zu meistern. Das war die subjektive Seite des heute vielfach verworfenen Fortschrittsbegriffs. Heute gilt die Sorge nicht dem Leben, sondern dem Sterben. An die Stelle des Kampfes gegen Krankheit, Leid und Tod tritt das Arrangement mit dem Unabwendbaren. Die Alternativen zur aktiven Tötung von Kranken und Behinderten (oder von zu solchen Erklärten) heißen jedoch nicht Hospiz und Palliativmedizin. Sie sind lediglich die sozialdemokratischen Varianten der Sterbeindustrie, die menschelnd den Tod als Sachzwang verkaufen. Warum deswegen der antikapitalistische Verweis auf die Unmenschlichkeit von Kosten-Nutzen-Erwägungen zur grundsätzlichen Kritik des gesellschaftlichen Todestriebs nicht zu gebrauchen ist, ist die Ausgangsfrage des Vortrags von Tjark Kunstreich (Berlin).

Um 20 Uhr im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage).

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Dienstag, 16. Mai

C. G. Jung

Der konservative Revolutionär der Psychoanalyse

Die „analytische Psychologie“ C.G. Jungs und seine „Tiefenpsychotherapie“ erfreuen sich seit den 80er Jahren wachsender Beliebtheit in Deutschland. Nicht nur in der Psychotherapieszene – dort sowieso – sondern auch in der Theologie, Unterhaltungsbranche und Politik. Archetypen sind wieder in. In der Therapie, in Weiterbildungsseminaren oder in Volkshochschulkursen zu lernen, wie man hören kann, wenn Archetypen aus dem „kollektiven Unbewußten“ von innen her anklopfen, um von Bewußtsein herein-gelassen zu werden, damit sie sich in der Person individuieren (C.G. Jung) und in der Welt verwirklichen können, gilt vielen wieder als Weg zum Heil. Dafür haben insbesondere Autoren wie Eugen Drewermann, Franz Alt, Hannah Wolf, Rudolf Bahro und viele andere gesorgt. Sie alle sind felsenfest davon überzeugt, daß Jungs Lehre mit dem Nazifaschismus nicht das mindeste zu tun hat, daß Jung vielmehr ein waschechter Antifaschist ist, als der er für sich unmittelbar nach dem Krieg vor allen anderen, die es ihm bald nachmachten, Reklame gemacht hat. Auch daß C.G. Jung ein hart gesottener Antisemit war, der sich unmittelbar nach der Machtübernahme der Nazis an antisemitischen Kampagnen gegen das Wirken von Juden im deutschen Gesundheitswesen und vor allem der Psychotherapie sehr aktiv beteiligte, will man nicht wahrhaben, obwohl die Tatsachen selbst unbestreitbar sind. Was man nicht bestreiten kann, wird entweder als Ausrutscher C.G. Jungs abgetan, auf einen „Vater-Sohn-Konflikt“ mit Freud zurückgeführt und damit entschuldigt oder als Indiz dafür gewertet, daß im Nazifaschismus doch ein richtiger Kern enthalten gewesen sei, den es bei allem dem Falschen, was die national-sozialistische Bewegung bei der Realisierung dieses „guten Kerns“ angerichtet habe, zu retten gälte (so Bahro und Drewermann). Diese Sichtweise hat heute Konjunktur. Sie ist falsch, „notwendig falsches Bewußtsein“ im Sinne der kritischen Theorie der Gesellschaft. – Es spricht Heinz Gess (Bielefeld), Autor u.a. von „Vom Faschismus zum Neuen Denken. C. G. Jungs Theorie im Wandel der Zeit“ (zu Klampen-Verlag). (weitere Texte von Heinz Gess zu C.G. Jung sind bei www.kritiknetz.de zu finden).

Um 20 Uhr im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage).

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Montag, 22. Mai

Freiburg in der NS-Zeit: Ein Stadtrundgang

An exemplarischen Stationen wird aufgezeigt, was in Freiburg passierte, wie die Arisierung organisiert wurde, welche Menschen wo gelebt haben, die ihre Wohn- und Lebensstätte verlassen mußten. An der Universität wird vom Rektorat Martin Heideggers im Frühjahr 1933 die Rede sein. Der Rundgang endet gegen 17 Uhr am Platz der Alten Synagoge. – E. Schlesiger führt und kommentiert.

Treffpunkt um 15.30 Uhr am Regierungspräsidium, Kaiser-Joseph-Straße (gegenüber Buchhandlung Herder).

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Dienstag, 30. Mai

Abraham Léon (1918 – 1944)

Antizionismus als die Tragödie eines jüdischen Revolutionärs

Die Substanz des proletarischen Antizionismus war die tätige Hoffnung auf die Weltrevolution, und seine Wahrheit bestand nur in dieser Authentizität. Dieser Internationalismus setzte auf die Gleichzeitigkeit revolutionärer Subjektivität, engagierte sich gegen den universalen Zwangszusammenhang der Nationen. Soweit diese subversive Absicht aus den Arsenalen des Marxismus sich begründete, verfielen auch der jüdische Nationalismus, der Zionismus, und sein Staatsgründungsversuch in Palästina der rigorosen Ablehnung. Der jüdische Revolutionär Abraham Léon hat die Weltrevolution theoretisch bis zum letzten ausbuchstabiert und praktisch bis zur bitteren Neige ausschöpfen müssen; sein Werk „Die jüdische Frage. Eine marxistische Darstellung“, geschrieben im Untergrund während der Okkupation Belgiens, gibt in einem den Höhepunkt der marxistischen Theorie, wie zugleich, auf eben diesem historischen Scheitelpunkt, ihren Umschlag in Affirmation. Die kritische Theorie der Totalität degeneriert zur Soziologie, weil die Gesellschaft aus ihren Kategorien flieht. Da es falsch wurde, wie Léon im Anschluß an die Tradition glauben möchte, daß der Antisemitismus ein Versuch des „Großkapitals“ ist, „den Klassenhaß der Massen von sich abzulenken“, fällt zugleich der proletarische Antizionismus und damit die Kritik, die „zionistische Ideologie“ sei nur die „Ideologie des jüdischen Kleinbürgertums, das zwischen den Ruinen des Feudalismus und dem absterbenden Kapitalismus zerrieben wird“, d.h. der wahnsinnige Versuch, „das jüdische Problem unanhängig von der Weltrevolution zu lösen“. Was aber für Léon ein Unglück war, das wurde der postnazistischen Linken zur genauen Absicht ihrer Propaganda gegen Israel und ihrer haltlos verblendeten Bemühungen um einen „emanzipatorischen Antizionismus“: Diese Reflexionsverweigerung verdoppelt den Tod noch einmal, den die Deutschen den jüdischen Revolutionär Léon in Auschwitz erleiden ließen. – Es spricht Joachim Bruhn (ISF, Freiburg).

Um 20 Uhr im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage).

Der Vortrag fällt leider aus

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Samstag, 3. Juni

Textkritik

Moishe Postone: „Antisemitismus und Nationalsozialismus“

Moishe Postones theoretischer Versuch zur „Logik des Antisemitismus“ von 1979 ist zum Klassiker der materialistischen Gesellschaftskritik geworden, auch deshalb, weil er es erstmals unternimmt, den Begriff des Antisemitismus mit den fundamentalen Kategorien der marxschen Kritik der politischen Ökonomie ins rechte Verhältnis zu setzen. Ob es selbst in diesem fraglosen Fortschritt noch Fragwürdiges gibt, soll Thema der „Textkritik“ sein, auch aus Anlaß der ersten definitiven Publikation des Essays bei ça ira (in: Moishe Postone, Deutschland, die Linke und der Holocaust. Politische Interventionen, Freiburg 2005, Seite 165-194; auch zum kostenlosen Download unter www. isf-freiburg.org erhältlich). – Unter dem Stichwort „Textkritik“ möchte die ISF einmal im Semester die Gelegenheit bieten, einen grundlegenden Text der materialistischen Gesellschaftskritik zu lesen und im einzelnen zu diskutieren. –

Von 14 bis 17 Uhr im Büro der ISF, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage).

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Dienstag, 13. Juni

Vergangenheitsbewältigung

Die Wiederkehr des Völkischen

Wir Nazis: „Das Schuldbekenntnis der Deutschen nach der Niederlage des Nationalsozialismus 1945 war ein famoses Verfahren, das völkische Gemeinschaftsempfinden in die Nachkriegsperiode hinüberzuretten. Das Wir zu bewahren war die Hauptsache“ (Max Horkheimer). – Als Josef Fischer die Bombardierung Jugoslawiens damit begründete, daß „Auschwitz Teil der deutschen Identität“ geworden sei, hat er vermittels dieser Argumentation ganz nebenbei einen Schlußstrich unter die Vergangenheit gezogen und das heute weltweit berühmt gewordene „negative Nationalbewußtsein“ der Deutschen auf den Punkt gebracht. Die in Deutschland verbreitete nationalismuskritische Haltung, auf die Fischers Aussage traf, wird gewöhnlich für progressiv gehalten. Dabei liegt in dieser zum Allgemeingut gewordenen Haltung gerade der Grund dafür, daß das Selbstbewußtsein der Gesellschaft heute so selbstverständlich als nationales auftreten kann. Seit „9/11“ ist die Kritik an nationalen, „unilateralen“ Politiken gängig und soll zu einem Fundament des neuen Europa werden. Hieran läßt sich erkennen, daß platter Antinationalismus der neuen deutsch-europäischen Staatsideologie nicht nur machtlos gegenüber steht, sondern diese sogar befördert. Die populäre Formel der „nationalen Identität“ negiert den westlichen, politischen Nationalismus, wird jenseits von Politik und Demokratie angesiedelt und rekurriert so am Ende auf Abstammung. Hinter dem Neologismus „nationale Identität“ verbirgt sich etwas noch Schlimmeres als die Nation – nämlich die Idee des Volkes. Mit dieser Wiederbelebung völkischen Empfindens im Zeichen des Antinationalismus wird sich der Vortrag ebenso beschäftigen, wie mit den deutsch-imperialen Obertönen, daß jetzt die Anderen mit dem geschichtlichen Lernen dran seien. Dabei wird die Frage zu klären sein, wodurch gerade die „Vergangenheitsbewältigung“ zum Katalysator für ein Fortleben des Nationalsozialismus in der Gegenwart werden konnte. – Es spricht Klaus Baethge (Göttingen).

Um 20:30 Uhr in der KTS.

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Dienstag, 27 Juni

Antisemitismus und Antizionismus

Von der Nation ohne Juden zum Krieg gegen den jüdischen Staat

Vergleiche, in denen die israelische Politik in die Nähe des NS gerückt wird, basieren auf der typischen Umkehrung des tatsächlichen Täter/Opfer-Verhältnisses. Von derselben Qualität sind Aussagen, die unter Verweis auf historische Fakten eine partielle Interessens- oder gar Wesensidentität von NS und Zionismus behaupten. Häufig wird auch gesagt, daß Antisemitismus und Zionismus gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Einschätzung geteilt hätten. Beide seien davon ausgegangen, daß weder das Konzept der Emanzipation noch das der Assimilation eine Lösung der „Judenfrage“ in Aussicht stellen könne. Hieraus jedoch auf eine Überschneidung der Interessen zu schließen, hieße vom Wesentlichen zu abstrahieren: Zwar ging Theodor Herzl davon aus, daß nur die staatliche Trennung einen Ausweg aus dem Antisemitismus biete, und auch einige Anführer des Antisemitismus begrüßten die zionistische Idee. Dies ändert allerdings nicht das mindeste daran , daß Herzls Interesse dem auf Selbsterhaltung zielenden, darum schon in sich vernünftigen Aufbau eines vor antisemitischer Verfolgung schützenden Staates gilt, während die Judenfeinde ein Programm von Wahnvorstellungen verfolgen. – Es spricht Joachim Wurst (Gießen), Co-Autor des gerade von Alexandra Kurth herausgegebenen Buches „Insel der Aufklärung. Israel im Kontext“ (Gießen: Netzwerk-Verlag 2005).

Um 20:30 Uhr in der KTS.

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Dienstag, 11. Juli

Wider die Lust

Über die Psychopathologie des Islam

Die Aggressivität des Islam, erwachsen aus der eigenen Versagung, dem begehrten Verbotenen und dem verbotenen Begehrten, konzentriert sich auf das Sinnbild der westlichen Dekadenz: die Juden, von denen, wie der Begründer der Muslimbrüderschaft sagt, die ganze Welt gelernt habe, „die sinnlichen Bedürfnisse zu befreien“ und so die gläubigen Muslime in den Schmutz zu stoßen, auf die Israelis, deren Staat gewordene Gesellschaft den Menschen den Menschen der arabischen Gemeinschaft permanent eine widersprüchliche, auf Fortschritt bedachte Kultur vor Augen führt, deren Mitglieder nach individuellem Glück streben. Da sie die westliche, in Israel konkretisierte Welt, nicht so verdrängen können wie die eigenen Triebansprüche, bleibt nur, das Begehrte zu zerstören. Die Destruktion wird zur einzig noch möglichen Annäherung ans Objekt; so werden sie nicht lassen können, nicht von Israel, nicht von der dekadenten Welt überhaupt. Daß aber in erster Linie die Juden in die reinigenden Fluten des Meeres getrieben werden müssen – das ist die Quintessenz der „islamischen Erneuerung“, die dabei ist, das größte psychopathologische Kollektiv zu formen, das die Welt seit langem gesehen hat. – Es spricht Natascha Wilting (Redaktion „Bahamas“, Berlin).

Um 20 Uhr im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage).

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Samstag, 15. Juli

ISF 25 – Wie immer identisch!

Eine Debatte, eine Geburtstagsparty im Jos Fritz Café

18 Uhr
Aufklärung und Aufklärungsverrat im XXI. Jahrhundert

Ein Streitgespräch über die Generallinie sowie über den Zusammenhang von Aufklärung, Kritik und Revolution.
Fabian Kettner (Rote Ruhr Uni,Bochum), Stephan Grigat (Café Critique, Wien), Uli Krug (Redaktion „Bahamas“, Berlin) und Manfred Dahlmann (ISF, Freiburg). (Änderungen vorbehalten).

21 Uhr
Geburtstagsparty

Feine Tanzmusik von den Anfangstagen der ISF bis heute. Dazu wird eigens das legendäre Conne Island Allstar DJ Team eingeflogen, unterstützt vom Freiburger DJ Robotron

Jos Fritz Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage).

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