Initiative Sozialistisches Forum

»Unser Karl«

Über die Heimholung eines großen Deutschen

 

»Und wir alle wissen, daß besonders in Deutschland als Klassiker zu gelten zwar sentimentale Feierstunden, aber zugleich Zitaterunden und Vergessen bedeutet.«

Leo Löwenthal, Zum Andenken Walter Benjamins

In puncto Erinnern und Gedenken macht den Deutschen niemand so schnell etwas vor: auch den bundesdeutschen Gedenkmarathon in den großen Jubiläumsjahren 2017 und 2018 absolviert der »Weltmeister in Vergangenheitsbewältigung« (Deutschlandfunk) mit links. Im Gegensatz zur üblichen nekrophilen Gedenken- und Erinnerungskultur, das routiniertes Trübsal blasen und Trauerhaltung abverlangt, wenn man der »dunklen Jahre von 33 bis 45« zu gedenken hat, geht es dieser Jahre merklich heiterer zu. Ausgerechnet Karl Marx’ 200. Geburtstag sowie das 150-jährige Jubiläum der Erstveröffentlichung des ersten Bandes des Kapitals sollen das unstillbare Bedürfnis der Deutschen nach identitätsstiftender Vergangenheitsbewältigung, politischer Sinnstiftung und Rationalisierung einer in sich verkehrten, weil negativ über den Wert synthetisierten, Gesellschaft befriedigen.

Wer heute noch Marx für Pol Pot, Mao, Stalin oder Gulags verantwortlich machen will, hat die Erinnerungslokomotive deutscher Geschichte verpasst und wirkt ähnlich antiquiert wie eine Schreibmaschine im Computerzeitalter. Je länger die schmerzliche Erinnerung an das geteilte Deutschland und die irgendwie negativ mit dem Namen Marx verbundene Systemkonkurrenz zwischen Ost und West dabei zurückliegt, je umfassender der Pluralismus des demokratischen Konsenses im restlos vereinigten Deutschland seither geworden ist, desto umstandsloser lässt sich auch Marx als innovativer Ideen- und Stichwortgeber für die realen wie eingebildeten Nöte von heute entdecken. Das Gespenst des Sozialismus hat ausgespukt und damit wurde auch der bisweilen rigide Antikommunismus durch eine ideologisch flexiblere Form der postnazistisch-demokratischen Eingemeindung abgelöst. Insbesondere das Geschwätz über Marx, mit dem »die ideologischen Kretins der Bourgeoisie, ihre Zeitungsschreiber u. dgl.« (Marx) den ›öffentlichen Diskurs‹ im Wochentakt bereichern, zeigt, dass es sich bei der Totalität des herrschenden Verblendungszusammenhangs, der ideologischen Selbstverschleierung der verkehrten Gesellschaft, weder um ein nachzubetendes Dogma noch um gewiefte Manipulation von oben, sondern um das aktive wie bereitwillige Hin und Her von Meinung über Meinung handelt. Ideologie ist nicht länger das, was von oben dekretiert, sondern die Meinung, die von allen diskutiert, gefühlt und gelebt werden will. Und so verwundert es nicht, dass es im Marx-Jubiläum nichts gibt, was es nicht gibt. Alleine in Trier, der Geburtsstadt von Marx, fanden dieses Jahr 600 Veranstaltungen anlässlich des Jubiläums seines Geburtstags statt.

Dabei haben all diejenigen ihren großen Auftritt, die die ideologischen Staatsapparate seit jeher von links beliefern und sich wie die Erbschleicher der Rosa-Luxemburg-Stiftung bereits seit 30 Jahren redlich darum bemühen, dem großen Theoretiker und Wissenschaftler Marx endlich die Anerkennung der Nation zu verschaffen, indem sie keine Chance ungenutzt lassen, die Kritik der politischen Ökonomie zur alternativen Volkswirtschaftslehre zu depotenzieren, um sie so dem gemeinen Menschenverstand wie der wissenschaftlichen Intelligenzia als theoretische Legitimation für Politik kommensurabel zu machen.

»200 Jahre Marx: Was ist wichtig, was muss ich heute über Marx wissen?«, fragt Antonella Muzzupappa bei einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Und die NZZ antwortet unter Karl Marx und der Fetischcharakter des Autos prompt: »Karl Marx hat sich in vielem getäuscht. Bei der Analyse des ›Fetischcharakters der Ware‹ hat er allerdings Aussagen gemacht, die heute noch – besonders in der Autoindustrie – erstaunlich aktuell sind. Wer heute an Produkte denkt, die von Menschenhand hergestellt, aber ›mit eigenem Leben begabt‹ sind, dem kommen nicht Tisch oder Rock in den Sinn. Eher Waren wie Smartphones und selbstfahrende Autos. Deren Hersteller machen auch kein Geheimnis aus dem Fetischcharakter ihrer Produkte. Namentlich in der Fahrzeugindustrie ist man überzeugt, dass Autos mehr als nur materielle Eigenschaften haben.« Wem das zu hoch ist, dem bietet die Rosa-Luxemburg-Stiftung mit: Das ›Kapital‹ als Comic wiederum eine Alternative: »Marx’ ›Kapital‹ lehrt nicht nur Kapitalisten das Fürchten. Sondern oft auch jene, die es verstehen wollen. Der JARICOMIC schafft Abhilfe: Die lockerste Einführung in das ›Kapital‹ seit seinem Erscheinen.« Ernster, nämlich mit allen akademischen Wassern gewaschen, geht es da schon bei der Konferenz des Kollegiums Wissenschaft der Rosa-Luxemburg-Stiftung in der Berliner Humboldt Universität unter dem Titel: Lebendiges Denken: Marx als Anreger zu. Dort wird der Materialismus in ein Forschungsprogramm transformiert und die »Beschäftigung mit seinem Werk« verkommt folglich »zum Ausgangspunkt für die Bildung und Ausarbeitung neuartiger Hypothesen und Forschungsansätze in Natur- und Geisteswissenschaften« – mit Vorträgen, die Akademikerherzen höherschlagen lassen: »Der Marxsche Wertbegriff und seine stimulierende und integrative Rolle in der Wissenschaft«. Im gleichen Maße versöhnlich wie besinnlich geht es hingegen bei einer spirituellen Kooperation von Rosa-Luxemburg-Stiftung und Kirchengemeinde Berno Schwerin zu, die unter dem Titel 200 Jahre Marx – 2000 Jahre Christentum offenbar darum bemüht ist, die Marxsche Religionskritik ungeschehen zu machen, und dabei folgenden Fragen auf der Spur ist: »Welche Bedeutung hat die Lehre von Marx für unsere Zeit? Und wie kann sie in Beziehung zur biblischen Überlieferung und zum christlichen Menschenbild gebracht werden?« Wer sich gegenwärtig »irgendwo zwischen globalem Turbo-Kapitalismus und digitalem Sozialismus« verortet und schon immer wissen wollte, wie hinter unserem Rücken bereits heimlich der digitale Sozialismus heranwächst und was Marx angeblich nicht alles über geldgierige Banker zu sagen gehabt hätte, den lädt Wolfgang Korn in seinem Buch Karl Marx. Ein radikaler Denker gerne »zum Weiterdenken mit Marx« ein. In Trier leistet Marx darüber hinaus einen Beitrag zur Einhaltung der Straßenverkehrsordnung. Dort weihte der Oberbürgermeister Wolfram Leibe »eine Fußgängerampel ein, auf der die Silhouette des berühmten Stadtkindes aufblinkt. Neben der Marxschen Standardfarbe Rot lässt die Ampel den geistigen Vater des Kommunismus auch in Grün mit Rauschebart und Gehrock erstrahlen.« Der »Trierer Stadtschreiber« Frank Meyer fragt in seiner Marx-Kolumne derweil, ob das Trierer Marx-Ampelmännchen das Kapital oder das Kommunistische Manifest in den Händen halte, kommt aber dann doch zum Entschluss, dass »es sich um eine stark stilisierte Abbildung des ›Meine ersten 270 Wörter auf Trierisch‹-Wörterbuchs« handeln müsse. Wer es hingegen etwas kritischer haben möchte und sich als Staatsbürger noch dazu verpflichtet fühlt, Vorurteile gleich welcher Art abzubauen, der kann sich in Wolfgang Schieders Buch Karl Marx. Politik in eigener Sache darüber informieren, welchen in Deutschland weit verbreiteten »Vorurteilen gegenüber den ›Politikern‹« Marx sich nicht schuldig gemacht hätte.

Der Umgang mit Marx von links wird aus dem bisher noch isolierten Umfeld des rechten Hippiehofs aus Schnellroda skeptisch beäugt, weil man sich selbst vom theorieaffinen Legitimationspartisan zum offiziellen Politiksoldaten mit Theoriehintergrund aufschwingen will – ganz nach dem Vorbild der Rosa-Luxemburg-Stiftung und ihrer Politikberater-Funktion für die Linkspartei im Bundestag und anderswo. So entdeckt der sich selbst so bezeichnende neurechte Theoretiker Benedikt Kaiser (Sezession) durch seinen querdenkenden Kompagnon und Vordenker der Neuen Rechten aus Frankreich, Alain de Benoist, Marx von rechts und ähnlich wie Teile der Neuen Linken begründet er durch seine Theoriemanie einen künftigen geistigen Führungsanspruch: »Doch diese zukunftsweisende Herausforderung – die zahllosen Veränderungen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu verstehen lernen – muß von rechts in Angriff genommen werden, will man den vielzitierten einen Schritt voraus sein.« Doch Vorbehalte gegen eine Marx-Lektüre von rechts kommen, so jammert Kaiser, auch aus der Ecke »liberalkonservativ[er] und neonationalsozialistisch[er]« Rechter: »Die Argumentationen bleiben bis dato inhaltsarm, sie erinnern an jene von manchen Liberalkonservativen und Hitleristen (Gulag, Querfront-Rotz, Spinnerei), sind aber zusätzlich persönlich vulgär«. So reiht sich auch die teils wissenschaftlich bemühte Neue Rechte ins Marx-Jubiläumsjahr ein, andernfalls wäre Deutschland irgendwie auch keine so schrecklich hässliche Familie, die gemeinsam »unseren Karl« (Meyer) zur nationalen Insignie verhilft: »Eine nüchterne und unvoreingenommene Lektüre von Karl Marx, die sich von der Verteufelung ebenso fernhält wie von der Anbetung, ist nicht nur möglich, sondern sogar notwendig: nicht, um sich dem Marxismus zuzuwenden, sondern um zu prüfen, was an seinem Werk fruchtbar und aktuell geblieben ist.« (de Benoist)

Insbesondere Jürgen Neffe, der gleichermaßen vom offiziellen Deutschland wie von den Linksdeutschen der Rosa-Luxemburg-Stiftung hofiert wird, hat mit seiner Biografie über das Leben und Werk von Marx (Marx. Der Unvollendete) zweifelsohne den richtigen Riecher bewiesen und auch gleich entsprechend abgesahnt. Nicht ohne Grund avancierte das Buch zum Kassenschlager und nicht umsonst wurde es mit dem Deutschen Wirtschaftsbuchpreis 2017 ausgezeichnet, der unter dem Motto »Wirtschaft verstehen« stand und jährlich aus einer Kooperation des Handelsblatts, der Frankfurter Buchmesse und der Investmentbank Goldman Sachs vergeben wird. Von der Jury gefragt waren dabei neben »innovativer Themensetzung oder einem neuen Blickwinkel auch Verständlichkeit und Lesbarkeit.«

Neffe, der in einem Interview zu verstehen gab, zwar »nicht gerne mit Marx in einer WG leben« zu wollen, hat sich für sein Buch dennoch, wie er versichert, »intensiv mit seiner Theorie auseinandergesetzt, an der Universität sogar Vorlesungen über die Philosophie des Geldes oder Wirtschaftsgeschichte gehört.« Marx, so zollt ihm Neffe Respekt, sei »in erster Linie Wissenschaftler« und »habe komplexe und tiefgründige Theorien durchdacht und formuliert«, wodurch es ihm gelungen sei, »zu tieferen Wahrheiten« vorzudringen, die ihn schließlich sogar dazu befähigt hätten, »Vorhersagen« zu machen. Alleine schon deshalb habe Marx dem Biografen bei seinem unaufhörlichen Streben danach, die Welt selbst besser zu verstehen, »persönlich viel gegeben«. Es ist der Blick hinter die Kulissen, der Röntgenblick aufs Eigentliche, der das »ontologische Bedürfnis« (Adorno) stimuliert und Neffes Faszination für die vermeintliche Tiefe des »deutschen Propheten« (ZDF) ausmacht. Denn, so heißt es in seiner Biografie: »Das Gattungswesen liegt verborgen wie das Innere einer Zwiebel.« Schicht um Schicht schält er folglich dies verborgene Wesen heraus. Fest umschlossen von den verschiedenen Dimensionen »zunehmender Entfremdung, die wie Schalen einer Zwiebel den Kern jenes Urwüchsigen umgeben, das er ›Wesen‹ nennt.« Ist es denn etwa kein »berührender, unheimlicher Gedanke bei jedem Griff ins Portemonnaie per Banknote oder Kreditkarte von vergangener und vergegenständlichter, also entfremdeter Arbeit angeblickt zu werden?«, fragt Neffe auf der Suche nach dem Urwüchsigen im Herzen der Entfremdungszwiebel. Es muss diese Kreuzung aus irgendwie nach Marx klingendem Entfremdungsgedusel, das den Wert souverän aus der Arbeit abzuleiten weiß, und einem Quäntchen handelsüblichem Spiritismus sein, welche Sätze wie die folgenden motiviert und letztlich das ergibt, was der Jury gar nicht einmal zu Unrecht als innovativer Beitrag zur nationalökonomischen Theoriebildung gilt: »Hinter dem Zauber der Waren verbirgt sich ein perfider Pakt. Mit der ›Entäußerung des Arbeiters in seinem Produkt‹, vermittelt durch Geist und Hände, Werkzeuge und Maschinen, materialisiert sich ein Stück seiner Seele. Am Ende steht es vor ihm wie eine Abstraktion, die ihren Ursprung vergessen hat.« Denn, so weiß Neffe: »Im Geld steckt unser Wesen.« Wer mit derlei Seelenwanderung geistig etwas überfordert ist, dem erklärt er es gerne noch einmal in aller Ruhe. Das Ganze funktioniert nämlich so: »Seele wandert in Sachen, Sachen erzeugen Zwänge, Zwänge verformen Seele.« Im Resultat geht es dann zu wie in der Märchenstunde: »Was als Arbeit begonnen hat, tritt im Geld als unkontrollierbarer Kobold wieder auf und verkehrt das Wesensband zwischen den Menschen.« Das alles sei laut Neffe jedenfalls »doch sehr aktuell« und in jedem Fall höchst bedenkenswert, alleine schon weil »die Gefahr«, »dass am Ende immer weniger immer mehr haben«, unverändert fortbesteht. Erschwerend komme hinzu, dass die Machenschaften dieses unkontrollierbaren Kobolds »Egoismus und Einzelkampf statt Kollektivgeist und Solidarität« mit sich brächten. Nicht umsonst sei es Marx, laut Neffe, schließlich immer um die »Frage von Macht gegangen«, der »Möglichkeit, Einfluss auf den Staat zu nehmen«, um die »Kontrolle über das System wiederzugewinnen.«. Usw. usf. In allium cepa verdankt Neffe Marx also die Einsicht, »dass Arbeit nicht nur zur Entfremdung führt, sondern sinnstiftend, ein Stück Heimat sein kann.« Das hätte Oskar Lafontaine auch nicht schöner sagen können.

Hatte man sich zum Zwecke der staatsdienlichen Bewirtschaftung dieses geistigen Standortvorteils im Bereich der Ideologieproduktion jahrelang eigens eine Rosa-Luxemburg-Stiftung mit angegliederter Linken gehalten, so scheint deren Bemühen darum, den Deutschen Marx näher zu bringen, auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Das Doppeljubiläum bietet jetzt auch dem offiziellen Deutschland mitsamt seiner schreibenden und schwatzenden Zunft einen willkommenen Anlass dazu, Marx für sich »wiederzuentdecken« und entsprechend zu »würdigen«, wie es allenthalben heißt, um so letztlich noch einen der erklärten Feinde ihrer Nation und der ihr zugehörigen Vergesellschaftungsweise ohne jeden Widerstand einzudeutschen, indem sie ihm, wie in einem Akt nachgetragener Rache für einstmaliges Querulantentum doch noch einen Ehrenplatz in der Ahnengalerie der Nation verpassen.

Die Deutschen, so gibt der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem von Jürgen Neffe moderierten Podium 200 Jahre Karl Marx – Geschichte und Aktualität im Schloss Bellevue stolz zu Protokoll, seien nämlich ein Volk, »für das es geradezu identitätsstiftend« sei, »die Widersprüche unserer Geschichte anzunehmen, die Abgründe neben den geistigen Höhen.« »›Was würde Marx wohl dazu sagen‹, wenn er in diesen Saal schauen würde?«, fragt er, nur um dem aufkeimenden Zweifel an seiner Unternehmung im Handumdrehen die Wurzeln zu kappen: »Ehrlich gesagt: Führe ich mir das äußerst spitze Ende seiner Feder vor Augen […], bin ich eigentlich ganz froh, dass wir die Antwort nie erfahren werden. ›Was würde Marx dazu sagen?‹ ist heute glücklicherweise nicht unsere Fragestellung, sondern die umgekehrte: ›Was haben wir hier und heute über ihn zu sagen?‹«

Marx, das sei laut Steinmeier zugleich ein geübter »Netzwerker«, »Teil eines einzigartigen Kreativ-Duos«, »Pädagoge«, »Wissenschaftler«, »natürlich Familienvater« und selbstverständlich »Ehemann«, unterm Strich »in all seiner Widersprüchlichkeit, jedenfalls das: ein großer deutscher Denker.« Derlei ökonomische Kompetenzen und menschliche Qualifikationen alleine, die beinahe so klingen, als wäre Marx der Gründer eines aufstrebenden Start-Ups mit familiärer Atmosphäre im »Sachsen-Valley« gewesen, machen allerdings noch keinen großen Deutschen. Kein großer deutscher Denker nämlich, der nicht durch die höheren Weihen der deutschen Ideologie gesegnet ist und auch die entsprechenden staatsbürgerlichen Primärtugenden für sich beanspruchen darf. So begeistert den Staatsmann nicht allein Marxens »gewaltige Schaffenskraft«, sondern auch wie »opfer- und entbehrungsreich der Entstehungsprozess« seines Denkens gewesen sei, das am Ende noch sein Leben »überragen« sollte. Sein Werk sei jedenfalls, »gewaltig bis teils unverständlich in seiner Komplexität – so dass die zaristische Zensur die erste russische Ausgabe des Kapitals mit der Begründung passieren lässt: ›Nur wenige werden es lesen, noch weniger werden es verstehen.‹« Doch, bremst sich Steinmeier, der als fleischliche Verkörperung der Einheit des Staates über einen entsprechenden politischen Instinkt verfügt, gerade noch: »Welch folgenreicher Behördenirrtum!« Mit diesem Satz könnte Steinmeier, wie unfreiwillig auch immer, so doch zumindest negativ die größte Würdigung von Marx im ganzen Jubiläumsspektakel gelungen sein.

Initiative Sozialistisches Forum, Oktober 2018