Initiative Sozialistisches Forum – Go straight to hell

Initiative Sozialistisches Forum

Go straight to hell

Weder als die israelischen Luftstreitkräfte Scheich Jassin seinen sehnlichsiten Wunsch erfüllten und ihn ins Jenseits beförderten, noch als sie vier Wochen später dem Ansinnen seines NachfolgersRantisi – „I prefer Apache“– nachgaben, war Freude über den Tod der fanatischen Judenhasser zu vernehmen. Statt dessen bot sich den Israelfeinden von Ramallah bis Rom, von Bagdad bis Berlin mal wieder Anlaß, „das Tor zur Hölle“ (Rantisi) aufzustoßen und ihrem Ressentiment freien Lauf zu lassen. Ob nun Kofi Anan die „extralegale Hinrichtung“ oder Syriens Diktator Assad einen „verbrecherischen Akt“ verurteilt, ob amnesty international oder Hamas von einem „feigen Attentat“ faseln, ob das Europäische Parlament einen „Akt des Terrors“ oder die palästinensische Autonomiebehörde einen „Akt des Staatsterrorismus“ verdammt – einig ist man sich darin, daß allein Israels Kampf gegen die fanatischen Judenhasser diese erst zu ihren Taten anstachelt.

Hinter der vorgeschobenen Befürchtung, daß „alleine die Hamas in dem Machtvakuum gewinnt“ (FR) bzw. „Jassins gewaltsamer Tod … auch gemäßigte Palästinenser in falsche Solidarität“ zwingt (WELT), verbirgt sich nicht nur eine völlige Verkennung des Antisemitismus, der ja keiner äußeren „Gründe“ bedarf, um loszuschlagen. Sondern die Zwanghaftigkeit, dem Morden Gründe unterzuschieben, signalisiert vor allem ein unheimliches Einverständnis mit den Taten, eine Zustimmung, welche die Islamisten im Allgemeinen und die Palästinenser im Besonderen getrost als Aufforderung zum Weitermorden verstehen dürfen. Der alten Parole gemäuß, „Wo Unrecht herrscht, wird Widerstand zur Pflicht“, fühlen sie sich berufen, es nicht bei diplomatischen Drohungen zu belassen, sondern ihren „totalen Krieg gegen Israel und seine Existenz“ (Rantisi) fortzusetzen. Derweil beeilt sich die neugewählte spanische Regierung den Beweis anzutreten dafür, die Botschaft von Madrid verstanden zu haben und sich schnellstmöglich aus dem Irak zurückzuziehen. Auch Polen reduziert sein Engagement im Irak. Und Großbritanniens Außenminister Straw stellt sich nun als guter Europäer vor und verurteilt Israels targetted killings: „Diese so genannten gezielten Tötungen widersprechen internationalem Recht und sind nicht zu rechtfertigen.“ Die europäische Einigung vollzieht sich als Formierung gegen die USA und Israel; die Arbeitsteilung zwischen Europa und den Islamisten stabilisiert sich. Deutschland jubiliert.

Und dieses Deutschland braucht in der europäisch-arabischen Front gegen Israel nur so zu tun, als ginge es ihm allein um unparteiische Vermittlung. Die Rolle des übergeordneten Dritten, in der man sich im Gestus moralischer Gewißheit als geläuterter Täter zum Richter aufspielen kann, dient aber nur dem einen Wunsch – selber über Israel zu Gericht zu sitzen: „Das Opfer Jassin, fast blind und querschnittsgelähmt, war in ganz besonderem Maße wehrlos. Die Tötungsmethode – Beschuß aus Hubschraubern – ist … geradezu systematisierte Heimtücke… Die Regierung Israels handelte hier als Ankläger, Richter und Henker in einem, was elementarer Rechtsstaatlichkeit widerspricht. Todesstrafe ohne Verfahren auf Verdacht, mag er noch so stark sein, ist staatlicher Lynchmord“ (FAZ, Selbstvergiftung, 24.03.04). Den Kampf Israels gegen seine erklärten Todfeinde unter die Kategorien des Individualstrafrechts zu subsumieren und Israel des „staatlichen Lynchmordes“ zu bezichtigen, dient keineswegs irgendeiner Wahrheitsfindung, sondern illustriert bloß die den Deutschen seit 1945 eigentümliche Anmaßung, Grundfragen gesellschaftlicher Existenz in juristische, moralische und politische Urteile zu übersetzen. Deren Vollstreckung überläßt man gerne der Hamas, die den „Unrechtsstaat“ zur Strecke bringen soll. Was treibt die europäischen Freunde des Friedens“ so schlafwandlerisch an die Seite derjenigen, die zum „totalen Krieg gegen Israel und seine Existenz“ (Rantisi) aufrufen? Was bringt die selbst ernannten Liebhaber des Rechtsstaates so in Rage, daß sie ihre eigene Grundlage vergessen: das Gewaltmonopol des Staates – um dessen Etablierung es in „Palästina“ doch erst noch geht? Was treibt die Anhänger des starken Staates dazu, die gezielten Tötungen“ nicht als legitime Selbstverteidigung eines Staates zu werten, sondern als „Staatsterrorismus“? Israels Praxis der Liquidierung glühender Antisemiten, deren Vernichtungsideologie die im religiösen und nationalen Wahn unmündig Gehaltenen zum suicide bombing als privatisierte staatliche Vernichtungsaktion (Gerhard Scheit) motiviert und mystisch ausstaffiert, außerhalb des Rechtskontextes zu stellen und nicht als legitimen Ausdruck des Rechtes eines Staates auf Selbstverteidigung zu bewerten, widerspricht dermaßen eklatant der eigenen historischen Konstitution als Staat und bürgerliches Subjekt, daß mehr dahinter stecken muß als übliche Diplomatie.

Der diskrete Antizionismus erlaubt sich heutzutage durchaus, Israel „ein Existenzrecht“, gelegentlich gar ein „Recht auf Selbstverteidigung“ einzuräumen. Die Großzügigkeit, in der dieser Gestus vorgetragen wird, und mehr noch, daß dieses Recht überhaupt Erwähnung findet (wer redet von einem Existenzrecht Deutschlands, obwohl doch gerade dieses alles andere als moralische Legitimität besitzt), erweist dieses Gerede als Lippenbekenntnis. Nie wird die konkrete Anwendung der Souveränität seitens Israels als solche dargestellt, sondern immer als Willkür, Bosheit oder Dummheit. Scheinbar vermittlungslos stehen die Bekenntnisse zum allgemeinen Recht auf Israels Existenz und die nie endenden Verurteilungen seiner konkreten Politik nebeneinander. Was die Staatsfetischisten im allgemeinen und die Deutschen im besonderen in diese Bredouille treibt, ist die Frage nach den höheren Weihen des Staates, seiner Legitimität. Aus dieser ihrer Staatsauffassung heraus müssen sie zwar formal die Existenz Israels anerkennen, sie daraufhin jedoch konkret und materiell wieder delegitimieren. Wo man sich ganz und gar dem Irrsinn der völkischen, das heißt substantiellen Legitimation von Staatlichkeit verschrieben hat, kann Israel, weil es im Begriff des Volksstaates nie aufgehen kann, nur als „unnatürliches Gebilde“ erscheinen. Denn als Staat aller in der Welt wegen ihrer Zuschreibung zum Judentum Verfolgten kann die israe lische Gesellschaft nie zu einer homogenen Gemeinschaft im Sinne völkischer Ideologie gerinnen. Sie muß qua Konstitution bürgerliche Gesellschaft bleiben, das heißt sie muß ihre Synthesis in abstrakter Vermittlung konstituieren und kann nicht ihr Heil in der Vernichtung von Vermittlung suchen –genau daran also sich nicht beteiligen, was Ziel und Zweck jedes Antisemiten ist: die Repräsentanten dieser Vermittlung zu vernichten, um so direkt in der Volksgemeinschaft (also den individuellen Tod) aufzugehen.

So kommt es, daß in den Augen der deutsch denkenden und fühlenden Antizionisten die Zionisten zwar das Monopol haben, dies aber für ganz und gar nicht legitim ansehen. Legitimität, der Glaube an den Staat des Gemeinwohls, der „wir“ alle sind oder zu sein hätten, ist der übersinnliche Maßstab, auch „gesundes Volksempfinden“ genannt, an dem der Antizionist die Legalität Israels relativiert. Wenn Israel die führenden Islamfaschisten Palästinas beseitigt, dann handelt es sich um eine extralegale Aktion eines Staates in ihren Augen deshalb, weil es Israel als ‘wirklichen’, also substantiell legitimierten Staat gar nicht gibt.

So dienen die ewigen Verhandlungen über die konkrete Ausübung der israelischen Staatsgewalt lediglich dazu, die allgemeine Illegitimität Israels vorzuführen. Was immer auch die deutschen Freunde Israels, bekanntlich alles andere als prinzipiell der staatlichen Gewalt kritisch gegenüber eingestellt, an Israel scheinbar konkret bemängeln, gemeint ist immer seine Konstitution als solche. In der „Sorge um Israel“ (Joseph Fischer) camoufliert sich der Drang, Israel zu bevormunden, zu entmündigen und jenen auszuliefern, die offen seine Vernichtung propagieren. Wo sich die Ideologen des alten Europa den insgeheim gehegten Wunsch, den Staat der Juden auszulöschen, nicht eingestehen mögen, erhoffen sie sich dies im Einverständnis mit dem Lauf der Dinge: das Grobe besorgen die islamfaschistischen Mörderbanden, den Rest die UNO, während die „Friedensmacht Europa“ über die „Selbstvergiftung“ (FAZ) der israelischen Demokratie  schwadroniert. Diese Auffassung vom Staat, dessen Begriff Israel aufgrund seiner Konstitution niemals genügen kann, findet sich in der vom Recht wieder, das für sich in Anschlag zu bringen für Israel aussichtslos ist. Das Paradox, Israel als Staat gleichzeitig anzuerkennen und nicht anzuerkennen, wiederholt sich auf der Ebene des Rechts dergestalt, die Liquidation der Hamas-Führer in den juristischen Kontext einerseits hineinzuschreiben – abzuhandeln als Fall des Individualstrafrechts, als Fall des Völkerrechts –, um sie andererseits im gleichen Atemzug aus dem Recht auszuschließen – als Mord, als Völkerrechtsbruch. Als „extralegale“ Aktionen werden sie der internationalen Verachtung preisgegeben.

Doch die Tötung der Hamas-Führer ist nicht als Rechtsfall zu lösen. Das Recht, so schreibt Benjamin 1921 in seinem Essay Zur Kritik der Gewalt, in dem er die Möglichkeit zur revolutionären Gewalt jenseits des Rechts nachweist, anerkennt „in der nach Ort und Zeit fixierten ‘Entscheidung’ eine metaphysische Kategorie“. Metaphysische Kategorie bleibt die Entscheidung, also die Prätention des Rechts, ein richtiges, gerechtes Urteil zu fällen, weil in der Wirklichkeit nur „die seltsame und zunächst entmutigende Erfahrung von der Unentscheidbarkeit aller Rechtsprobleme“ gemacht wird. In eben dieser Weise ist es auch der objektiv-realen Ohnmacht des Rechts geschuldet, wenn die Tötung von Yassin nicht eindeutig als Fall präventiver Notwehr ausgewiesen werden kann. In seinem Fall war „wohl kaum direkte technische Vorbereitung von Anschlägen betroffen, sondern geistige Anstiftung, mutmaßlich ausdrücklich, jedenfalls durch Hetzreden, mit Sicherheit durch Nichtdistanzierung von solchen Taten, die bei seiner Autorität ermunternd wirken mussten. Da ist die Verhinderungswirkung [auf künftige Terrormorde] unwahrscheinlicher. Und man muss sich darüber klar sein, dass die Rechtfertigung der Tötung geistiger Urheber und geistiger Komplizen von Terrortaten als präventive Notwehr ins Uferlose führt“. (FAZ, a.a.O.)

Somit haben es die Staatsfetischisten, die sich über Israels Rechte zu Gericht setzen, mit einer Gewalt zu tun, die den Bezug zum Recht abgelegt hat. Diese reine Gewalt erregt ihr Schaudern. Was sie vorgeben, keinesfalls tolerieren zu können, was sie als Bedrohung empfinden, vor der sie keinesfalls kapitulieren wollen, ist die „beliebige Freigabe von Gewalt“ (FAZ, a.a.O.). Dies jedoch nicht, weil die Gewalt als prinzipiell nicht mit dem Recht zu vereinbarende zu schmähen ist, sondern weil die Gewalt, die den Unterdrücker tötet, „durch ihr bloßes Dasein außerhalb des Rechts“ (Benjamin) gefürchtet wird. Was ihnen ein Greuel ist, ist jedoch der materialistischen Kritik ein Grund zur Hoffnung. Denn nichts ist einzuwenden gegen die Existenz einer Gewalt, die schlicht nur dem einen Zweck dient und die ihre Begründung in genau diesem Zweck trägt: dem Tyrannenmord, der Beseitigung eines der schlimmsten Feinde Israels und der Juden. Analog zu Benjamins Satz, der Vollzug der Todesstrafe könne moralisch sein, niemals ihre Legitimierung, ist das moralische Urteil über die Morde an Yassin, Rantisi und anderen eines in Bezug auf die vollbrachte Tat. Der Tyrannenmord läßt sich nicht rationalisieren, nicht aus einem abstrakten Prinzip bündig ableiten. Seine Wahrheit besteht nur als Impuls. „Denn auf die Frage ‘Darf ich töten?’ ergeht die unverrückbare Antwort als Gebot ‘Du sollst nicht töten’. Dieses Gebot steht vor der Tat. Aber es bleibt … unanwendbar, inkommensurabel gegenüber der vollbrachten Tat. Aus ihm folgt über diese kein Urteil… Dieses steht nicht als Maßstab des Urteils, sondern als Richtschnur des Handelns für die handelnde Person oder Gemeinschaft, die mit ihm in ihrer Einsamkeit sich auseinanderzusetzen und in ungeheuren Fällen die Verantwortung, von ihm abzusehen, auf sich zu nehmen haben.“ (Benjamin).

Die Aversion auf Israels Politik ist so zum einen Ausdruck des Hasses auf alle, die in der Geschichte jemals den Tyrannenmord propagierten und gar praktizierten. Es ist der Haß auf alle, die die revolutionäre Gewalt zwecks Liquidation des Führers als ultima ratio keineswegs verachteten. Diese revolutionäre Gewalt war bekanntlich noch nie Sache der Deutschen. Für sie hat die Gewalt im Privateigentum des Staates zu bleiben. So erweist sich, daß in der den Antisemitismus konstituierenden kapitalen Rechts- und Staatsordnung für einen jüdischen Staat kein Platz vorgesehen ist. Alle angeführten Tatsachen sind dieser Ideologie von Grund auf nichts als austauschbare Jetons, an denen der allgemeine Wille zum völkischen Staat sich darzustellen hat. Seit Jahrzehnten demonstrieren die Palästinenser in der UNO wie das geht: Von „Massakern“ bis „Mauerbau“, von „Besatzung“ bis „Brunnenvergiftung“, von „Rassismus“ bis „Ritualmord“ haben sie alles im juristischen und moralischen Gepäck. Im immerwährenden Prozeß gegen die Juden ist Freispruch nicht vorgesehen. Ideologie, das heißt objektiv notwendiges, und schon deshalb falsches Bewußtsein auf der Höhe bewußtloser Gegenwart einerseits, der Totalausfall der Religionskritik, das heißt der beherzte Rückfall noch hinter die bürgerliche Aufklärung andererseits, fallen in der mehr oder weniger bewußt gestalteten deutsch-europäischen und islamisch-arabischen Politik in eins. Es ist diese Identität von Ideologie und Wille zum Aufklärungsverrat, die den postmodernen Antizionismus ausmacht. Scheinaufgeklärt und pluralistisch ignoriert man den totalen Machtanspruch der Islamfaschisten. Wie einst Deutschland seine kapitalistische Rückständigkeit in den barbarischen Vorsprung des Volksstaates transformierte, so schicken sich die islamischen Gesellschaften an, diesen Umschlag auf dem Niveau der Gegenwart zu wiederholen. Der Antizionismus, die geistige Brücke nach Deutscheuropa, ist zugleich das Programm totaler Integration wie totaler Vernichtung. Israel muß zerstört werden, damit die Katharsis gestiftet werden kann, die die Umma zur Volksgemeinschaft transformiert.

Das haben die Deutschen schon hinter sich. Die unverbrüchliche Treue zu ihrem Staat haben sie im Massenmord bekundet und so ihre Volksgemeinschaft Wirklichkeit werden lassen. Die Tat ist vollbracht und im Geschwätz der Vergangenheitsbewältigung vergessen. Unverbrüchlich erhalten hat sich der Glaube an den Volksstaat, der „wir“ alle sind oder zu sein hätten, und die Liebe zur historischen Mission des Kapitals. Es ist dieses „gesunde Volksempfinden“, an dem der Antizionist die Legalität Israels relativiert. Es ist der deutsche Staatlichkeitswahn, der das Gegenteil der „Abschaffung des Staates“ (Bakunin), nämlich die Abschaffung Israels reklamiert. In der moralischen Empörung über die praktische Selbstverteidigung Israels gegen die Barbarei zeigt sich der Groll der bürgerlichen Gesellschaft gegen ihre eigene Grundlagen. Denn in der Verallgemeinerung der deutschen Vorstellung von völkischer Legitimität verdrängt und bekämpft die bürgerliche Gesellschaft ihre aufklärerische und revolutionäre Vergangenheit, die in der geist- und geschichtslosen Propaganda der totalen Geltung der Menschenrechte unterschlagen wird. Ohne die Guillotine keine Revolution für die Menschenrechte, und ohne die Exekution des 14. Ludwig kein gleiches Recht für alle. Ohne Lenins Befehl zur Liquidierung der Zarenfamilie keine Abschaffung der Leibeigenschaft. Solange die Palästinenser sich der Organisatoren des antisemitischen Terrors nicht selbst entledigen, wird Israel sie zwingen müssen, den Judenmord nicht zum  Staatsprogramm zu machen.

Darin besteht das Unglück Israels, die revolutionäre Politik der Konstitution aufgeklärter Staatlichkeit in einem historischen Moment treiben zu müssen, in dem Europa in einen Abgrund an Aufklärungsverrat marschiert. Die Denunziation Israels wird zur Denunziation der Aufklärung selbst. Es rächt sich darin die bürgerliche Gesellschaft im nachhinein an ihren Robespierres, Franklins und Lenins. Weil die Konstitution Israels nicht abgeschlossen ist und nach Lage der Dinge noch lange nicht abgeschlossen sein wird, erscheinen seine Staatsmänner als Barbaren, wo sie doch nur Vollstrecker nachgeholter bürgerliche Revolutionierung sind, und deswegen gilt Ariel Scharon als Ausbund der Hölle, während er doch nur in die Fußstapfen eines israelischen Lenin, eines zionistischen Robespierre, eines jüdischen Benjamin Franklin tritt.

Als der deutsche Staat einmal mehr oder weniger öffentlich erwog, und es vielleicht auch tat, unter Verzicht auf alle Rechtsstaatlichkeit die einzige aus den Revolten nach 68 hervorgegangene Gruppe zu liquidieren, welche die Frage nach dem Gewaltmonopol auf genau der Ebene zu stellen wagte, auf der sie allein zu stellen ist (wobei dahingestellt bleiben mag, in welcher Anmaßung dies geschah), da ruderten nicht nur die Anhänger dieser Ursprungs-RAF, sondern auch diese selbst sofort wieder zurück. Indem sie den deutschen Staat allein in moralischen und juristischen Kategorien denunzierte, anstatt dessen Staatlichkeit als solche (und überhaupt), erwiesen sie, daß es ihnen keineswegs um die Abschaffung des Kapitalismus zugunsten des Kommunismus ging, sondern sie sich als Partisanen einer Sache verstanden, die von den Grünen um Joseph Fischer viel wirksamer und erfolgreicher betrieben werden konnte. Und nicht von ungefähr ist einer der damaligen Vordenker dieser politischen Strategie der Moralisierung und Juridifizierung der Kritik der Gewalt heute bundesdeutscher Innenminister und zugleich einer der wenigen, der auszusprechen wagt, worin Staatlichkeit ihre Wurzel hat. Als guter Deutscher spricht Schily Israel zwar das Recht auf gezielte Tötungen als „unserer Rechtsauffassung widersprechend“ ab, gibt aber zu verstehen, daß ein ‘wirklicher’ Staat wie der Deutsche natürlich jedes Recht der Welt hat, die, die ihn bedrohen, zu liquidieren. (FAZ 28.4.2004)

Israel dagegen mag tun und lassen, was es will: Das objektive Dilemma seiner Existenz schlägt so oder so zum Nachteil aus. Die Internationale der Antisemiten agiert wie im Märchen vom Hasen und vom Igel. Setzt sich Israel gegen den Islamfaschismus zu Wehr, dann riskiert es, von den Deutschen aller Fraktionen der „Selbstvergiftung“ seiner Demokratie und des „Staatsterrorismus“ gescholten zu werden. Hält es sich der höheren Moral oder des internationalen Drucks wegen zurück, dann werden Attentäter erst recht ermutigt und feiern diese Zurückhaltung als Erfolg ihres Irrsinns. So oder so: Eben darin besteht die grausige Objektivität des Antisemitismus, dem nur die Etablierung der staaten- und klassenlosen Weltgesellschaft das Ende setzen könnte.