Jour Fixe Programm Frühling/Sommer 2016

Donnerstag, 28. April 2016

Weltenall und Seelengrund. Der Geist der Waldorfpädagogik

Die „Erziehungskunst“ Rudolf Steiners ist eine der bekannteren Formen der Reformpädagogik: Mehr als 1000 Waldorfschulen und 2000 Waldorfkindergärten konservieren weltweit Ideen aus dem esoterischen Untergrund des 19. Jahrhunderts. Zwar erodiert der gläubige Kern der anthroposophischen Szene, doch ihre Praxisfelder erfreuen sich anhaltender Beliebtheit. Freiheit, Individualismus und Ganzheitlichkeit stehen auf dem Programm, Kopf, Herz und Hand sollen mit den obersten Prinzipien des Kosmos in Einklang gebracht werden. Im Licht der „geistigen Welt“ erscheinen die blinden Gesetze der zweiten Natur als Manifestationen des göttlichen Fortschritts: Anpassung wird zur Freiheit, Versagung zur Erlösung.

Es spricht Ansgar Martins (Frankfurt), Wissenschaftliche Hilfskraft an der Martin-Buber-Professur für Jüdische Religionsphilosophie der Universität Frankfurt. Er arbeitet unter anderem zu neuzeitlicher Esoterik und Verschwörungsideologien und betreibt den Waldorfblog.

Um 20 Uhr in der Laterna Magika, Günterstalstr. 37

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Donnerstag, 26. Mai 2016

„Beide haben recht ... Marx und Freud.“ Zur Aktualität Siegfried Bernfelds

Siegfried Bernfeld zählt zu jenen Schülern Freuds, die in Opposition zur Angestellten-Mentalität standen und deren Werke für eine Neuetablierung der Psychoanalyse nach 1945 in Deutschland nicht mehr gebraucht wurden. Erst durch die Studentenbewegung der 1960er Jahre erfuhr Bernfelds Werk eine Wiederentdeckung, findet aber heute erneut nicht die Beachtung, die er verdient hätte. Er formuliert eine scharfe Kritik an der Pädagogik und wirft ihr Unwissenschaftlichkeit vor, da sie sich nach den Maßgaben der Gesellschaft richte und eine konservative Funktion einnehme: das Bestehende zu erhalten. Er verwirft auch die Idee, mittels „richtiger“ Pädagogik den idealen Menschentyp erziehen zu können und kritisiert an ihr, was auch Adorno in den 60er Jahren über Pädagogik geschrieben hat, dass sie mit „Tiefsinn aus zweiter Hand übers Sein des Menschen ... schwafel(t)“. Mit scharfer Polemik lotet Bernfeld sowohl die Grenzen der Psychoanalyse als auch der Erziehung aus und hat an Aktualität nichts verloren.

Es spricht Florian Müller (Nürnberg).

Um 20 Uhr in der Laterna Magika, Günterstalstr. 37

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Donnerstag, 9. Juni 2016

Kritik des politischen Engagements

Alle Ideologie beruht auf Verdrängung der Gewalt; noch dort, wo sie Gewalt fetischisiert, bildet der blinde Fleck des Souveräns den Ursprung. Denn ausgeblendet wird ja nicht Gewalt als solche, sondern dass durch sie die Einheit der Gesellschaft erst Bestand hat. An diesem blinden Fleck tritt im Politischen selbst zutage, wie Aufklärung sich weigert, ihre eigenen Bedingungen zu begreifen – darin ist sie zunächst nichts anderes als die frühe Gestalt des Engagements. In dieser „Dialektik des Leviathan“, die im Anschluss an die Dialektik der Aufklärung zu entwickeln wäre, erhält die Gegenüberstellung von Hobbes und Spinoza eine Schlüsselrolle. Die These lautet, dass ein kritischer Begriff des Staats ohne die Kritik der spinozistischen Auffassung von Substanz nicht zu haben ist, deren problematische Aspekte nicht zufällig in der französischen (und italienischen) Linken (Althusser, Deleuze, Negri ...) wiederkehrten. Umgekehrt aber war es gerade dieser Substanzbegriff, der es Marx erst ermöglichte – zusammen mit der Hegelschen Dialektik und zugleich gegen sie gerichtet – die Kritik der politischen Ökonomie zu entfalten.

Es spricht Gerhard Scheit (Wien), Mitherausgeber der Zeitschrift sans phrase und Autor zahlreicher bei ca ira erschienener Bücher.

Um 20 Uhr in der Laterna Magika, Günterstalstr. 37

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Donnerstag, 23. Juni 2016

Warum wir über den Islam nicht reden können

Wie kommt es, daß wir die Ablehnung des Islam als „rassistisch“ wahrnehmen – nicht jedoch die Ablehnung des Christentums? Daß wir rassistische Ressentiments gegen Türken oder Araber Islamophobie nennen, Ressentiment gegen christliche Nigerianer jedoch nicht Christentumophobie? Warum waren die Demonstranten des arabischen Frühlings für uns in erster Linie „Moslems“, die Demonstranten der Occupy-Bewegung aber nicht „christlich“? Warum reden wir, wenn wir vorgeben über den Islam zu reden, über alles mögliche andere (Terrorismus, Migration, Integration) – nur nicht über den Islam? Und: was sagt uns unser (Nicht-)Reden über den Islam über unsere eigene Beziehung zur Religion?

Es spricht Sama Maani, Schriftsteller und Psychoanalytiker (Wien). Zahlreiche Publikationen in deutschsprachigen und iranischen (Literatur-)Zeitschriften und Anthologien, bei Drava erschienen Ungläubig, Roman (2014), und Respektverweigerung. Warum wir fremde Kulturen nicht respektieren sollten. Und die eigene auch nicht (2015).

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Donnerstag, 7. Juli 2016

Alfred Sohn-Rethels Analysen der deutschen Wirtschaftspolitik im Übergang zum Nazifaschismus und Harun Farockis Film Zwischen zwei Kriegen

Alfred Sohn-Rethel erhielt 1931 eine Stelle beim Mitteleuropäischen Wirtschaftstag in Berlin, wo er Gelegenheit hatte, die Strategien des Großkapitals in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus aus der Nähe zu untersuchen. Der im Ca Ira Verlag erschienene 2. Band der Werkausgabe umfasst die in dieser Zeit entstandenen Analysen, die vor allem im Deutschen Volkswirt und den Deutschen Führerbriefen veröffentlicht wurden. Ergänzt werden sie durch die Texte, mit denen Sohn-Rethel nach 1937 den Kontakt zu dem englischen Politiker und Journalisten Wickham Steed herstellte. Erst 1973 hatte Sohn-Rethel dann Gelegenheit, einen Teil dieser Aufzeichnungen unter dem Titel Ökonomie und Klassenstruktur des deutschen Faschismus zu veröffentlichen. Sie stehen in der Fassung der revidierten Ausgabe von 1992 unter dem Titel Industrie und Nationalsozialismus im Mittelpunkt von Band 2. Sie werden durch unveröffentlichte Texte aus den 1930er Jahren und Veröffentlichungen aus der Nachkriegszeit ergänzt, die sich der Wirtschaftspolitik im Dritten Reich widmen.

Nach siebenjähriger Arbeit, im Sommer 1978, stellt Harun Farocki (1944-2014) Zwischen zwei Kriegen fertig, „eine Eigenproduktion aus Mitteln der Beteiligten“ (H. F.). Uraufgeführt wurde der Film im Rahmen der Duisburger Filmtage 1978. „Der diskursive, essayistische Spielfilm wird zu einer Untersuchung der ökonomischen Ursachen des Faschismus und der selbstzerstörerischen Kräfte des auf größtmögliche Effizienz angelegten Kapitalismus. Der Film ... kann bei allen erzählerischen Anteilen ebenso gut als die Verfilmung einer Theorie des Soziologen Alfred Sohn-Rethel verstanden werden“ (Volker Pantenburg).

Der Film wird ausschnittweise gezeigt und der Band vorge- stellt von Jens Peter von der Antifa D-Day Duisburg.

Um 20 Uhr in der Laterna Magika, Günterstalstr. 37

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Freitag, 15. Juli 2016

Antifaschistische Stadtrundfahrt

Radtour zur Erinnerung an die Deportation von 403 jüdischen Mitbürgern in das Internierungslager Gurs am 22. Oktober 1940 und deren Vorgeschichte in Freiburg – geführt durch E. Imbery.

Treffpunkt um 15:00 Uhr am Haupteingang des KG I, Rempartstraße.

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Donnerstag, 21. Juli 2016

Mit der „Islamischen Republik“ gegen den „Islamischen Staat“?

Iranischer Islamismus, westliches Appeasement und die Eskalation in Syrien und im Irak

Im Dezember 2014 lud die Islamische Republik Iran zu einer Antiextremismuskonferenz nach Teheran, um über die Perspektive „einer Welt frei von Gewalt“ zu konferieren. Was aus dem Munde der jahrzehntelangen Hauptsponsoren des globalen Djihadismus wie ein schlechter Scherz klingt, findet seit dem Amtsantritt von Präsident Hassan Rohani enormen Anklang: das iranische Regime präsentiert seine Expansionspolitik neuerdings als „Kampf gegen Extremismus und Terror“. Im Irak und Syrien wirken die USA und ihre Verbündeten im Kampf gegen den IS de facto als Kooperationspartner der iranischen Revolutionsgarden vor Ort – obwohl Khamenei und seine Untergebenen fast im Tagesrhythmus den USA und Israel mit Vernichtung drohen.

Die Vorträge von Fathiyeh Naghibzadeh und Andreas Benl sollen Geschichte und Hintergründe des Aufstiegs der Islamischen Republik vom Pariastaat zur umworbenen Bündnismacht darstellen. Welche historische Rolle hat das iranische Regime für die Entwicklung des globalen Islamismus im allgemeinen, des „Islamischen Staats“ im besonderen gespielt? Was hat der schiitisch-islamistische Expansionismus mit der Entwicklung Syriens und des Irak zu Wastelands und Basen des Djihadismus zu tun? Wie hängen das westliche Appeasement in der Atomfrage und die Entwicklungen im Mittleren Osten zusammen? Und welche Auswirkungen hat diese Politik auf die Perspektiven der iranischen Umsturzopposition?

Fathiyeh Naghibzadeh ist Co-Regisseurin des Films Kopftuch als System – Machen Haare verrückt?, publiziert unter anderem zum Geschlechterverhältnis im Islam, zu Antisemitismus und Antizionismus und zur Erfahrung des Exils und ist Gründungsmitglied des Mideast Freedom Forum Berlin.

Andreas Benl ist im Mideast Freedom Forum Berlin aktiv und schreibt unter anderem zum Kulturrelativismus und zur Oppositionsbewegung im Iran.

Um 20 Uhr in der Laterna Magika, Günterstalstr. 37

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