ça ira bei den Freiburger »Aktionswochen gegen Antisemitismus«

Der ça ira-Verlag beteiligt sich bei den Freiburger Aktionswochen gegen Antisemitismus, die zwischen dem 7. November und 8. Dezember stattfinden, mit zwei Veranstaltungen. Weitere Informationen zu den Aktionswochen finden sich hier.

 

Montag, 18. November 2019
»Joseph Wulf – Ein Schriftsteller in Deutschland«

Dokumentarfilm von Henryk M. Broder, BRD 1977

Die erste Generation der Shoa-Historiker ist in Deutschland immer noch unbekannt, verdrängt und verleugnet. Entgegen dem gängigen und kultivierten Mythos herrschte kein jahrzehntelanges Schweigen: Noch während der millionenfachen Vernichtung begannen jüdische Aktivisten mit der Dokumentation der Verbrechen und publizierten unmittelbar nach der Befreiung erste Quellen und Analysen, die in der Erstausgabe zumeist auf jiddisch verfasst waren und die bezeichnenderweise – zum Teil bis heute – nur einem kleinen Kreis bekannt sind. Zentrale Werke wie Léon Poliakovs »Bréviaire de la Haine« (dt. »Das Brevier des Hasses«) – das erste wissenschaftliche Werk über die Shoa überhaupt – sind bis heute nicht ins Deutsche übersetzt. Den jüdischen Historikern, die den Holocaust untersuchten, bevor Begriffe wie »Holocaust« oder »Shoa« überhaupt geprägt wurden, schlug von Seiten der deutschen Historiografie – geprägt von Altnazis oder jungen »mitlaufenden Historikern« (Nicolas Berg) vor allem Verachtung und Missbilligung entgegen. In Deutschland wurde hingegen leidenschaftlich über Strukturalismus und Intentionalismus diskutiert, aber lange Zeit nicht über die Täter als solche. Die Werke Joseph Wulfs wurden pauschal als unwissenschaftlich abqualifiziert und die jüdischen Verfasser persönlich diffamiert. Wulf griff dem, was später als Täterforschung akademische Kariere machte, in seinen Studien vor. Er blieb zeitlebens als Jude, Staatenloser und Privatgelehrter ein Außenseiter der Geschichtswissenschaft, nach seinem Tod geriet sein Werk weitgehend in Vergessenheit. Erst in jüngerer Zeit wird seine Person wieder wahrgenommen. Der Film von Henryk M. Broder ist eine der ersten Würdigungen des jüdischen Historikers überhaupt.

Zur Einleitung und Diskussion zum Film sprechen die Historiker Alex Carstiuc und Anselm Meyer (Berlin). Um 19.30 Uhr im Kommunalen Kino, Urachstraße 40. In Zusammenarbeit mit STOLPERSTEINE in FREIBURG. Der Eintritt ist frei.

 

Dienstag, 19. November 2019
Léon Poliakov
St. Petersburg – Paris – Berlin
Mémoiren eines Davongekommenen

Léon Poliakov musste als Kind mit seinen Eltern vor der Oktoberevolution fliehen und gelangte über Berlin nach Paris, wo sein Vater das »Pariser Tagblatt« ins Leben rief und zum populären Sprachrohr von Schriftstellern wie Heinrich Mann und Oskar Maria Graf machte. 1940 geriet Poliakov in Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Flucht schloss er sich der Résistance an und beteiligte sich an der Rettung von Juden. Noch während der Befreiung Frankreichs begann er mit der Sammlung von Täterdokumenten und war Mitglied der französischen Delegation bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen. Schon 1951 entstand auf Anregung von Alexandre Kojève und Raymond Aron seine Studie »Le Bréviaire de la haine«, der erste systematische Versuch, den Massenmord an den Juden zu dokumentieren. Poliakov betonte im Gegensatz zu deutschen Historikern schon sehr früh die zentrale Rolle des eliminatorischen Antisemitismus. Aber die um die Deutungshoheit der Shoa ringenden deutschen Geschichtswissenschaftler haben den Résistanceaktivisten und Autodidakten im akademischen Betrieb bis heute ignoriert.

Es sprechen die Historiker Alex Carstiuc und Anselm Meyer (Berlin). Um 20 Uhr in den Räumen des ça ira-Verlages im Hinterhof (1. OG) der Günterstalstr. 37. In Zusammenarbeit mit dem Referat gegen Faschismus, StuRa Uni Freiburg. Der Eintritt ist frei.