Gerhard Stapelfeldt

Der Geist des Widerspruchs III

Studien zur Dialektik

Juli 2021, 1448 Seiten, ISBN: 978-3-86259-115-2
In zwei Teilbänden

52,00 

Keine Dialektik ohne revolutionäre Praxis, keine revolutionäre Praxis ohne Dialektik. Dialektik, die Vernunft-Aufklärung bewußtloser gesellschaftlicher Verhältnisse, ist allein möglich durch die praktische Verwirklichung einer vernünftigen Gesellschaft – einer Gesellschaft, in der die Menschen sich ihrer selbst und ihrer Verhältnisse bewußt sind.

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Beschreibung

Philosophie ist, seit ihren Anfängen bei Homer und den Vorsokratikern, der Versuch zu begreifen, »was die Welt im Innersten zusammenhält«: um eines guten, vernünftigen Lebens willen. Wahrheit war immer schon nicht eine bloß theoretisch-gedankliche, sondern eine praktische Idee. Praxis steht nicht jenseits der Liebe zur Weisheit, sondern ist deren Zentrum. Indem Sokrates, als erster, die »Philosophie vom Himmel heruntergerufen, sie in den Städten angesiedelt« hatte (Cicero), um dort die Bürger ihrer Selbsttäuschung zu überführen, eröffnete er den Zusammenhang von dialektisch-vernünftiger Aufklärung und Praxis. Das Bewußtmachen von »unbewußt« herrschenden Verhältnissen (Engels, Marx) durch die »ihrem Wesen nach kritische und revolutionäre« Dialektik (Marx) impliziert das »Ändern der Umstände« und damit die »Selbstveränderung« – »revolutionäre Praxis« (Marx). Dialektik und Revolution richten sich auf die Verwirklichung der Vernunft – einer Gesellschaft, in der die Menschen sich ihrer selbst und ihrer Verhältnisse bewußt sind.

Durch diesen Zusammenhang von Dialektik und Revolution ist die Dialektik keine Methode, die unabhängig von jedem Inhalt, auf jeden Inhalt anwendbar ist und insofern eine überhistorische Geltung beansprucht. Dialektik ist über die aufzuklärenden Verhältnisse nicht hinaus: Das herrschende Bewußtlose reicht in sie noch hinein als ein Dogmatismus, durch den sie »ihre Zeit in Gedanken erfaßt«. Die dialektische Theorie der Gesellschaft ist nicht bereits im Reiche der Vernunftfreiheit; die Aufklärung des bewußtlosen Allgemeinen ist nicht ohne die Selbstaufklärung der Dialektik, ihres dogmatischen Gehalts, möglich. So kann Dialektik nicht als Methode fixiert und gelehrt, sondern nur exemplarisch vorgeführt werden: durch eine systematische Theoriegeschichtsschreibung, die der Geschichte der Aufklärung nachfolgt – deren Genese, deren Verfall.

Durch diesen Zusammenhang von Dialektik und Revolution ist eine Theorie der Revolution nicht zu formulieren, die als Lehre des Umsturzes der Verhältnisse eine überhistorische Geltung beansprucht: die in allen Formen revolutionärer Praxis überhistorische Konstante zu entdecken sucht. Wie die Dialektik allein als Kritik durch eine systematische Theoriegeschichtsschreibung entfaltet werden kann, so kann über Revolutionen nur gesprochen werden durch die systematische Darstellung der Geschichte gesellschaftlicher Revolutionen: durch eine kritische Aufklärung, die an allen bisherigen Revolutionen den Anspruch auf Befreiung von persönlichen oder unpersönlichen, stets undurchschauten Herrschaftsverhältnissen freilegt, unter dem die bisherige Gewaltgeschichte durch Rationalisierung reproduziert wird. Die zentralen Fragen lauten: Welche gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Widerstände standen der Verwirklichung der Vernunft entgegen? Warum »wurden immer wiederkehrende Revolten und Revolutionen von Gegenrevolutionen und Restaurationen gefolgt«? (Marcuse)

Gerhard Stapelfeldt lehrte bis 2009 als Professor am Institut für Soziologie der Universität Hamburg. Seit 2010 arbeitet er als freier Schriftsteller in Hamburg.

Inhalt

  • Dritter Band: Erster Teil
    • Vorwort
    • Übersicht
    • Einleitung
    • Antike: Dialektische Annäherung an den göttlichen nous und mimetische Verwirklichung guten Lebens
    • Sokrates: Philosophie als mimetische Lebenspraxis
      • Platons Politeia: Voraus- und entgegensetzende Theorie und Praxis guten Lebens im Vernunft-Staat
      • Aristoteles’ praktische Philosophie
    • Renaissance und Merkantilismus: Aufstieg zur gottesebenbildlichen sophía und Welt-Schöpfung – Frühbürgerliche Revolutionen
      • Rinascità: Christlicher Platonismus. Der dialektische Aufstieg des Bürgers zur Utopie des gottesebenbildlichen sophós
      • Merkantilismus
        • Der Unabhängigkeitskampf der calvinistischen. Niederlande gegen Spanien 1564–1588
        • Puritanische Gentry, Handelskapitalisten, Manufakturisten und die englische Revolution 1640/49–1660
        • Die Glorious Revolution von 1688/89 und Lockes Naturrecht
    • Liberalismus: Von der bürgerlichen zur proletarischen Revolution
      • Dogmatische Verstandes-Aufklärung und liberale Revolution: Die Französische Revolution von 1789–1799
        • Genese und Verlauf der Revolution: Physiokratie, Encyclopédie, Menschenrechte, Terror
        • Vom revolutionären Terrorismus zur universalen Technik der positivistischen Gesellschaft: Saint-Simon und Comte
        • Innengewendete Revolution und dialektische Kritik der Französischen Revolution: Kant und Hegel
      • Dialektische Vernunft-Aufklärung und proletarische Revolution: Kritik und Dogmatismus im Werk von Marx
      • Geschichtsdogmatismus und dialektische Kritik in den Frühschriften – Arbeiterbewegung und Revolution von 1848/49
      • Dialektische Kritik und Geschichtsdogmatismus in den Schriften nach 1850/57 – Erste Internationale und Commune de Paris
    • Literatur
  • Dritter Band: Zweiter Teil
    • Vorwort
    • Übersicht
    • Imperialismus: Krise des Marxismus und der Arbeiterbewegung
      • Theoretische Kritik. Dogmen des Marxismus der II. und III. Internationale: von Engels bis Lenin
      • Praktische Kritik. Revolution und Sozialreform
        • Die Praxis des orthodoxen Kommunismus: Lenin, die Oktober-Revolution – und Luxemburgs Kritik
        • Die Praxis des sozialdemokratischen Marxismus. Sozialreform oder Revolution: Bernstein, Luxemburg, Hilferding
        • Die Praxis der Gewerkschaften: Sozialreform. Naphtali
      • Dialektik, Psychoanalyse und Revolution
        • Die Ohnmacht der deutschen Arbeiterklasse: Horkheimer
        • Dialektische Aufklärung des orthodoxen Marxismus und Revolution: Korsch und Lukács
        • Psychoanalytische Aufklärung des Scheiterns der deutschen Revolution von 1918: Marcuse, Bernfeld, Reich, Fromm
    • Nationalsozialismus: Krise, »deutsche Revolution«, Barbarei
      • »Revolution von rechts« – »Sexuelle Revolution« und »proletarische Erhebung«: Grossmann, Freyer, Reich, Horkheimer, Fromm
      • Der »Widerstand« der »Märtyrer« und die »Aufgabe der Philosophie«: Kritische Theorie der Gesellschaft (1939–47)
    • Staatsinterventionismus: Pazifizierung des Klassen-Antagonismus – Befreiung unter der systemrationalen Politik-Ökonomie
      • New-Deal: Integration der Arbeiterbewegung in den kapitalistischen Wohlfahrtsstaat und staatsinterventionistischen Imperialismus
      • Herrschaft als »Technologie« und die »Große Weigerung«: Marcuses Aufklärung von Konterrevolution und Revolte
      • Die Verdammten dieser Erde als revolutionäres Subjekt: Dependenztheorie und Cubanische Revolution
    • Neoliberalismus: Gesellschaftlicher Irrationalismus, Atomismus und »freiwilliger Konformismus«
      • Neoliberale Dogmen (Hayek), Widersprüche, Kritik
      • Vom Ordo-Liberalismus zum Ende der Arbeitsgesellschaft. Neue Soziale Bewegungen auf der Suche nach dem richtigen Leben im falschen: Deutscher Soziologentag 1982
      • Globalisierungskritik: Theorie ohne Praxis, Praxis ohne Theorie – und neoliberale Xenophobie
      • Die abstrakte Kritik anti-aufklärerischer Theorien
      • Die abstrakte Kritik anti-aufklärerischer Praxen
      • Die immanente Kritik des neoliberalen Irrationalismus und Sozialatomismus: Die »Emanzipation des Individuums« durch die »Erlösung der Gesellschaft von der Atomisierung«
    • Literatur

Rezensionen

  • Paul Stegemann: Dialektik und Revolution (Kilby, Literaturbeilage der Phase 2 #61)

Weitere Titel …

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    2006, 524 Seiten, ISBN: 978-3-924627-78-2
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    Juli 2014, 752 Seiten, ISBN: 978-3-86259-117-6
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  • Gerhard Stapelfeldt

    Der Merkantilismus

    Die Genese der Weltgesellschaft vom 16. zum 18. Jahrhundert

    2001, 576 Seiten, ISBN: 978-3-924627-73-7
    34,00 

     

     

  • Gerhard Stapelfeldt

    Der Geist des Widerspruchs I

    Studien zur Dialektik

    2012, 408 Seiten, ISBN: 978-3-86259-113-8
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