Enderwitz – Die Medien und ihre Information (Leseprobe)

Die medial Veranstaltung

Ulrich Enderwitz

Schon die Tatsache, daß es die strukturell gleiche Versöhnungsfigur und funktionell identische Gewöhnungsform ist, die mit seinen materiell verschiedenen Befriedigungsmitteln und Rekreationsangeboten der von Staats wegen betriebene Brot-und-Spiele-Komplex im einen wie im anderen Fall ins Werk setzt, läßt deutlich werden, in welch substantieller Kontinuität bzw. essentieller Konformität die postfaschistische Konsumgesellschaft und die faschistische Volksgemeinschaft tatsächlich stehen. Vollends wird die Gleichartigkeit bzw. Gleichförmigkeit des faschistischen und des postfaschistischen Verfahrens dadurch augenfällig, daß es jeweils ein und derselbe industrielle Apparat und Produktionsmechanismus ist, dessen sich der Brot-und-Spiele-Komplex zur Hervorbringung seiner Befriedigungsmittel und Rekreationsangebote bedient. Nicht nur die auf gesellschaftliche Versöhnung mit der Entfremdungsbestimmung und auf gemeinschaftliche Gewöhnung an das Verdinglichungsschicksal gemünzte Botschaft, die jene verschiedenen Befriedigungen übermitteln, ist im wesentlichen gleich, auch das Medium, das jene Befriedigungen zur Verfügung stellt, ist, aller Divergenz der letzteren ungeachtet, in der Hauptsache dasselbe. Mindestens ebensosehr wie in bezug auf erstere gibt auch in bezug auf letzteres der faschistische Staat bereits den Grundton an: Verbindlich für seine postfaschistischen Nachfolger rekrutiert er als maßgebendes Medium zur Hervorbringung jener als Versöhnungsmittel und Gewöhnungsinstrumentarium überdeterminierten Befriedigungen und Rekreationen die Medien.

Sie, die aus dem Konkurs des Informationswesens als eines gesellschaftlichen Reflexionsorgans und Orientierungsmittels Ende des 19. Jahrhunderts hervorgegangenen fabrikmäßigen Produzenten einer zum massenhaften Gebrauchsding entpolitisierten Ware Information, drängen sich als Schlüsselindustrie für den Aufbau des um das “Spiele”-Moment zentrierten modernen faschistischen Brot-und-Spiele-Komplexes geradezu auf. Für ihre tragende Rolle im Brot-und-Spiele-Komplex sind die Medien durch die ebenso weite wie leichte und ebenso gründliche wie rasche Verbreitung, die ihre Produkte finden, durch die Universalität und Beständigkeit der Bedürfnisse, auf die diese Produkte rechnen können, und durch die besondere Eignung, die sie als Vehikel der Versöhnungsbotschaft und Träger des Gewöhnungsprogramms wegen ihrer sei’s sprachlich-assoziativen, sei’s bildlich-imaginativen, sei’s musikalisch-evokativen Natur von Haus aus mitbringen, geradezu prädestiniert. Kraft moderner Reproduktions- und Distributionstechniken überallhin im Nu transportierbar, auf Grund ihrer Konzentration auf Triebbedürfnisse und seelische Desiderate einer schier unerschöpflichen Nachfrage sicher, schließlich wegen ihres Appells an Phantasie und Reflexion wie kaum etwas anderes geeignet, symbolische Bedeutungen und metaphorischen Sinn mit sich zu führen, sind die von den Konkursverwaltern des traditionellen gesellschaftlichen Informationsbereichs, den modernen Medien, erzeugten massenhaften Gebrauchsgüter wie geschaffen dazu, Befriedigungsmittel und Rekreationsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, die mit der Entfremdung als allgegenwärtiger gesellschaftlicher Erfahrung zu versöhnen vermögen, an die Verdinglichung als unausweichliches gemeinschaftliches Schicksal zu gewöhnen taugen. Was Wunder, daß der Faschismus sich der Medien bemächtigt und seinen ebensosehr auf die universale Sozialisierung der Entfremdungserfahrung wie auf die kollektive Affirmation des Verdinglichungsschicksals gemünzten Brot-und-Spiele-Komplex wesentlich mit ihrer Hilfe aufbaut? Was Wunder, daß er als das dynamische Zentrum dieses auf die Erhebung der kapitalen Verwertung zur gesellschaftlichen Norm und auf die Verklärung der sozialen Ausbeutung zum gemeinschaftlichen Existential abgestellten Komplexes jenen aus Presse, Funk und Film bestehenden medialen Verbund kreiert, den wir nach der legendären Pionierin der Entwicklung des damals modernsten und für den Verbund als ganzen richtungweisenden Mediums, nämlich des Films, das Leni-Riefenstahl-Syndrom nennen könnten? [ 1 ] Und was Wunder schließlich, daß auch das postfaschistische Staatswesen Gefallen an jenem medialen Verbund faschistischer Provenienz findet und ihn, ergänzt und bereichert um das als eine Art interne Synthesis und reflexive Aufhebung des ganzen Verbunds begreifliche Medium Fernsehen, ins Zentrum seines konsumgesellschaftlich elaborierten Brot-und-Spiele-Komplexes stellt? Nicht anders als in der faschistischen Volksgemeinschaft beanspruchen auch in der postfaschistischen Konsumgesellschaft die Medien mit den durch sie zur Verfügung gestellten kulturindustriellen Befriedigungsmitteln und unterhaltungsseriellen Rekreationsangeboten konstitutive Bedeutung für die Ausbildung jener als moderner Brot-und-Spiele-Komplex bezeichneten Maske oder vielmehr Visage unverbrüchlicher Normalität und idealtypischer Faktizität, die die kapitale Macht ihrem totalitären Verwertungsanspruch und ihrer ubiquitären Ausbeutungsstrategie von Staats wegen aufsetzt.

Hier wie dort sind demnach die Medien wesentlicher Bestandteil des von Staats wegen etablierten Brot-und-Spiele-Komplexes und als solcher maßgeblich an der Erzeugung jenes Anscheins von unüberbietbarer Normalität und unhinterfragbarer Faktizität beteiligt, den die moderne Gesellschaft prätendiert. Angesichts dessen stellt sich nun allerdings der Informationsauftrag, den die Medien ja gleichzeitig erfüllen und um dessen Sinn und Beschaffenheit der vorliegende Traktat sich eigentlich dreht, noch einmal in einem überraschend neuen und überaus merkwürdigen Lichte dar. Als Kern- und Angelpunkt dieses den Medien erteilten Informationsauftrags erwies sich oben die mit Mitteln der Diskretisierung, Konkretisierung und Synkretisierung durchgesetzte Umrüstung der Information aus einer traditionellerweise aufs Ganze des kapitalen Widerspruchs und in medias res des sozialen Konflikts gehenden reflexiven Instanz in eine auf Privatwidersprüche sich kaprizierende und hierin das widersprüchliche Ganze selbst reaffirmierende, auf partikulare Diskrepanzen sich spezialisierende und hierin den zentralen Konflikt als solchen sanktionierende systematisch-integrative Macht. Wenn also unmittelbar im Anschluß an die mit ihrer Ausbildung vollzogene Entschärfung des traditionellen Informationswesens zur unpolitischen Genußmittelbranche und zur unkritischen Unterhaltungsindustrie die Medien in scheinbarer Paradoxie eben die Eigenschaft eines reflexiven Informationsträgers neu herauskehren und eben die Funktion eines kritischen Publikationsmittels wieder entfalten, die das traditionelle Informationswesen doch bei seiner Metamorphose ins mediale Sein gerade erst aufgegeben hat, so ist nach den obigen Einsichten der ganz und gar nicht paradoxe Sinn dieser von den Medien wiederangezogenen Funktion eine als reflexive Ursachenforschung sich gerierende umfassende redaktionelle Bearbeitung der Informationen mit dem Ziel, durch eine Rückführung störender Verhältnisse auf partikulare Ursachen den wesentlichen ökonomischen Widerspruch und eigentlichen sozialen Konflikt nicht nur vom Verdacht einer entscheidenden Störungsursache zu entlasten, sondern vor allem in eine für alle Realität gültige normative Bestimmung, ein für jede Faktizität verbindliches typisches Merkmal umzudefinieren. Galt, wie die Rede von einer Umdefinition deutlich macht, diese selbstneutralisierend affirmative Leistung der medialen Reflexion zuerst noch als Folge einer hypothetischen Konstruktion der Reflexion selbst, so ließ die Betrachtung des als Synkretisierung bezeichneten dritten Moments der redaktionellen Bearbeitungstechnik rasch deutlich werden, daß die ganz und gar materiale Voraussetzung der von der Reflexion erbrachten Leistung die Existenz von Erscheinungen ist, in denen jene reflexiv implizierte normative Verbindl ichkeit der kapitalen Verwertung und maßstäbliche Faktizität der sozialen Ausbeutung längst explizites Sein gewonnen hat. Wenn der Sinn der als Synkretisierung bezeichneten Redaktionstechnik darin besteht, die eine Sorte von Informationen, die die mediale Reflexion durch ihre partikularisierende Ursachenforschung kreiert, mit einer anderen Sorte von Informationen programmatisch zu verbinden und systematisch zu verschränken, die eben die eingefleischte Normalität der kapitalen Verwertung und sozialen Ausbeutung als empirischen Bestand präsentieren, die von der medialen Reflexion implicite ihrer auf privative Faktoren sich kaprizierenden Analyse als theoretischer Begriff postuliert wird, so muß dieser von der anderen Sorte Information ausgewiesene Bestand als die reale Grundlage für die Überzeugungskraft jener zum Positivismus sich verlaufenden Reflexion der Medien gelten. Als materiale Voraussetzung für die konstruktive Positivität und affirmative Effektivität der medialen Reflexion muß, mit anderen Worten, eben die aus Musikberieselung, Lotteriespielen, Sportveranstaltungen, Seifenopern, Werbung, Moderation usw. assemblierte Totalität kulturindustriell produzierter Erscheinungen und Ubiquität vergnügungsseriell fabrizierter Tatsachen gelten, die als der moderne Brot-und-Spiele-Komplex namhaft gemacht wurde. Er, den die kapitale Macht von Staats wegen hervorbringt, ist es, auf den als auf ihren materialen Referenzpunkt und realen Gemeinplatz alle mediale Reflexion sich bezieht. Die störenden Erscheinungen, deren Ursachen die Medien nachzuforschen beanspruchen, mit diesem materialen Referenzpunkt zu vermitteln und in ebenso integrale wie akzidentielle Bestandteile seines substantiellen Bestehens zu verwandeln bzw. an diesem realen Gemeinplatz zu messen und in ebenso offenbare wie unwillkürliche Zeugen seiner unverbrüchlichen Geltung zu verkehren, – das und nichts sonst ist Sache der von den Medien qua Synkretisierung geübten Programmgestaltungstätigkeit und systembildnerischen Funktion.

Oben aber wurden die als Reflexionsgegenstand figurierenden störenden Erscheinungen und der als Referenzpunkt der Reflexion firmierende Brot-und-Spiele-Komplex im wesentlichen noch als eigenständige und d.h. unabhängig vom medialen Kontext gegebene Realität angesehen. Und dementsprechend galt das Synkretisierungsverfahren der Medien in der Hauptsache noch als eine zwei äußere Realitäten miteinander verschränkende externe Vermittlungs- und Synthesisleistung. Nun aber hat die nähere Betrachtung des Brot-und-Spiele-Komplexes deutlich werden lassen, wie wenig auf ihn die Vorstellung einer von den Medien unabhängigen äußeren Realität und eigenständigen Empirie tatsächlich zutrifft und wie sehr er vielmehr selber im weitesten Umfang ein mediales Ereignis, in wesentlichem Maße eine Veranstaltung der Medien ist. Weil der postfaschistischen Konsumgesellschaft geradeso wie der faschistischen Volksgemeinschaft die Medien sich als ideale Plattform und als kapitaler Entfaltungsraum für den von Staats wegen zu etablierenden Brot-und-Spiele-Komplex aufdrängen, ist von Anbeginn seiner faschistischen Ausbildung an bis zum heutigen Tage der letztere im umfänglichsten Sinne deckungsgleich mit der erwähnten, aus Presse, Funk und Film konzertierten Aktion, die als medialer Verbund der Faschismus ins Leben ruft, und präsentieren sich die von jenem Komplex bereitgestellten Befriedigungsangebote und erbrachten Rekreationsleistungen weitestgehend als originär mediale Produkte. So wie der mediale Verbund von der in Staat sich werfenden kapitalen Macht als tragende Säule ihrer auf Versöhnung mit dem universalen Verwertungsprinzip ausgerichteten Kompensationsstrategie in Dienst genommen wird, so geben sich die von jener Strategie gezeitigten kulturindustriellen Angebote und unterhaltungsseriellen Darbietungen über weite Strecken als genuin mediale Produktionen zu erkennen.

Sub specie eines Brot-und-Spiele-Komplexes, der sich als in wesentlichen Teilen deckungsgleich mit dem medialen Verbund erweist, gewinnt aber nun die im Rahmen ihres vielbeschworenen Informationsauftrags von den Medien ausgeübte reflexiv-kritische Funktion noch einmal ein eigenes und höchst merkwürdiges Ansehen. Was, im Begriff der Synkretisierung gefaßt, eine bloß komparative Konfrontation und äußere Vermittlung störender Phänomene mit einem von den Medien unterschiedenen Bereich, dem im Brot-und-Spiele-Komplex seine normative Gestalt behauptenden kapitalen Verwertungszusammenhang, schien, das stellt sich dank der weitgehenden Deckungsgleichheit von Brot-und-Spiele-Komplex und Medien ebensowohl als eine innere Assimilation und integrative Mediatisierung jener störenden Phänomene durch die Medien selbst heraus. D.h. die Medien kehren am Ende wirklich jenen anfangs behaupteten Charakter eines Mediums, eines allumfassenden Elements und allgegenwärtigen Fluidums heraus, der, wie er ihre Reflexion äußerer Erscheinungen zu einer alle publizistische Prätention Lügen strafenden, rein selbstreflexiven Assimilationsveranstaltung und ausschließlich selbstreferentiellen Integrationsdarbietung kurzschließt, so den reflektierten Erscheinungen jede äußere Eigenständigkeit und allen Anspruch auf objektive Realität verschlägt, um sie in interne Faktoren der medialen Eigenbewegung, in integrierende Figuren der Selbstbestätigung des medialen Verbunds zu transformieren. Bezogen auf eine zum Brot-und-Spiele-Komplex elaborierte Normalität der kapitalen Verwertung und Faktizität der sozialen Ausbeutung, die wesentlich im Mittel der Beziehung selbst, in den Medien, anschauliche Existenz gewinnt und repräsentative Geltung behauptet, unterliegen die der partikularen Abweichung von der Normalität oder des privativen Verstoßes gegen die Faktizität geziehenen störenden Erscheinungen einer unaufhaltsamen empiriologischen Reduktion und ontologischen Verflüchtigung, an deren Ende sie nichts mehr darstellen als antithetische Funktionen jenes mit ihrer Hilfe zur synthetischen Totalität sich entfaltenden komplexen Verbunds, kontrastierende Figuren jener durch sie hindurch sich inszenierenden Selbstdarstellung des medialen Mediums.

Signalisiert wird diese Verwandlung der reflektierten äußeren Erscheinungen in medienkonforme Ereignisse und medieninterne Funktionen durch das quasi persönliche Engagement der Reflexion, die von den Medien angestrengt, den fast schon existentiellen Zug der Kritik, die von ihnen geübt wird. Weil die als Brot-und-Spiele-Komplex gestaltgewordene normale Realität der kapitalen Verwertung und sozialen Ausbeutung, auf die die Medien jene partikular vom Normalfall abweichenden Erscheinungen beziehen, primär in den Medien selber besteht, können diese gar nicht umhin, jene divergierenden Erscheinungen als eine an sie, die Medien selbst, adressierte Herausforderung, eine sie selbst in Frage stellende Unregelmäßigkeit zu begreifen. Ihre Reflexion über jene Phänomene muß deshalb nolens volens für sie die Bedeutung eines zutiefst persönlichen Anliegens, eines Akts veritabler Selbstbehauptung annehmen. Und wie sie das Auftreten jener irregulären Erscheinungen als persönliche Herausforderung ansehen und zu ihrer ureigenen Sache machen, so begreifen sie auch die mittels Diskretisierungs-, Konkretisierungs- und Synkretisierungstechnik effektuierte Bewältigung der Herausforderung, will heißen, die Rückführung jener Erscheinungen auf partikulare Ursachen und privative Faktoren und ihre darin beschlossene Verflüchtigung zum ebenso akzidentiellen wie unvermeidlichen Element einer normativ bestehenden Totalität als einen Akt der Bestätigung und der Bewährung ihrer, der Medien, selbst. So wahr die normative Totalität, die jene störenden Erscheinungen in Frage stellen und auf die sie deshalb in dem beschriebenen kategorischen Sinn eines an der Substanz mitspielenden Akzidens zurückgestaucht werden müssen, sich primär im medialen Komplex selbst gestaltgeworden und repräsentiert zeigt, so wahr dient am Ende auch die gesamte informationstechnische Bearbeitungsapparatur und Bewältigungsprozedur, der jene Erscheinung en in besagter Absicht unterworfen werden, einzig und allein dessen eigener Reaffirmation und Reproduktion.

Demnach verfallen also die vom medialen Verbund in Informationen verwandelten reflexionsbedürftigen Erscheinungen uno actu ihres Werdens zur Information einem modallogischen Entwirklichungs- oder ontologischen Verflüchtigungsprozeß, der radikal Schluß mit ihrer empirischen Selbständigkeit und außermedialen Eigenbedeutung macht. Eigenbedeutung behaupten jene Erscheinungen auf Grund des fundamentalen ökonomischen Widerspruchs, den sie exemplarisch verkörpern, und nach Maßgabe des zentralen gesellschaftlichen Konflikts, für den sie symptomatisch einstehen. Nun aber sind sie dadurch, daß der ökonomische Widerspruch und gesellschaftliche Konflikt sich qua Brot-und-Spiele-Komplex zur Totalität eines kapitalen Normalverhältnisses aufgehoben bzw. zur Objektivität eines sozialen Idealzustands niedergeschlagen zeigt, nicht nur ihrer exemplarischen Stellung und symptomatischen Bedeutung beraubt und in beispielende Korollarien eben dieser herrschenden Totalität, in kursorische Begleiterscheinungen dieser bestimmenden Objektivität transformiert. Sie firmieren mehr noch dank der weitestgehenden Koinzidenz dieser Totalität mit den Medien selbst als quasi höchstpersönlicher Energielieferant eben des medialen Transformationsprozesses, der sie zum unwesentlichen Korollar herabsetzt. Weil im strikten Sinne von Medium das, was transformiert, mit dem, wozu transformiert wird, weitgehend deckungsgleich ist, können jene äußeren Erscheinungen nicht umhin, zugleich als dasjenige zu fungieren, was aller Eigenständigkeit beraubt und einer rein totalitätsbezogenen oder faktizitätskonformen Funktionalität überführt wird, wie auch als dasjenige, was für seine Disqualifzierung und Überführung den nötigen Antrieb und die erforderliche Energie liefert. Ein und derselbe mediale Verarbeitungsprozeß, durch den jene Erscheinungen zu ephemeren Schatten verflüchtigt werden, die zum Licht der medialen Totalität nun einmal dazugehören, beutet sie zugleich als den ubiquitären Brennstoff aus, der das Feuer der totalen Medien speist und am Leben erhält. Von den Medien in diesem Doppelsinn eines quasi organischen Umwandlungsprozesses verschlungen und aufgezehrt, verlieren sie allen äußeren Halt und objektiven Verstand und nehmen im allgemeinen Bewußtsein ebenso zwanghaft wie spontan die gespenstische Gestalt von beliebig an- und ausschaltbaren, nach Gusto aufs Tapet zu bringenden und wieder von der Tagesordnung abzusetzenden Medienereignissen an, – mit der ebenso aberwitzigen wie zynischen Konsequenz, daß der Beobachter einer Überschwemmung, der Beteiligte an einem Schlachtfest auf der Autobahn, der Teilnehmer an einem Streik gegen Massenentlassungen oder an einer Protestdemonstration gegen rechtsradikale Tendenzen, der Zeuge einer Schießerei im Einkaufszentrum, wie betroffen oder in Mitleidenschaft gezogen er selber auch immer sein mag, am Ende mit dem jeweiligen Ereignis nurmehr das eine Interesse zu verbinden vermag: wie es sich abends wohl in der Tagesschau ausnehmen wird. Was immer geschieht, es geschieht für die Medien und gewinnt seine Realität in ihnen, erhält seinen Sinn durch sie, und bewahrheitet so auf höchst materiale, empirieverändernde und wirklichkeitsvernichtende Weise das formalistisch gemeinte Diktum vom Medium, das selber die Botschaft ist, die es zu bringen dient.

aus: Ulrich Enderwitz, Die Medien und ihre Information. Ein Traktat, Freiburg (ça ira-Verlag) 1996

[ 1 ] Gerade die Bedeutung und Funktion des Films im Faschismus, die Rolle als opulentes Unterhaltungsspektakel und aufwendiges Ablenkungsmanöver, die er neben seiner Funktion als mobilisierendes Propagandainstrument spielt, kann noch einmal als Beweis dafür gelten, wie sehr die differente, eher auf volksgemeinschaftliches Gefühl als auf konsumgesellschaftlichen Genuß abgezielte Versöhnungs- und Gewöhnungsstrategie des Faschismus bloß eine der Not entsprungene Alternative zum heutigen Verfahren ist und wie bereitwillig bereits der Faschismus dort, wo er über entsprechende technische Möglichkeiten und ökonomische Ressourcen verfügt, seine ideologischen Absichten mit Hilfe ”brotfaktoreller” Befriedigungsmittel und konsumgesellschaftlicher Rekreationsveranstaltungen verfolgt.

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