Werte Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,

im Folgenden möchten wir unsere Solidaritätsadresse an die Protestierenden im Iran dokumentieren, die in Zusammenarbeit mit Danyal von Cosmoproletarian Solidarity verfasst und am Samstag, den 6. Januar 2018, bei der Kundgebung Solidarität mit den Protesten im Iran in Wien verteilt wurde.

Einmal mehr zeichnete sich bei dieser Kundgebung das allgemeine Elend weiter Teile der hiesigen Bewegung für die Solidarität mit den iranischen Protesten ab, das darin besteht, dem ideologischen Zentrum des iranischen Regimes: den antisemitischen Vernichtungsambitionen gegen Israel entweder gleich mit konsequenter Ignoranz zu begegnen, oder aber die Bedrohung des Antisemitismus zur Randbemerkung zu depotenzieren. So wurde durch die offiziellen Auflagen der Kundgebung, die ein allgemeines Fahnenverbot beinhalteten, auch in Wien sichergestellt, dass die notwendige Solidarität mit dem jüdischen Staat – ohne die es eine Fundamentalopposition zum iranischen Regime, die ihrem Begriff gerecht wird, nicht geben kann – ihrer Sichtbarkeit beraubt und von der Kundgebung exkommuniziert werden konnte.

Initiative Sozialistisches Forum (Wien), 9. Januar 2018

 

Nieder mit der islamischen Despotie!

Im Iran ist die im Jahr 1979 totalitär institutionalisierte Islamisierung daran gescheitert, aus den Iranern eine einzige „Partei Allahs“ zu machen, die Hezbollah, wie sie Ayatollah Khomeini noch inständig als heiligsten Staatszweck beschwor. Von jeder europäischen Delegation, deren weibliche Mitglieder sich dem Kopftuchzwang zumeist in vorauseilendem Gehorsam unterwerfen, bekommen die iranischen Kleriker mehr Hochachtung entgegengebracht als von weiten Teilen der iranischen Jugend. In den vergangenen Tagen riefen Protestierende in Qom, der heiligen Kapitale des Klerus und der einstigen Kanzel von Ayatollah Khomeini, Slogans, die unmissverständlich sind: „Wir wollen keine Islamische Republik“ und „Tod der Islamischen Republik“, „Nieder mit Rouhani“ und „Nieder mit dem Obersten Führer“ (Ali Khamenei, dem auch der Slogan „Tod dem Diktator“ gewidmet ist), „Tod der Hezbollah“ und „Die Kleriker (Akhund) müssen gehen“.

Die durchschaubare Lüge der deutschen Politik, man würde mit dem gepflegten „kritischen Dialog“ die ‚Reformer‘ gegenüber den ‚Hardlinern‘ stärken, ist ohne jeden Zweifel das Alibi der Komplizen. Aus der Zunahme des Auftragsvolumens für die deutsche oder französische Industrie folgt weder eine Abnahme der Hinrichtungen, eine Lockerung des Schleierzwangs oder Abschaffung der Moralpolizei, noch ein Ende des iranischen Revolutionsexports im Nahen Osten. Noch perfider ist nur der europäische Jargon der Demokratie, der darauf zielt, diese Kumpanei dadurch zu legitimieren, dass Millionen von regimekritisch gesinnten Iranern den Kleriker Hassan Rouhani doch schließlich selbst zum Staatspräsidenten gemacht hätten. Der als den ‚Reformern‘ freundlich gesinnt geltende Rouhani ist nur das zartere Antlitz ein und derselben Bestie, die mild lächelnde Charaktermaske der iranisch-europäischen Kollaboration, die im beidseitigen Kalkül liegt. Und anders als noch im Jahr 2009 sind die ‚Reformer‘ bei den gegenwärtigen Protesten im Iran nicht nur außen vor, die Slogans richten sich auch konkret gegen sie: in der Person von Hassan Rouhani.

Selbst wenn es also der Wahrheit entsprechen sollte, dass die Proteste ihren Anfang in Fraktionskämpfen innerhalb des Regimes genommen haben, besteht kein Zweifel daran, dass sie der Kontrolle des Regimes entglitten sind. Der Hauptunterschied zu den Demonstrationen von 2009, die von der Weltöffentlichkeit – allen voran dem auf den Atomdeal versessenen US-Präsidenten Barack Obama – so schändlich verraten und im Stich gelassen worden sind, scheint darin zu liegen, dass die aktuellen Proteste ausdrücklich nicht reformorientiert sind und sich der Einhegung und Instrumentalisierung für die internen Machtkämpfe des Regimes verweigern.

Die mächtigsten Institutionen der Islamischen Republik, diese Apparaturen zur systematischen Erniedrigung und Verächtlichmachung des Menschen im Namen von Koran und Kaserne, waren zum Verzicht gezwungen, das repräsentative Amt des Staatspräsidenten direkt an eine der blutrünstigsten Figuren der Islamischen Republik zu übergeben. (Zur Erinnerung: Der Gegenkandidat zu Rouhani bei den letzten Präsidentschaftswahlen, Ebrahim Raisi, war im Jahr 1988 einer der vier Exekutoren jener Todeskommission, die den Mordbefehl von Ayatollah Khomeini („Mitleid mit den Feinden des Islam ist Naivität. Zögern heißt das reine, unbefleckte Blut der Märtyrer zu ignorieren.“) gnadenlos an mehr als 4.000 inhaftierten Oppositionellen in Evin und Gohardasht ausführten.) Was den deutschen und europäischen Fürsprechern des „kritischen Dialoges“ ein Moment demokratischer Teilhabe ist, haben scharfsinnige iranische Oppositionelle längst als Erpressung entlarvt, als taktisches Manöver von Ali Khamenei. Die Ernennung des als moderat und reformorientiert geltenden Rouhani zum Präsidenten entsprach dem Kalkül von Ali Khamenei, die politische Stabilität zu wahren und die von der Islamischen Republik entfremdete Jugend zu besänftigen, die sich nach einem Leben fernab der totalen Herrschaft des Islams und seiner Schergen sehnt. Seit der Niederschlagung der Erhebung im Jahr 2009 und dem späteren Mandatsende von Mahmud Ahmadinejad stand fest, dass die konservativen Prinzipalisten ihre Kandidaten einerseits unmöglich in das Amt des Staatspräsidenten hieven konnten, ohne die brüchige politische Stabilität zu riskieren, andererseits wurde auch offenbar, dass jeder Protest im Bannkreis der regime-internen Ausbalancierung der Rivalitäten zwischen den Staatsrackets – jenen Agglomerationen von terroristischen Banden und Wohlfahrtsvereinen – auch in Zukunft zum Scheitern verdammt sein würde. Das Kunststück der europäischen Kollaborationspolitik besteht seither darin, diese Not des Regimes zu einem seiner Vorzüge umzulügen, um daraus die Legitimation für die eigene Appeasementpolitik abzuleiten. So rief der deutsche Außenminister, Sigmar Gabriel, angesichts der zunehmend mehr Todesopfer fordernden Repression des Regimes dazu auf, „allseits (!) von gewaltsamen Handlungen Abstand zu nehmen“. Der Slogan, der in den vergangenen Tagen in Teheran zu hören war: „Reformisten, Konservative, eure Zeit ist vorbei“, lässt keinen Zweifel daran, dass die Protestierenden im Gegensatz zum europäischen Herrschaftspersonal dieser Tage eines nicht im Sinn haben: die Ehrenrettung der Islamischen Republik. Der ‚Stabilitätsanker‘ Iran (Hassan Rouhani) kann allerhöchstens noch als ein solcher ausgeben werden, weil die deutsch-europäische Beschwichtigungspolitik ihm im Gefolge des Atomdeals zur Seite springt; diese vermeintliche Stabilität, die in Wahrheit der Friedhofsruhe gleicht, wird durch Europa garantiert.

Auffällig in den vergangenen Tagen war auch, dass die alten Männer der iranischen Revolutionswächter sich als Hüter eines islamischen Jerusalems rühmen, im Iran selbst aber es einzig das ewig gleiche Brüllvieh ist, das für den Expansionsauftrag der „Islamischen Revolution“ und ihr ideologisches Zentrum: die Vernichtung Israels krakeelt. Die „Tage des Zorns“, zu denen palästinensische Gruppen nach der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels aufgerufen hatten, gingen an den Iranern überraschend spurlos vorüber und blieben auf die khomeinistischen Satelliten in Beirut, unter Führung der Hezbollah, und dem jemenitischen Sanaa beschränkt. Der Iran der Ayatollahs zählt zu den aggressivsten antisemitischen Einpeitschern und lässt keinen Zweifel daran, dass es nicht allein jene Realität ist, in welcher Jerusalem die Hauptstadt Israels ist, die sie nicht akzeptieren können. Sie akzeptieren überhaupt keinen Staat Israel, der als Emanzipationsgewalt der Juden fungiert. So orchestrierte Hassan Nasrallah, Führer der Hezbollah, im Zuge der „Tage des Zorns“ in Beirut die größten Aufmärsche des antizionistischen Brüllviehs unter dem unmissverständlichen Heilsversprechen: „Tod Israels“. Es ist der selbst erklärte Staatszweck der Islamischen Republik Iran, Israel in Gänze zu vernichten. Der General der iranischen Revolutionswächter, Mohammad Ali Jafari, beschwört „Allahs Willen“, dass Jerusalem das Grab sein wird, in dem das „zionistische Regime“ begraben wird.

Die Protestierenden in diesen Tagen dagegen scheinen sich sowohl dem antisemitischen Furor, wie auch der Unterwerfung unter die totale Herrschaft des Islams zu verweigern. Sie fordern einen militärischen Rückzug aus Syrien sowie ein Ende der Finanzierung von Hamas und Hezbollah. Sie sind revolutionäre Hochverräter an der khomeinistischen Despotie, wenn sie rufen: „Ihr erwecktet den Islam zum Leben, aber uns machtet ihr bedürftig“ und „Weder Gaza noch der Libanon, unser Leben ist dem Iran gewidmet“. Was die europäischen Kollaborateure ignorieren, wenn sie nicht gleich zur Wahrung des Friedens und damit zum Einverständnis mit dem iranischen Regime aufrufen, ist eine antiklerikale Brotrevolte gegen das islamistische Verelendungsregime, gegen die Tyrannei der Mullahs und ihre militärischen Aggressionen. Die Radikalität der gegenwärtigen Proteste im Iran kann jedoch nur ermessen, wer zu Israel und zum Antisemitismus nicht schweigt: Die antisemitische Barbarei ist, ex negativo, das Movens authentischer Revolution.

Lassen wir die Revoltierenden nicht allein!
Nieder mit der Islamischen Republik Iran!

 

Hamburg/Wien, den 5. Januar 2018
Cosmoproletarian Solidarity
Initiative Sozialistisches Forum (ISF) Wien