Antonio Negri – Paschukanis lesen, aus: Kritik der Politik

Paschukanis lesen

Antonio Negri

Notizen anläßlich der erneuten Lektüre von Eugen Paschukanis’ Allgemeine Rechtslehre und Marxismus [ 1 ]

1. Das Recht in der Warenwelt

“Ähnlich wie der Reichtum der kapitalistischen Gesellschaft die Form einer ungeheuren Anhäufung von Waren annimmt, stellt sich die ganze Gesellschaft als eine unendliche Kette von Rechtsverhältnissen dar.” [ 2 ]
Eugen Paschukanis führt uns derart in die Welt der juristischen Mystifikation ein, indem er uns zugleich daran erinnert, daß das Recht, wenn es auch eine Ideologie ist und ein Fetisch, nichtsdestotrotz Wirklichkeit ist. “Der Staat ist nicht nur eine ideologische Form, sondern zugleich auch eine Form des gesellschaftlichen Seins. Die ideologische Natur des Begriffs schafft die Realität und Materialität der Verhältnisse, die er ausdrückt, nicht aus der Welt.” [ 3 ] Nun “stellen wir die Frage so: Kann das Recht als gesellschaftliches Verhältnis aufgefaßt werden, in demselben Sinne, in dem Marx das Kapital ein gesellschaftliches Verhältnis genannt hat?” [ 4 ]

Gesellschaftliches Verhältnis, Totalität der gesellschaftlichen Verhältnisse, die Welt der Waren: Damit befinden wir uns ganz und gar auf dem Boden von Marx. Denn, während er auf den ersten hundert Seiten des Kapital noch die Phänomenologie des Tauschwerts untersucht, stellt Marx bereits fest, daß die gegenwärtige Herrschaft des Tausches Protagonisten unterstellt, die sich “wechselseitig als Privateigentümer anerkennen müssen. Dies Rechtsverhältnis, dessen Form der Vertrag ist, ob nun legal entwickelt oder nicht, ist ein Willensverhältnis, worin sich das ökonomische Verhältnis widerspiegelt. Der Inhalt dieses Rechts- oder Willensverhältnisses ist durch das ökonomische Verhältnis selbst gegeben.” Dies, und nichts anderes, ist der innere und tatsächliche Zusammenhang zwischen dem juristischen Willen und seinem ökonomischen Inhalt. “Die Personen existieren hier nur füreinander als Repräsentanten von Ware und daher als Warenbesitzer.” [ 5 ] Die Idealisten dagegen sprechen diesem Verhältnis eine eigenständige Wirklichkeit zu; man siehe nur Proudhon. Dieser, sagt Marx, “schöpft erst sein Ideal der Gerechtigkeit, der ‘justice eternelle’, aus den der Warenproduktion entsprechenden Rechtsverhältnissen, wodurch, nebenbei bemerkt, auch der für alle Spießbürger so tröstliche Beweis geliefert wird, daß die Form der Warenproduktion ebenso ewig ist wie die Gerechtigkeit. Dann will er umgekehrt die wirkliche Warenproduktion und das ihr entsprechende wirkliche Recht diesem Ideal gemäß ummodeln. Was würde man von einem Chemiker halten, der, statt die wirklichen Gesetze des Stoffwechsels zu studieren und auf Basis derselben bestimmte Aufgaben zu lösen, den Stoffwechsel durch die ‘ewigen Ideen’ der ‘naturalité’ und der ‘affinité’ ummodeln wollte? Weiß man etwa mehr über den ‘Wucher’, wenn man sagt, er widerspreche der ‘justice éternelle’ und der ‘équité éternelle’ und der ‘mutualité éternelle’ und den anderen ‘vérités éternelles’, als die Kirchenväter wußten, wenn sie sagten, er widerspreche der ‘grâce éternelle’, der ‘foi éternelle’, der ‘volonté éternelle de dieu’.” [ 6 ] Dies gesagt, wird das Marxsche Forschungsvorhaben vollständig durchsichtig: “Wir werden überhaupt in der weiteren Entwicklung finden, daß die ökonomischen Charaktermasken nur die Personifikationen der ökonomischen Verhältnisse sind, als deren Träger sie sich entgegentreten.” [ 7 ]

Aber die Form steht nicht nur in Beziehung auf die Stofflichkeit des Inhalts des Tausches, d. h. auf die allgemeine Austauschbarkeit der Waren; sondern sie ist zugleich die Verschleierung des kapitalistischen Kommandos vermittels dieser Tauschbarkeit. “Man sieht es dieser Form unmittelbarer Austauschbarkeit in der Tat keineswegs an, daß sie eine gegensätzliche Warenform ist, von der Form nicht unmittelbarer Austauschbarkeit ebenso unzertrennlich wie die Positivität eines Magnetpols von der Negativität des andren. Man mag sich daher einbilden, man könne allen Waren zugleich den Stempel unmittelbarer Austauschbarkeit aufdrucken, wie man sich einbilden mag, man könne alle Katholiken zu Päpsten machen. Für den Kleinbürger, der in der Warenproduktion das nec plus ultra menschlicher Freiheit und individueller Unabhängigkeit erblickt, wäre es natürlich sehr wünschenswert, der mit dieser Form verbundenen Mißstände enthoben zu sein, namentlich auch der nicht unmittelbaren Austauschbarkeit der Waren. Die Ausmalung dieser Philisterutopie bildet Proudhons Sozialismus.” [ 8 ] Die Warenform ist daher ihrem Wesen nach antagonistisch: “Man sah, daß der Austauschprozeß der Waren widersprechende und einander ausschließende Beziehungen einschließt. Die Entwicklung der Ware hebt diese Widersprüche nicht auf, schafft aber die Form, worin sie sich bewegen können.” [ 9 ]

Der Marxsche Gedankengang erschließt sich aber nur, wenn der wesentliche Widerspruch der Warenform dahin gelangt, sich in Form der zur Ware gemachten Arbeit und also in Form der Ware Arbeitskraft zu verwirklichen. Darin enthüllt sich die Warenform vollständig; und hier wird die Funktion ihrer inneren Widersprüchlichkeit restlos deutlich. Denn in Gestalt der Ware Arbeitskraft “schlägt offenbar das auf der Warenproduktion und Warenzirkulation beruhende Gesetz der Aneignung oder Gesetz des Privateigentums durch seine eigne, innere, unvermeidliche Dialektik in sein direktes Gegenteil um. Der Austausch von Äquivalenten, der als die ursprüngliche Operation erschien, hat sich so gedreht, daß nur zum Schein ausgetauscht wird, indem erstens der gegen Arbeitskraft ausgetauschte Kapitalteil selbst nur ein Teil des ohne Äquivalent angeeigneten fremden Arbeitsproduktes ist und zweitens von seinem Produzenten, dem Arbeiter, nicht nur ersetzt, sondern mit neuem Surplus ersetzt werden muß. Das Verhältnis des Austausches zwischen Kapitalist und Arbeiter wird also nur ein dem Zirkulationsprozeß angehöriger Schein, bloße Form, die dem Inhalt selbst fremd ist und ihn nur mystifiziert. Der beständige Kauf und Verkauf der Arbeitskraft ist die Form. Der Inhalt ist, daß der Kapitalist einen Teil der bereits vergegenständlichten fremden Arbeit, die er sich unaufhörlich ohne Äquivalent aneignet, stets wieder gegen größeres Quantum lebendiger fremder Arbeit umsetzt.” [ 10 ] Derart bestimmt sich die Abstraktion “Ware” in ihrem antinomischen Gehalt, und die Analyse erreicht jetzt ihren wahren Kern – die Bestimmung des Gewebes der Ausbeutung und der Bedingungen des Klassenkampfes. Denn “ursprünglich erschien uns das Eigentumsrecht gegründet auf eigene Arbeit. … Eigentum erscheint jetzt auf der Seite des Kapitalisten als das Recht, fremde, unbezahlte Arbeit oder ihr Produkt, auf Seite des Arbeiters als Unmöglichkeit, sich sein eigenes Produkt anzueignen. Die Scheidung zwischen Eigentum und Arbeit wird zur notwendigen Konsequenz eines Gesetzes, das scheinbar von ihrer Identität ausging.” [ 11 ] In Warenform und Rechtsform – und das heißt: im Universum der Waren – sind die Organisation der Arbeitskraft und das Kommando zum Zwecke der Ausbeutung miteinander notwendig verbunden. Der Antagonismus der Form ist, vor allem anderen, diese ihre Verschlingung – ein Zusammenhang, der sich als Verschleierung der Ausbeutung und als Negation des Klassenkampfs darzustellen strebt. Aber schon der junge Marx sieht, wenn er dieses Verhältnis rekapituliert, nicht allein den Antagonismus der Form, sondern ihre antagonistis che Entwicklung: “Das Verhältnis des Privateigentums enthält in sich latent das Verhältnis des Privateigentums als Arbeit, wie das Verhältnis desselben als Kapital und die Beziehung dieser beiden Ausdrücke aufeinander. Die Produktion der menschlichen Tätigkeit als Arbeit, also als einer sich ganz fremden, dem Menschen und der Natur, daher dem Bewußtsein und der Lebensäußerung ganz fremden Tätigkeit, die abstrakte Existenz des Menschen als eines bloßen Arbeitsmenschen, der daher täglich aus seinem erfüllten Nichts in das absolute Nichts, sein gesellschaftliches und darum sein wirkliches Nichtdasein hinabstürzen kann – wie andrerseits die Produktion des Gegenstandes der menschlichen Tätigkeit als Kapital, worin alle natürliche und gesellschaftliche Bestimmtheit des Gegenstandes ausgelöscht ist, das Privateigentum seine natürliche und gesellschaftliche Qualität (also alle politischen und geselligen Illusionen verloren hat und mit keinen scheinbar menschlichen Verhältnissen vermischt ist) verloren hat – worin auch dasselbe Kapital in dem verschiedenartigsten natürlichen und gesellschaftlichen Dasein dasselbe bleibt, vollkommen gleichgültig gegen seinen wirklichen Inhalt ist – dieser Gegensatz auf die Spitze getrieben ist notwendig die Spitze, die Höhe und der Untergang des ganzen Verhältnisses.” [ 12 ] Der durch die Form verhüllte Antagonismus ist die tätige Triebkraft der Vernichtung der Form selbst, und der Kampf der Arbeiter wird diese Form zerstören, indem er sich als Moment eines notwendigen Antagonismus entwickeln wird. Dieser Prozeß ist keineswegs unbestimmt, denn er bewahrheitet sich im Zuge des Klassenkampfs; die juristische Illusion wird in genau demselben Maße angegriffen, in dem der Kampf für den Kommunismus um sich greift; in diesem Fall wird sie sehr unvermittelt entschleiert. Voller Sarkasmus merkt Marx an: “Linguet warf Montesquieus illusorischen ‘Esprits des Lois’ mit dem einen Wort über den Haufen: ‘L’esprit des lois, c’est la proprieté’.” [ 13 ]

Eine Anregung von Paschukanis hat es uns gestattet, den Begriff der Rechtsform bei Marx zu verfolgen: Die Rechtsform erwächst aus dem Tauschwert, sie entsteht genau inmitten der Warenwelt, sie kaschiert deren Inhalt, die Aneignung, aus der Warenform im allgemeinen bezieht sie ihre eigentümlich antinomische Gestalt – eine Gestalt im Gegensatz von Organisation und Kommando, d. h. Organisation der Ausbeutung einerseits, Organisation für die Ausbeutung andererseits -, und, während die Rechtsform diesen Antagonismus zu beherrschen sucht, unterwirft sie sich zugleich der Tendenz ihrer eigenen Zerstörung. Die Anregung, die Paschukanis gab, hat gewirkt: Und tatsächlich zählt er zu den ersten [ 14 ] (und leider zu den letzten) marxistischen Theoretikern des Rechts, die die Marxsche Perspektive ausgearbeitet haben, in der das Recht dialektisch – jenseits der einseitigen und scholastischen Gegenüberstellung von Basis und Überbau – als Form des realen Tausches betrachtet wird, als Ausdruck / Oberfläche / Erscheinung des Tauschwerts. Vor ihm hat nur Emil Lask, ein zwar aufmerksamer, aber außerhalb des Marxismus stehender Beobachter, darauf insistiert, dazu Georg Lukács im Zuge seiner leidenschaftlichen, aber doch unvollständigen Untersuchung. [ 15 ] Aber ist die Analyse, die Paschukanis der Rechtsform widmet, auch so radikal wie jene, die Marx unternommen hat? Und ist sie dazu in der Lage, sich mit Marxscher Nachdrücklichkeit schlußendlich dahin zu entwickeln, hinter der Phänomenologie der Form das ganze Ausmaß des Antagonismus und die zerstörerische Gewalt zu begreifen, die der Klassenkampf auf sie ausübt? Diese Fragen zu stellen, wird durch die Tatsache gerechtfertigt, daß eine ganze Reihe zeitgenössischer Kommentatoren von Paschukanis’ juristischem Denken eher auf dessen realistische Resultate Wert legt als die fundamental revolutionäre Bedeutung seines Werkes wahrzunehmen, daß diese Kommentatoren, besser gesagt, versucht haben, sie / diese Intention auf eine revisionistische Perspektive zurechtzubiegen, die im Widerstreit der herrschenden Theorien über das bürgerliche Recht eine einfach nur modernisierende Funktion hat, das heißt ihr eine soziologische und institutionelle Darstellung zugutezuhalten? [ 16 ] Das ist der Grund, weswegen wir hier versuchen wollen, das wirkliche Maß von Paschukanis’ Zugehörigkeit zur marxistischen Rechtstheorie zu ermitteln und, besser gesagt, zu erwägen, inwieweit dagegen die Betrachtung des Rechts auf der Ebene der Basis und der Form die Perspektive der Revolution zu stützen vermag.

Nun steht es außer Frage, daß die revisionistische Paschukanis-Lektüre einigen Grund hat. Er begibt sich tatsächlich auf die Suche nach dem “Spezifischen” des Rechts – ein Unterfangen, daß eine bejahrte Tradition wiederholt, insbesondere greift er erneut ein Problem auf, daß der juristische Neukantianismus stark betont hat. “Weisen aber diese abstrakten Definitionen der Rechtsform nicht nur auf gewisse psychologische oder ideologische Prozesse hin, sondern sind sie Begriffe, die objektive gesellschaftliche Verhältnisse ausdrücken, in welchem Sinne sagen wir dann, daß das Recht die gesellschaftlichen Verhältnisse regelt? Wir wollen doch damit nicht sagen, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse sich selbst regeln? Denn wenn wir sagen, daß das eine oder andere gesellschaftliche Verhältnis juristische Formen annimmt, so soll dies doch nicht eine einfache Tautologie sein: das Recht nimmt Rechtsform an.” [ 17 ] Die Antwort darauf ist, daß “wir diesem scheinbaren Widerspruch entgehen, wenn es uns gelingt, durch die Analyse der grundlegenden Mystifikationen des Rechts nachzuweisen, daß das Recht eine in mystische Nebel gehüllte Form irgendeines spezifischen gesellschaftlichen Verhältnisses darstellt.” Und das heißt, daß “die Regelung gesellschaftlicher Verhältnisse unter gewissen Bedingungen einen rechtlichen Charakter annimmt.” [ 18 ] Worin bestehen diese Bedingungen? Auf den Spuren von Gumplowicz hält Paschukanis dafür, daß “der festeste Kern der juristischen Nebelregion … gerade im Gebiet privatrechtlicher Verhältnisse liegt. [ 19 ]” “Eine grundlegende Voraussetzung der rechtlichen Regelung ist somit die Gegensätzlichkeit privater Interessen.. Diese ist sowohl die logische Voraussetzung der Rechtsform als auch die reale Ursache der Entwicklung des juristischen Unterbaus. Das Verhalten der Menschen kann durch die kompliziertesten Regeln bestimmt werden, aber das juristische Moment in dieser Regelung fängt dort an, wo die Differenzierung und Gegensätzlichkeit der Interessen anfängt.” [ 20 ] Also muß das Besondere des juristischen Verhältnisses dort gesucht werden, wo auch “jenes gesellschaftliche Verhältnis sui generis” sich befindet, “dessen unausbleiblicher Reflex die Rechtsform ist”, was nichts anderes heißt als im “Verhältnis der Warenbesitzer zueinander. [ 21 ]”

Von hier zur Definition einer privatrechtlichen und institutionellen Entstehung der Rechtsordnung führt ein kurzer Weg ; zuweilen scheint es, läse man Fragmente und Bruchstücke des frühen Benedetto Croce oder von Santi Romano über das “Recht der Privatleute”. [ 22 ] Aber folgen wir Paschukanis weiter: “Somit ist der Weg vom Produktionsverhältnis zum Rechtsverhältnis oder Eigentumsverhältnis kürzer, als die sogenannte positive Jurisprudenz meint, die ein vermittelndes Zwischenglied, die Staatsgewalt und ihre Normen, nicht entbehren kann. Der in Gesellschaft produzierende Mensch ist die Voraussetzung, von der di e ökonomische Theorie ausgeht.” [ 23 ] Die bewußte These wird darauf erneut unter historischem und dynamischem Gesichtspunkt vorgetragen, und die privatrechtliche Entstehung des Rechts reichert sich mit Blick auf den Gerichtsprozeß immer mehr an, denn dort findet jener Streit statt, der die Formen des juristischen Überbaus nach und nach perfektioniert und determiniert. [ 24 ] “Ich habe nicht nur darauf hingewiesen”, schreibt Paschukanis im Vorwort zur zweiten russischen Auflage, “daß die Genesis der Rechtsform in den Austauschverhältnissen zu suchen sei, sondern habe auch das Moment hervorgehoben, das nach meinem Dafürhalten die vollständigste Realisierung der Rechtsform darstellt: das Gericht und den gerichtlichen Prozeß.” [ 25 ] Und durch diese Setzungen verstärkt und wiederholt sich ein weiteres Moment der institutionellen, privatrechtlichen und soziologischen Konzeption des Rechts, nämlich die Polemik gegen die etatistische Gesetzgebungsmaschine. “Die Staatsgewalt bringt Klarheit und Beständigkeit in die Rechtsstruktur, erzeugt aber nicht deren Voraussetzungen, die in den materiellen, d. h. Produktionsverhältnissen wurzeln.” [ 26 ] Und weiter: “Es ist ohne weiteres klar, daß die Logik der juristischen Begriffe der Logik der gesellschaftlichen Verhältnisse einer warenproduzierenden Gesellschaft entspricht. Gerade in diesen Verhältnissen und nicht in der Genehmigung der Obrigkeit ist die Wurzel des privatrechtlichen Systems zu suchen. Im Gegenteil läßt sich die Logik der Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnisse nur zum Teil im System der juristischen Begriffe unterbringen. Darum kann die juristische Auffassung vom Staat nie zu einer Theorie werden, sie bleibt immer eine ideologische Entstellung der Tatsachen.” [ 27 ]

Das ist mehr als genug, um der revisionistischen Interpretation von Paschukanis’ Denken eine Grundlage zu geben. Wenn für Paschukanis, um mit Hans Kelsen zu sprechen, “alles Recht Privatrecht ist”, wenn “das öffentliche Recht einfach nur die Ideologie der bürgerlichen Juristen” [ 28 ] darstellt, wenn die Entstehung der Rechtsordnung linear und institutionell verläuft, dann scheint die so antagonistische wie dialektische Gleichzeitigkeit der organisatorischen Funktion des Rechts und der des Kommandos, die gerade das grundlegende Charakteristikum des marxistischen Rechtsbegriffs ausmacht, beiseite gelegt werden zu müssen. Die strukturelle Bestimmung des Rechts wird notwendigerweise in dem Maße unbestimmt, in dem sie auf dem Boden ihrer eigenen Voraussetzungen zwar nicht den Tausch im allgemeinen ausschließt, sehr wohl aber den spezifischen Tausch zwischen Ware Arbeitskraft und Kapital, auf dem die kapitalistische Akkumulation selbst und die gesellschaftliche Existenz dieses Produktionsverhältnisses gründet. Und derlei Unbestimmtheit gerät in dem Maße in die Nähe der Einseitigkeit, in dem der Mangel des wissenschaftlichen Begriffs von Tausch und Ausbeutung die Forschung ihrer Fähigkeit beraubt, den Zusammenhang zu bestimmen, der zwischen dem Tausch in der Warenwelt und dem übergreifenden Kapital besteht – die Autorität, die Kommandogewalt des Staates. Das Privatrecht maßt sich so in einer Radikalität die Funktion an, der letzte Grund der Rechtsordnung zu sein, die durch und durch illusorisch ist. Der Revisionismus greift diese Elemente heraus und entwickelt mit ihrer Hilfe eine Paschukanis-Lektüre, die sich als wissenschaftlicher Fortschritt und, schlimmer noch, als authentischer Marxismus ausgibt. Während man sich doch im Gegenteil – wäre dies wirklich der einzige Gedanke von Paschukanis – eher der radikalen Idee einer Philosophie der juristischen Aktion konfrontiert sähe, d. h. der actio als ein teleologisches Moment der Herausbildung der Rechtsordnung, wie sie vor allem in der Tradition der römischen Rechtslehre vertreten wird; aber dies nur nebenbei. [ 29 ] Aber ist das wirklich alles, was Paschukanis zu bieten hat? In Wirklichkeit entwickelt Paschukanis daneben, diesem Bestreben dialektisch verbunden, einen davon sehr verschiedenen und angemessenen Ansatz; und der weitgespannte Horizont seines Denkens wird Resultate zeitigen, die den Absichten des Revisionismus definitiv zuwiderlaufen. Denn die Kategorien des Subjekts, des Vertrages, des Eigentums und des Gerichtsprozesses, die sich aus der Kontinuität einer formgebenden und institutionalisierenden Entwicklung zu ergeben scheinen, ergeben sich hier umgekehrt als widersprüchliche und diskontinuierliche, die nur durch die Dialektik des Kapitals wieder zusammengesetzt werden. Die “Allgemeinheit” des Kapitals basiert nicht auf dem zunehmend intensiveren Rhythmus des Verhältnisses von subjektivem Forderung, Markt, d. h. Widerstreit der Interessen, und Institution, sondern vielmehr als Verbindung von Ausbeutung und Verschleierung der Ausbeutung erklärt.

Greifen wir nur eine grundlegende Kategorie heraus, die des juristischen Subjekts. Die Analyse der Subjektform muß sich, ganz wie bei Marx, direkt aus der Warenform folgern lassen [ 30 ] – einfach aus dem Grund, daß das Subjekt, ganz genau so, wie die Ware die Form ist, in der sich die kapitalistische Produktion vergegenständlicht, in seiner Abstraktion und Formalität durch die kapitalistische Entwicklung gebildet wird. “Darum wird der Mensch zu gleicher Zeit als das Arbeitsprodukt Wareneigenschaft annimmt und Träger von Wert wird, zum juristischen Subjekt und zum Träger von Rechten.” [ 31 ] “Der Warenfetischismus wird durch den Rechtsfetischismus ergänzt.” [ 32 ] Es ist die Totalität der kapitalistischen Gesellschaft, die ihre eigenen Bestandteile voraussetzt und formt. “Die Verhältnisse der Menschen im Produktionsprozeß nehmen so auf einer bestimmten Entwicklungsstufe eine doppelt rätselhafte Form an. Sie treten einerseits als das Verhältnis von Dingen (Waren) auf und andererseits als willensmäßige Beziehungen voneinander unbhängiger, einander gleicher Einheiten, juristischer Subjekte. Neben der mystischen Eigenschaft des Wertes taucht ein nicht weniger rätselhaftes Phänomen auf: das Recht. Zugleich nimmt das einheitlich-ganzheitliche Verhältnis zwei grundlegend abstrakte Aspekte an: einen ökonomischen und einen juristischen.” [ 33 ] “Im selben Maße aber, wie die gesellschaftlichen Kräfte sich steigern, verliert das Subjekt seine materielle Greifbarkeit. An Stelle seiner persönlichen Energie tritt die Macht der gesellschaftlichen, d. h. klassenmäßigen Organisation, die ihren höchsten Ausdruck im Staate findet. Hier entspricht dem unpersönlichen und abstrakten Subjekt als dessen Reflex die unpersönliche Abstraktion der mit idealer Gleichmäßigkeit und Ununterbrochenheit in Raum und Zeit wirkenden Staatsmacht.” [ 34 ] Die Subjektform ist daher mit Notwendigkeit antinomisch, denn in seiner Abstraktheit versucht es, Anspruch und Norm, Eigentum und Markt, den Kampf ums Recht und die Entfaltung des Kapitals zusammenzuschließen. [ 35 ] Subjekt und Staat werden zu den entgegengesetzen Pole der totalen Auswechselbarkeit der Bestandteile der kapitalistischen Gesellschaft, deren Einheit sich deshalb als mit Notwendigkeit widersprüchlich und am Ende antagonistisch sich darstellt. Der Prozeß der Konstitution der juristischen Kategorien verliert damit seine “Naturwüchsigkeit”, um sich als Form der Mystifikation der Zirkulation und Reproduktion des Kapitals zu erweisen, als Ausweitung und Vertiefung der Ausbeutung.

Gewiß ist auch diesen Passagen bisweilen eine Art Verflachung der juristischen Kategorien und der Rechtsform auf das Niveau des einfachen Austausches auf dem Markt abzume rken – als könne man, wenn man sein Interesse darauf richtet, der juristischen Regulierung der kapitalistischen Gesellschaft sich bemächtigen. Dann scheint es, um es mit den Worten zu sagen, die Paul M. Sweezy, wenn auch in anderem Zusammenhang, gebraucht hat, als besäße Paschukanis einen Begriff des Tausches, der eher an Adam Smith erinnert als an Marx, in dem Sinne nämlich , daß er in einer sehr strikten Manier das hervorstechendste technische Phänomen des ökonomischen Lebens, die Arbeitsteilung – und das heißt: die autoritär erzwungene Unterordnung – mit dem reinen und einfachen Tausch in Verbindung bringt, während es bei Marx umgekehrt die kapitalistische Warenproduktion und deren Grundlage, die Ausbeutung, sind, die eben diese Fähigkeit des Tausches bestimmen. [ 36 ] Und es steht weiterhin außer Zweifel, daß er auch hier in einigen Abschnitten die Zentralität des Tausches zwischen Arbeitskraft und Kapital, d. h. den Schlüsselbegriff jeder mit Geltungsanspruch auftretenden Äußerung, zu gering einschätzt. Dennoch trifft Karl Korsch keineswegs ins Schwarze, sondern er entstellt den wahren Sachverhalt, wenn er in diesen Passagen eine “für einen ‘Marxisten’ äußerst merkwürdige Überschätzung der ‘Zirkulation'” denunziert, die Paschukanis “nicht nur als einen Bestimmungsgrund der herkömmlichen Eigentumsideologie, sondern auch als einzige dem heutigen Eigentum zugrundeliegende Wirklichkeit” betrachte. [ 37 ] Korsch entstellt das Denken Paschukanis’, denn das, was darin schlußendlich und jenseits aller Zweideutigkeit dennoch hervortritt, ist nichts anderes als die Marxsche Interpretation des ganzen Gegenstandes. Wenn er gegen Karl Renner polemisiert [ 38 ], formuliert Paschukanis tatsächlich die Radikalität der Marxschen These explizit: die vollendete Gestalt des kapitalistischen Marktes erzwingt einen qualitativen Sprung der Rechtsform, und damit kann von einer begrifflichen oder funktionalen Kontinuität der juristischen Kategorien nicht mehr die Rede sein. Zwischen der “privaten Abeignung” für den Gebrauch und der “privaten Aneignung” für den kapitalistischen Tausch eröffnet sich ein Unterschied ums Ganze. Es ist das Ganze, das die Teile bestimmt; das Phänomen des Tausches existiert trotz allem nur als Ableitung der Dynamik der Ausbeutung und kann nicht von dieser abgelöst werden, während die etwaige privatrechtliche Entstehung des Rechts zugleich von der Totalität der kapitalistischen Ausbeutung restlos aufgesogen und anverwandelt wird. Eben das reicht hin, um auf die eingangs gestellten Fragen nach der Radikalität der marxistischen Thesen von Paschukanis zu antworten. Hier rückt die übergreifende Struktur des Kapitals ins Zentrum, und diese Struktur wird durch die Ausbeutung konstituiert, was heißt: in der Gleichzeitigkeit und Gleichgegenwart von Organisation und Kommando zum Zwecke der Ausbeutung, von bürgerlicher Gesellschaft und Staat. An diesem Punkt zeigt und unterstreicht die Kritik die spezifische Herrschaftsförmigkeit des juristischen Verhältnisses: sie betrachtet sie nicht als eine realistische Illusion der Gesellschaft, die sich gegen den Staat stellt, sondern die Kritik begreift sie materialistisch als Form der wechselseitigen Durchdringung von Gesellschaft und Staat. Der Klassenkampf wird auf diesem Weg voranschreiten können, nicht im Namen der Gesellschaft gegen den Staat, sondern vielmehr unvermittelt, als Kampf der ausgebeuteten Klasse, als Kampf gegen den Staat, der die Gesellschaft des Kapitals zerstört. Die Widersprüche des Institutionalismus lösen sich jetzt auf, indem dem Recht, einem Phänomen der Ware, die allgemeine Eigenschaft der Warenwelt, der Fetischismus, so beigelegt wird, wie es bei Marx geschieht, und damit wird dieses Rätsel zugleich aufgedeckt und wird die Wirklichkeit des Antagonismus, das es verbirgt, dem Kampf der Arbeiter preisgegeben. Nichts bleibt an diesem Punkt vom juristischen Intitutionalismus oder von der privatrechtlichen Entstehung des Rechts übrig als der symbolische Bezug auf eine Reihe von Verhältnissen, die auf der Ebene des Rechts zwar zu identifizieren, aber nicht aufzulösen sind. Und damit ergibt sich zugleich die erste Möglichkeit, dem revolutionären Marxismus die Lektüre des Werkes von Paschukanis wieder zuzueignen, dieses “Torsos”, der, wie zwiespältig und unvollständig auch immer, schlußendlich vom Arbeiterstandpunkt sehr gut zu gebrauchen ist.

2. Das Recht im Verwertungsprozeß des Werts

Folglich “muß sich die Kritik der bürgerlichen Jurisprudenz vom Standpunkt des wissenschaftlichen Sozialismus an der Kritik der bürgerlichen politischen Ökonomie, wie sie uns von Marx vorgegeben wurde, orientieren. Dazu muß sich diese Kritik vor allem in das Gebiet des Feindes begeben, d. h. die Verallgemeinerungen und Abstraktionen nicht beiseite werfen, die von bürgerlichen, von den Bedürfnissen ihrer Zeit und ihrer Klasse ausgehenden Juristen ausgearbeitet worden sind, sondern, diese abstrakten Kategorien analysierend, ihre wirkliche Bedeutung dartun, d. h. mit anderen Worten, die historische Bedingtheit der Rechtsform aufdecken.” [ 39 ] Aber all das ist, wie wir gesehen haben, noch nicht genug,: Denn wenn “die Rechtslehre mit Abstraktionen arbeitet, die nicht weniger ‘künstlich’ sind” [ 40 ] als die der politischen Ökonomie, so verhält es sich doch gleichwohl so, daß “auch hinter diesen Abstraktionen ganz reale gesellschaftliche Kräfte stecken”, woraus folgt, “daß die meisten Konstruktionen des öffentlichen Rechts … tatsächlich außerordentlich strittig und widersprüchlich sind.” [ 41 ] Aber, noch einmal, all das genügt nicht. Denn, wenn “nur die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft alle notwendigen Bedingungen dafür schafft, daß das juristische Moment in den gesellschaftlichen Beziehungen vollständige Bestimmtheit” erlangt [ 42 ] – wie entwickeln sich dann die Widersprüche (die das Recht einerseits reguliert, die es andererseits produzieren) in diesem Prozeß selbst, der die Vollendung der Rechtsform darstellt und die Verwirklichung des höchsten Grades ihrer Eigentümlichkeit?

Die Überwindung der Schwierigkeiten in der Theorie von Paschukanis, die eingangs festgestellt wurden, sowie die Möglichkeit, sie als Werkzeug zur Analyse der Gegenwart zu benutzen, hängt von der Antwort auf diese Frage ab. Es ist nämlich so, daß es sich, jenseits der schon beobachteten Doppeldeutigkeit, so verhält, daß sich der Begriff des Rechts nicht einfach aus der Warenwelt ableitet, sondern aus dem Wertgesetz, aus dem Funktionieren des Wertgesetzes, aus seiner Tendenz wie aus seinen Resultaten. Indem sie das Verhältnis zwischen den Widersprüchen und der Tendenz vertieft, konstituiert sich die marxistische Wissenschaft als eine außerordentlich praktische Revolutionswissenschaft.

Ein wesentlicher Teil der Argumentation von Paschukanis ist methodologischer Natur. Das erste Kapitel seiner Allgemeinen Rechtslehre, überschrieben “Die Methoden der Konstruktion des Konkreten in den abstrakten Wissenschaften” [ 43 ], ist eine ausgezeichnete Lektüre und neuerliche Ausarbeitung der Marxschen Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie [ 44 ]. Die drei grundlegenden Begriffe, die daraus aufgenommen werden, sind die bestimmte Abstraktion der Totalität, das Prinzip der dialektischen Determination, schließlich das Prinzip der Tendenz. Diese Begriffe, sagt Paschukanis, “treffen auch auf die allgemeine Rechtslehre ohne weiteres zu. Auch in diesem Falle muß die konkrete Totalität, also Gesellschaft, Bevölkerung, Staat, das Ergebnis und die Endstufe unserer Betrachtungen, nicht aber ihr Ausgangspunkt sein.” [ 45 ] Dies wird durch den Umstand ermöglicht, daß man, im Unterschied zu den Naturwissenschaften, in den Gesellschaftswissenschaften “als Pendant zur Geschichte dieses Begriffs (des Wertes, d. Verf.), als Teil der Geschichte der Volkswirtschaftslehre, auch eine reale Geschichte des Wertes haben, d. h. eine Entwicklung der menschlichen Beziehungen, die diesen Begriff allmählich zur geschichtlichen Wirklichkeit gemacht haben.” [ 46 ] “Somit entspricht die Entwicklung der Begriffe der realen Dialektik des historischen Prozesses. … Somit existiert auch das Recht in seinen allgemeinen Bestimmungen, das Recht als Form, nicht nur in den Köpfen und Theorien der gelehrten Juristen. Es hat eine parallele reale Geschichte, die ich nicht als gedankliches System entfaltet, sondern als ein besonderes System von Verhältnissen, die die Menschen eingehen, nicht aus bewußter Wahl, sondern weil sie dazu durch die Produktionsverhältnisse gezwungen werden. Der Mensch wird zum Rechtssubjekt kraft derselben Notwendigkeit, die das Naturprodukt in die mit der rätselhaften Eigenschaft des Wertes ausgestattete Ware verwandelt.” [ 47 ] Wenn das zutrifft, dann “können wir klare und erschöpfende Definitionen nur erhalten, wenn wir unserer Analyse die voll entwickelte Rechtsform zugrunde legen, die die vorhergehenden Rechtsformen als ihre eigenen Embryonen wiedererkennt. Nur in diesem Falle erfassen wir das Recht nicht als Zubehör der abstrakten menschlichen Gesellschaft, sondern als eine historische Kategorie, die einem bestimmten, auf der Gegensätzlichkeit privater Interessen aufgebauten gesellschaftlichen Milieu entspricht.” [ 48 ] Die übergreifende Dialektik des historischen Prozesses ist es, der das Recht in jenes “höchste Entwicklungsstadium” [ 49 ] führt, von dem aus der gesamte Prozeß betrachtet werden kann. Es ist nun diese Materialität der tendenziellen Entwicklung, bei der man sich aufzuhalten hat. Als herrschaftliche Form des gesellschaftlichen Verhältnisses muß das Recht in dieser Tendenz so seine Keimform zeigen, wie in der Keimform die Anweisung auf die Potenz der Entwicklung gezeigt werden kann. In seiner Bewegung ist auch das Recht eine “Abstraktion in actu” [ 50 ], aber die Wienschaft deckt seine Materialität auf. Was macht nun die Bedeutung der Bewegung aus? “Das Bestreben, der Idee der äußeren Regelung zum grundlegenden logischen Moment im Recht zu machen, führt zur Identifizierung des Rechts mit der autoritär festgesetzten gesellschaftlichen Ordnung. Diese Strömung des juristischen Denkens spiegelt getreu den Geist der Epoche wider, in der Manchestertum und freie Konkurrenz von den großkapitalistischen Monopolen und der imperialistischen Politik abgelöst wurden.” [ 51 ] In diesem Horizont vertieft sich der Gegensatz von privat und öffentlich, zwischen der Organisation der Interessen und dem kapitalistischen Kommando – der doch “die charakteristischste Eigenheit der Rechtsform als solcher” ist -, “sowohl von der logischen als auch von der historischen Seite aus.” [ 52 ] Die Tendenz der kapitalistischen Entwicklung und die ihrer juristischen Form geht auf die Verschärfung der Widersprüche, die das Recht in nuce überwacht und mystifiziert. In der verwirklichten Tendenz zeigt sich die mystifizierte Entstehung des Rechts.

Paschukanis vermag dieses Niveau der Analyse nicht durchgängig zu halten. Der nach Marx richtige Vorschlag zur Methode erreicht bei der Näherung an die Wirklichkeit zwar das Niveau dieser Voraussicht, allerdings nur im Vorübergehen, nur, indem sie sie streift. Der Gehalt der Analyse ist enttäuschend. Denn wen die Tendenz das ausschlaggebende ist, wie läßt sie sich dann mit der Absage an den Normativismus in Einklang bringen? Das ist die Frage, die sich Paschukanis stellen muß. Und seine Antwort besteht in einem Salto mortale in den Utopismus: “Man kann unschwer beweise, daß die Idee der unbedingten Unterwerfung unter eine äußere normsetzende Autorität mit der Rechtsform nicht das geringste zu tun hat.” [ 53 ] “Das Staatsrecht kann nur als Abglanz der privatrechtlichen Form in der Sphäre der politischen Ökonomie existieren oder aber s hört überhaupt auf, Recht zu sein. Jeder Versuch, die gesellschaftliche Funktion als das darzustellen, was sie ist, d. h. einfach als gesellschaftliche Funktion, und die Norm einfach als organisatorische Regel, bedeutet den Tod der Rechtsform. Die reale Voraussetzung für eine solche Aufhebung der Rechtsform ist jedoch ein Zustand der Gesellschaft, in dem der Widerspruch zwischen individuellen und gesellschaftlichen Interessen überwunden ist.” [ 54 ] Ist denn das die Möglichkeit! In Wirklichkeit hatte die Näherung an die Tendenz erwiesen, daß die kapitalistische Entwicklung in ihrem höchsten Stadium darauf zielt, Organisation und Kommando so voneinander zu trennen wie die Macht von der Legitimation der Macht; dies in zwar näherungsweisen, aber realen Begriffen, wie immer, wenn es sich um tendenzielle Gesetze handelt [ 55 ] Es wird nicht die Privatrechtsmythologie dieses Paschukanisschen Formalismus sein, die die Nachdrücklichkeit dieses Prozesses verschleiert. Sicherlich, der Prozeß bestimmt sich seiner Tendenz nach durch Näherungen und durch einige Verwicklungen hindurch, aber es ist doch ebenso wahr, daß er sich schlußendlich in Begriffen zeigt, die jenen, die Paschukanis gebraucht, direkt entgegenstehen. “So kann der Begriff ‘öffentliches Recht’ selbst nur in seiner Bewegung entwickelt werden, in der er gleichsam fortwährend von dem Privatrecht abgestoßen wird, indem er sich als Gegensatz des letzteren zu bestimmen strebt und dann wieder zu ihm als zu seinem Schwerpunkt zurückkehrt.” [ 56 ] Keineswegs! Es ist das Staatsrecht, das dem bürgerlichen Recht im Zuge der Entwicklung eine nur dialektische Selbständigkeit zugesteht.

Dennoch, dieser gravierenden Einschränkungen zum Trotz, steht das Werk von Paschukanis genau im Zentrum des Themenkreises der Tendenz, indem es der Marxschen Analyse sehr verwandt ist und diese entwickelt, d. h. ihr, was die Methode betrifft, verwandt ist, und diese, was ihren Inhalt betrifft, entwickelt. Dies in erster Linie, weil Paschukanis hier tatsächlich zeigt, wie die Determination der juristischen Form, ob positiv, ob negativ, nur in der Bewegung der Tendenz möglich ist; in zweiter Linie, weil er die Tendenz als die Resultante wesentlich antagonistischer Funktionen begreift. Soweit die Perspektive der Methode. Unter dem Gesichtspunkt der Substanz betrachtet – und unbeschadet dessen (wie wir noch sehen werden), wie strikt seine Auffassung andererseits den Grenzen des kommunistischen Programms der Sowjetunion seiner Zeit verbleibt – vom Standpunkt des Inhalts aus also richtet sich Paschukanis’ Blick vor allem auf die Bestimmung des Kommandos als des ausschlaggebenden Moments der Entwicklung (oder auch der Zerstörung) des Rechts, wenn auch der juristischen Tendenz des Kapitalismus in seinem “höchsten und letzten Stadium”. Dieses Programm zieht implizit das nicht so sehr methodologische als vielmehr substantielle Verständnis des Zusammenhangs von Recht und Mehrwert nach sich, oder, besser gesagt, des Nexus von Recht und Ausbeutungsgeschehen in der Begrifflichkeit des Mehrwerts. Was wir schon in Bezug auf die Analyse des Rechts in der Warenwelt entwickelt haben, zeigt sich hier in dynamischer, in historischer Form. Die Analyse der Funktionsweise der Widersprüche wird selbst zur Tendenz, macht sich zur Geschichte des Prozesses der Ausbeutung und der Klassenkräfte, die hinter ihr stehen. Nur in der Perspektive dieser Tendenz, der sich selbst verwirklichenden Tendenz also, kann und wird die Totalität eines gesellschaftlichen Phänomens, im vorliegenden Fall das d es Rechts, tatsächlich eingeschätzt werden können.

Eben dies ist auch der Standpunkt von Marx. Aber um den Beweis dafür zu führen, ist es unumgänglich, erneut auf jenen Punkt zurückzukommen, an dem die Definition des Rechts als einer Form des kapitalistischen Verhältnisses von Warenbesitzern dem geschichtliche Zusammenhang der Ausbeutung gegenüberstellt. “Das Kapital setzt also die Lohnarbeit, die Lohnarbeit setzt das Kapital voraus. Sie bedingen sich wechselseitig; sie bringen sich wechselseitig hervor. … Das Kapital kann sich nur vermehren, indem es sich gegen Arbeit austauscht, indem es Lohnarbeit ins Leben ruft.” [ 57 ] Der Durchgang durch die Geschichte ist entscheidend. Denn darin kehrt das Recht als Form des kapitalistischen Verhältnisses zwischen Warenbesitzern vollständig wieder als Form des Verhältnisses von Arbeitskraft und Kapital, d. h. als Form des Mehrwerts. Das Recht ist die Form der Beziehung zwischen der Organisation der Ausbeutung und dem Kommando über die Ausbeutung. Es ist dies nur dann, wenn das Kapital diese Beziehung bis hinein den Grund treibt, und nur in diesem Augenblick wird die Rolle des Rechts zentral; es zeigt sich dann, “wie die Teilung der Arbeit größere Teilung der Arbeit, die Anwendung der Maschinerie größere Anwendung der Maschinerie, das Arbeiten auf großer Stufenleiter Arbeiten auf größerer Stufenleiter notwendig nach sich zieht.” [ 58 ] Ist das Recht also eine autoritative Form des gesellschaftlichen Verhältnisses, dessen Zweck die Produktion von Mehrwert darstellt? Und insbesondere des relativen Mehrwerts – in Form einer Produktion, die, sie produziere was immer, stets den Primat der Organisation für die Ausbeutung produziert? Dies ist die erst Hypothese, die man der Marxschen Analyse zuschreiben muß. Die zweite besteht darin, daß die Entwicklung des Kapitals nach Marx tendenziell auf die Erkenntnis der Symbiose der Organisation der Arbeit und des Kommandos über die Arbeit führt. Ohne die Bejahung der ersten Frage kann man sich nicht in die Debatte um die zweite einmischen. Gehen wir also Schritt für Schritt vor. Es ist allein diese Kette von Verhältnissen, die sich selbst konstituieren, die die Grundlage einer dynamischen Betrachtung des Rechts à la Paschukanis bieten kann.

Dem Kapital zufolge, überschreitet der Horizont, innerhalb dessen das moderne Recht sich zu konkretisieren beginnt, sofort das Niveau der ursprünglichen Akkumulation. Die Paarung von ursprünglicher Akkumulation und Gewalt ist nicht mit der von Ökonomie und Recht identisch; ein “von Natur freier Markt” oder ein “gesellschaftlicher Naturzustand”, die durch die Gewaltsamkeit der ursprünglichen Akkumulation vereitelt würden, haben mit dem Recht nicht das mindeste zu schaffen und sind nur utopische Verzierungen eines vergangenen Gesellschaftszustandes. “Nur sobald die Menschen sich aus ihren ersten Tierzuständen herausgearbeitet, ihre Arbeit selbst also schon in gewissem Grad vergesellschaftet ist, treten Verhältnisse ein, worin die Mehrarbeit des einen zur Existenzbedingung des andern wird. … Das Kapitalverhältnis entspringt übrigens auf einem ökonomischen Boden, der das Produkt eines langen Entwicklungsprozesses ist. Die vorhandne Produktivität der Arbeit, wovon es als Grundlage ausgeht, ist nicht Gabe der Natur, sondern einer Geschichte, die Tausende von Jahrhunderten umfaßt.” [ 59 ] Vielmehr, indem er sich auf diese Voraussetzungen stützt, untersucht er Schatzbildung und Wucher als wesentliche Übergänge aus der “natürlichen” Gesellschaft (der ursprünglichen Akkumulation) in die Gesellschaft des Kapitals. Marx bemerkt: “Was das zinstragende Kapital, soweit es ein wesentliches Element der kapitalistischen Produktionsweise bildet, vom Wucherkapital unterscheidet, ist in keiner Weise die Natur oder der Charakter dieses Kapitals selbst. Es sind nur die veränderten Bedingungen, unter denen es fungiert, und daher auch die total verwandelte Gestalt des Borgers, der dem Geldverleiher gegenübertritt.” [ 60 ] Die “veränderten Bedingungen”, unter denen Verträge geschlossen werden, die “veränderten Bedingungen” des Kapitalverhältnis: das ist der springende Punkt. Ein Kapital das, wie das Wucherkapital, “die Exploitationsweise des Kapitals besitzt ohne seine Produktionsweise” [ 61 ] verändert das gesellschaftliche Verhältnis nicht grundlegend. Dazu bedarf es seiner Verinnerlichung durch das Kapital, d. h. der Einverleibung der Gesellschaft durch das Kapital bis in ihre molekulare Struktur, die Fabrik; nur dann kann von kapitalistischer Gesellschaft und also vom Recht als einer Form des kapitalistischen Tausches, des Tausches zwischen Warenbesitzern in der Gesellschaft des Kapitals, überhaupt die Rede sein. Dessen bedarf es, daß sich das Kapital aller Bedingungen der Produktivität bemächtigt, dessen also, um es mit Marx zu sagen, daß das Kapital aus der Phase der Produktion des absoluten Mehrwerts in die der Produktion des relativen übergeht. Dies “revolutioniert” tatsächlich “durch und durch die technischen Prozesse der Arbeit und die gesellschaftlichen Gruppierungen”, denn “die Produktion des relativen Mehrwerts … unterstellt … eine spezifisch kapitalistische Produktionsweise, die mit ihren Methoden, Mitteln und Bedingungen selbst erst auf Grundlage der formellen Subsumtion der Arbeit unter das Kapital naturwüchsig entsteht und ausgebildet wird. An die Stelle der formellen tritt die reelle Subsumtion der Arbeit unter das Kapital.” [ 62 ] Von diesem Augenblick an ist die Gewalt des Kommandos in der Arbeit selbst präsent, ihrer Organisation; erst jetzt nimmt das Recht seine eigentümliche Gestalt als Form des Tausches an und d. h. im Falle des Tausches zwischen Arbeitskraft und Kapital, als Form des Mehrwerts.

Das Recht und die Verwertung des Werts: Folglich ist es vor allem der Doppelcharakter des Prozesses der Entwicklung des relativen Mehrwerts, der Verbindung von Organisation und Gewalt, von Produktion und Kommando, durch den hindurch die Form des bürgerlichen Rechts dahin gelangt, sich in seiner ganzen Komplexität durchzusetzen. “Das Kapital ist also nicht nur Kommando über Arbeit, wie A. Smith sagt. Es ist wesentlich Kommando über unbezahlte Arbeit”; es ist daher zuerst Organisation und Kommando. Und an zweiter Stelle ist es die Macht, vermittels des “Geheimnisses von der Selbstverwertung des Kapitals” [ 63 ], nicht nur alle Spuren der Teilung des Arbeitstages in notwendige und Mehrarbeit zu verwischen, sondern auch alle Spuren der Verbindung zwischen der Organisation der Arbeit und dem Kommando über die Ausbeutung. zu tilgen. Auf diesem Geheimnis “beruhn alle Rechtsvorstellungen des Arbeiters wie des Kapitalisten, alle Mystifikationen der kapitalistischen Produktionsweise, alle ihre Freiheitsillusionen, alle apologetischen Flausen der Vulgärökonomie.” [ 64 ] Wie ein unsichtbares Gewebe durchzieht das Recht die gesamte Dauer der Mehrwertproduktion, seine Form entsteht aus der kapitalistischen Verschleierung des Mehrwerts. Nichtsdestoweniger ist das Recht, wie Paschukanis hervorhebt, eine Realität, damit es mystifizierte Form sein kann. Es ist unmittelbar Organisation und Gewalt: Der gesamte Prozeß der Mehrwertproduktion, der von der einfachen Kooperation zu den höchsten Form der kapitalistischen Produktionsweise führt, weist nach Marx diese unmittelbare Funktion des Rechts wie seiner entsprechenden Formwandlungen auf. Auf den ersten Blick scheint es einfach nur die Verschleierung der produktiven Kooperation zu sein, die kapitalistische Version des contractum unionis. [ 65 ] Aber in Wirklichkeit verinnerlicht sich diese seine Funktion sofort, und der contractum unionis offenbart sich als contractum subjectionis. Bis hi erher, sagt Marx, erscheint “das Kommando des Kapitals über die Arbeit nur als formelle Folge davon, daß der Arbeiter statt für sich, für den Kapitalisten und daher unter dem Kapitalisten arbeitet”. Das war einmal. Aber in der Kooperation verwandelt es sich zur Notwendigkeit und wird zur unumgänglichen Voraussetzung. “Mit der Kooperation vieler Lohnarbeiter entwickelt sich das Kommando des Kapitals zum Erheischnis für die Ausführung des Arbeitsprozesses selbst, zu einer wirklichen Produktionsbedingung. Der Befehl des Kapitalisten auf dem Produktionsfeld wird jetzt so unentbehrlich wie der Befehl des Generals auf dem Schlachtfeld.” Daher wird “diese Funktion der Leitung, Überwachung und Vermittlung, zur Funktion des Kapitals, sobald die ihm untergeordnete Arbeit kooperativ wird.” Aufs Neue scheint es, als stelle sich das ausschlaggebende Moment der Transformation als neue Organisationsform der Arbeit dar. Aber der Eindruck trügt: die Unterwerfung der Arbeiter ist durch die Organisation des Kapitals “möglich” geworden, “wirklich” wird sie seiner Struktur und seiner Natur wegen, d. h. seines Drangs zur maximalen Selbstverwertung. “Die Leitung des Kapitalisten ist nicht nur eine aus der Natur des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses entspringende und ihm angehörige besondre Funktion, sie ist zugleich Funktion der Ausbeutung eines gesellschaftlichen Arbeitsprozesses und daher bedingt durch den unvermeidlichen Antagonismus zwischen dem Ausbeuter und dem Rohmaterial seiner Ausbeutung.” Die Unterordnung der Arbeiter wächst “in diesem Zusammenhang mit dem Umfang der Produktionsmittel, die dem Lohnarbeiter als fremdes Eigentum gegenüberstehen” sowie “mit der Masse der gleichzeitig beschäftigten Arbeiter” [ 66 ], bis den Arbeitern schließlich “der Zusammenhang ihrer Arbeiten … ihnen …ideell als Plan, praktisch als Autorität des Kapitalisten gegenüber, als Macht eines fremden Willens, der ihr Tun seinem Zweck unterwirft.” Wenn daher “die kapitalistische Leitung dem Inhalt nach zwieschlächtig ist, wegen der Zwieschlächtigkeit des zu leitenden Produktionsprozesses selbst, welcher einerseits gesellschaftlicher Arbeitsprozeß zur Herstellung eines Produkts, andrerseits Verwertungsprozeß des Kapitals” – so ist sie jedenfalls “der Form nach despotisch. Mit der Entwicklung der Kooperation auf größrem Maßstab entwickelt dieser Despotismus seine eigentümlichen Formen.” [ 67 ] Aber damit ist es noch nicht getan: Nachdem die Verknüpfung von Organisation und Kommando über den gesamten Fabrikationsprozeß ausgeübt wurde, kehrt sie in die Fabrik zurück und reproduziert sich darin solange, bis “der funktionierende Arbeitskörper eine Existenzform des Kapitals” darstellt: “Die aus der Kombination der Arbeiten entspringende Produktivkraft erscheint daher als Produktivkraft des Kapitals. Die eigentliche Manufaktur unterwirft nicht nur den früher selbständigen Arbeiter dem Kommando und der Disziplin des Kapitals, sondern schafft überdem eine hierarchische Gliederung unter den Arbeitern selbst.” [ 68 ] Das Fabrikregime mit der ihm eigenen Hierarchie und Disziplin, mit seinen Gesetzbüchern, ” worin das Kapital seine Autokratie über die Arbeiter, ohne die sonst vom Bürgertum so beliebte Teilung der Gewalten …, privatgesetzlich und eigenherrlich formuliert”, “der gesetzgeberische Scharfsinn dieser Fabrik-Lykurge” zudem schaffen eine “kasernenmäßige Disziplin” [ 69 ] – dieses Regime setzt die letzte und fundamentale Gestalt des Rechts in seinem direkten Bezug auf die Produktion des relativen Mehrwerts.

Und doch, ausgerechnet in dem Augenblick, in dem die Verknüpfung von Recht und Mehrwert ihre größte Intensität erreicht zu haben scheint, oder, besser gesagt: gerade in dem Moment, in dem die Dialektik von Organisation und Kommando deren Identität geschaffen zu haben scheint, in diesem Moment tut sich erneut der schärfste Antagonismus auf. Die Mystifikation beginnt sich aufzuklären, und ihre Bestandteile fangen an, Sprengkraft zu entwickeln. Wenn es zutrifft, daß das, “was die Teilarbeiter verlieren, sich ihnen gegenüber im Kapital konzentriert” [ 70 ], dann ist es ebenfalls wahr, daß dies den Raum des heftigsten Antagonismus eröffnet. Berufen, der autoritäre Garant der Mehrwertproduktion zu sein, wird das Recht an vorderster Front in die Krise verstrickt. “Die Maschinen,” bemerkt Marx, ” revolutionieren … von Grund aus die formelle Vermittlung des Kapitalverhältnisses, den Kontrakt zwischen Arbeiter und Kapitalist.” [ 71 ] Es war einmal die Voraussetzung dieses Tauschverhältnisses, daß die Personen als völlig freie darein einwilligten: Jetzt verhält es sich genau umgekehrt, weil “die von der Maschine bewirkte Revolution im Rechtsverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer der Arbeitskraft” dahin geführt hat, “daß die ganze Transaktion selbst den Schein eines Kontrakts zwischen freien Personen verliert [ 72 ].” Diese Krise des Rechts ist jedoch nicht nur eine Krise seines Inhalts, sie geht sehr viel tiefer und erreicht unverzüglich auch die Rechtsform selbst. Denn im Zentrum des Antagonismus, der sich hier freie Bahn bricht, steht das Schicksal des Kommandos, sich immer mehr absondern zu müssen, steht der Zwang, daß die Erfordernisse der Verallgemeinerung und Konzentration des kapitalistischen Kommandos mehr und mehr aus sich selbst heraus gelten müssen. Wie sich der Mehrwert nach seiner Erzeugung in seine verschiedenen Erscheinungsformen verwandelt, so auch das Recht. “War es selbst bei seinem Eintritt in den Produktionsprozeß persönlich erarbeitetes Eigentum seines Anwenders, früher oder später wird es ohne Äquivalent angeeigneter Wert oder Materiatur, ob in Geldform oder anders, unbezahlter fremder Arbeit.” [ 73 ] Im Zuge dieser Entwicklung des Kapitals entwickelt sich sowohl die Masse des Mehrwerts, den es abwirft, als auch die es begründenden gesellschaftlichen Verhältnisse. “Der Arbeiter selbst produziert daher beständig den objektiven Reichtum als Kapital, ihm fremde, ihn beherrschende und ausbeutende Macht, und der Kapitalist produziert ebenso beständig die Arbeitskraft als subjektive, von ihren eignen Vergegenständlichungs- und Verwirklichungsmitteln getrennte, abstrakte, in der bloßen Leiblichkeit des Arbeiters existierende Reichtumsquelle, kurz den Arbeiter als Lohnarbeiter. Diese beständige Reproduktion oder Verewigung des Arbeiters ist das sine qua non der kapitalistischen Produktion.” [ 74 ] Schließlich “produziert der kapitalistische Produktionsprozeß, im Zusammenhang betrachtet oder als Reproduktionsprozeß, also nicht nur Ware, nicht nur Mehrwert, er produziert und reproduziert das Kapitalverhältnis selbst, auf der einen Seite den Kapitalisten, auf der andren den Lohnarbeiter.” [ 75 ] Diesem ökonomischen Prozeß ist das Recht unmittelbar inhärent, weil es einen Ausdruck seiner Form darstellt, insoweit es nämlich sowohl mit der Verallgemeinerung der kapitalistischen Organisation als auch mit der gleichzeitigen Konzentration der Gewalt gegen die Gesellschaft, und überdies mit dem Mechanismus der permanenten Reproduktion des Kapitalverhältnisses organisch verbunden ist. Denn wenn “die Akkumulation die Eroberung der Welt des gesellschaftlichen Reichtums ist”, dann “dehnt sie mit der Masse des exploitierten Menschenmaterials zugleich die direkte und die indirekte Herrschaft des Kapitalisten aus.” [ 76 ]

Die Widersprüche, die das Erscheinen des Antagonismus und seiner Krise auslöst, kommen unmittelbar zur Geltung. An erster Stelle erhebt sich erneut der Widerspruch zwischen Fabrik und Gesellschaft, zwischen der Akkumulation und der Reproduktion des Kapitalverhältnisses einerseits, seinen allgemein en gesellschaftlichen Bedingungen andererseits. “Dasselbe bürgerliche Bewußtsein, das die manufakturmäßige Teilung der Arbeit, die lebenslängliche Annexation des Arbeiters an eine Detailverrichtung und die unbedingte Unterordnung der Teilarbeiter unter das Kapital als eine Organisation der Arbeit feiert, welche ihre Produktivkraft steigre, denunziert daher ebenso laut jede bewußte gesellschaftliche Kontrolle und Reglung des gesellschaftlichen Produktionsprozesses als einen Eingriff in die unverletzlichen Eigentumsrechte, Freiheit und sich selbst bestimmende ‘Genialität’ des individuellen Kapitalisten. Es ist sehr charakteristisch, daß die begeisterten Apologeten des Fabriksystems nichts Ärgres gegen jede allgemeine Organisation der gesellschaftlichen Arbeit zu sagen wissen, als daß sie die ganze Gesellschaft in eine Fabrik verwandeln würde.” Denn in Wirklichkeit verhält es sich so, daß “die Anarchie der gesellschaftlichen und die Despotie der manufakturmäßigen Arbeitsteilung einander in der Gesellschaft der kapitalistischen Produktionsweise bedingen.” [ 77 ] Aber an zweiter Stelle steht ein anderer, viel gravierenderer Widerspruch – gravierender nach Maßgabe dessen, daß der Widerspruch zwischen Fabrik und Gesellschaft mittelfristig dazu tendiert, sich aufzulösen: Es ist dies der Widerspruch zwischen der Äußerlichkeit und Konzentration des Kommandos zu den übergreifenden gesellschaftlichen Bedingungen der Produktion. “Man hat gesehn, daß die wachsende Akkumulation des Kapitals eine wachsende Konzentration desselben einschließt. So wächst die Macht des Kapitals, die im Kapitalisten personifizierte Verselbständigung der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen gegenüber den wirklichen Produzenten. Das Kapital zeigt sich immer mehr als gesellschaftliche Macht, deren Funktionär der Kapitalist ist und die in gar keinem möglichen Verhältnisse mehr zu dem steht, was die Arbeit eines einzelnen Individuums schaffen kann – aber als entfremdete, verselbständigte gesellschaftliche Macht, die als Sache, und als Macht des Kapitalisten durch diese Sache, der Gesellschaft gegenübertritt. Der Widerspruch zwischen der allgemeinen gesellschaftlichen Macht, zu der sich das Kapital gestaltet, und der Privatmacht der einzelnen Kapitalisten über diese gesellschaftlichen Produktionsbedingungen entwickelt sich immer schreiender und schließt die Auflösung dieses Verhältnisses ein …” [ 78 ] Machen wir uns klar, daß das Kapital jede Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Arbeit verloren hat. Aber dies ist der Augenblick, in dem die Form des Mehrwerts jede legitime Beziehung zu den Funktionen verliert, die die Form tragen: Organisation und Kommando müssen auch dann fraglos gelten, wenn das legitimierenden Funktionierens des Wertgesetzes nicht in Kraft ist. Die Entwicklung, die mit der zwar mystifizierten, gleichwohl wirklichen Symbiose von Organisation und Kommando begonnen hat, explodiert im Widerspruch. Die Tendenz verschärft die Aufspaltung von Begriffen, die sonst eine Einheit darstellen oder die – in den mystifizierten Formen des Rechts – diese Einheit rechtfertigen. Die höchste Intensität des Antagonismus zwischen den unmittelbaren Produzenten und den Produktionsmitteln (die das Kommando über sie ausüben), ist zugleich der tendenzielle Abschluß des Prozesses. [ 79 ] “Die kapitalistische Produktion selbst hat es dahin gebracht, daß die Arbeit der Oberleitung, ganz getrennt vom Kapitaleigentum, auf der Straße herumläuft.” [ 80 ] Und soweit die “Arbeit der Oberleitung” vermittels des Rechts ausgeübt wird, läuft es darauf hinaus, daß sich das Recht mit dem einfachen Kommando identifiziert – und d. h. mit der Hegemonie des öffentlichen Rechts, genauer: des Staates als der Vorherrschaft einer politischen Vernunft, die die Organisation und die Aufrechterhaltung des Kommandos ausdrückt, das jetzt, wie willkürlich und gewaltsam auch immer, alle Äquivalenz des Tausches beherrschen muß und jede Fiktion juristischer Legitimität.

Damit sind wir am Ende dieser Überlegungen angelangt. Zwei Vermutungen von Marx konnten mit Nachdruck verifiziert werden: erstens, daß das Recht zum innersten Wesen der Produktion des relativen Mehrwerts gehört, und zweitens, daß die kapitalistische Entwicklung zum Bruch der symbiotischen Einheit von Organisation der Arbeit und Kommando über die Arbeit führt, indem sie das Kommando zur absoluten Funktion verselbstständigt. Und genau auf der Grenze der Einsicht in diese Tendenz beweist sich der Marxismus von Paschukanis. Denn er versteht, daß die Tendenz – man siehe dazu nur den Satz: “Die Hauptmasse des Kapitals wird ganz und gar zur unpersönlichen klassenmäßigen Kraft” – in deren Verlauf das Privateigentum (und das bürgerliche Recht dazu) zur bloßen Hülle einer Situation werden, “in der die tatsächliche Herrschaft sich weit über den juristischen Rahmen hinaus erstreckt.” Und weiter: “Diese praktische Veränderung im juristischen Gewebe konnte nicht spurlos an der Theorie der Theorie vorübergehen” [ 81 ]; daher rührt der Versuch der bürgerlichen Rechtswissenschaft, Elemente des bürgerlichen Rechts und des Staatsrechts zu vermischen und gewissermaßen einen “Juristensozialismus” zu erfinden, der einzig und allein den allgemeinen Interessen der Kapitalmacht als solcher entspricht. In diesem Punkt läßt die Aufklärung, die Paschukanis über die “Sozialisierung” als Projekt von Kapital, Staat und Recht gibt, nichts zu wünschen übrig. Gewiß, das bedeutet nicht die Verstoßung des Rechts, wie Paschukanis zuweilen anzunehmen scheint: sondern dies ist die neue Form, die das Recht annimmt, soweit es ein bloßer Durchschreibesatz und eine Garantie der Verwertung ist. “Auch das Faustrecht ist ein Recht”, bekräftigt Marx in einem Zitat, das Paschukanis anführt. [ 82 ] Die Unterschätzung der Gestalt des Rechts, die durch die Verwertung hervorgebracht wird, tut der zutreffenden Definition somit keinen Abbruch, die er für die Resultate der juristischen Entwicklung des Kapitals gibt. “Wer eine lebendige Erscheinung in ihrer Entwicklung darstellen will, der gerät unweigerlich und unumgänglich in ein Dilemma: entweder vorauseilen oder zurückbleiben” [ 83 ]: wenn es wirklich so sein sollte, dann zahlt Paschukanis nur eine geringe Zeche für die Risiken der marxistischen Revolutionswissenschaft.

3. Recht und Gesamtkapital

Wenn das Leben des Kapital aber nichts anderes ist als der Prozeß der Verwertung des Werts, und wenn es also dem Rhythmus der Tendenz unterliegt, dann besitzt auch die reine Ideologie ihre eigene Kraft: wenn das Gesetzt wissenschaftlich nur als “Produkt der materiellen Produktionsverhältnisse” verstanden werden kann, dann erscheinen, rein “vom Standpunkt der juristischen Illusion betrachtet …, umgekehrt die Produktionsverhältnisse als Produkt des Gesetzes.” [ 84 ] Gleichwohl sind sie zuweilen wirksam, die ideologische Mystifikation bringt die Realität nicht zum Verschwinden. An diesem Punkt nun muß die Kritik ihren Bezug zur Realillusion, zur Welt des mystifizierten Bewußtseins, vertiefen. Diese Weiterung ist wesentlich – denn es ist nicht damit getan, die juristische Norm als Moment der Warenwelt zu definieren, die Warenform zu analysieren, diese mit der Form des Mehrwerts zu verknüpfen und den Prozeß seiner Verwertung zu rekonstruieren, es genügt nicht, den Antagonismus der Tendenz zu identifizieren, und auch nicht, politisch auf die revolutionäre Lösung des Antagonismus zu setzen. Darüber hinaus gilt es, den Mechanismus der Illusion zu durchdringen und ihn in seiner Bestimmtheit zu entmystifizieren. Die Konfrontation zwischen der Arbeiterwissenschaft und der Jurisprudenz kann nicht nur im allgemeinen stattfinden, sie muß sich auch den Einzelheiten widmen und dem je besonderen Fall. Das ist vor allem für uns selbst wichtig, denn der Akkumulationsprozeß des Kapitals hat, indem er sich verallgemeinert hat, das Recht dazu gebracht, sein Strickmuster zu erneuern – es bemüht sich nun um das bestmögliche Verständnis des Wertgesetzes, es wiegt sich in der Illusion einer Effektivität jenseits der Widersprüche, und es ist um so nachdrücklicher bestrebt, die explosiven Widersprüche, denen es unterliegen muß, zu verbergen, je mehr sich die Tendenz verwirklicht. Kann Paschukanis in dieser Angelegenheit gar nichts beitragen? Hat er dazu nichts materialistisch Fundiertes zu sagen?

“Indessen unterliegt es keinem Zweifel, daß die marxistische Theorie nicht nur den materiellen Inhalt der rechtlichen Regelung in den verschiedenen Geschichtsepochen untersuchen muß, sondern auch eine materialistische Auslegung der rechtlichen Regelung als bestimmter historischer Form geben muß.” [ 85 ] Das soll bedeuten, daß, wenn es die Aufgabe zu sein hat, von der Totalität der Bestimmungen und der wirklichen Mystifikationen zu handeln, es zudem nötig ist, zur Analyse ihrer Form als einer bestimmten Funktion der Warenwelt aufzusteigen und sodann zu ihrer Analyse in der Entwicklung des Mehrwerts, und das soll weiterhin bedeuten, daß von der Analyse der Tendenz notwendig zu den Prinzipien des Rechts fortzuschreiten ist, d. h. zu ihrer kritischen Betrachtung als einer Funktion eines bestimmten Stadiums der Produktion und der Zirkulation des Mehrwerts. Nur so “dialektisiert” sich der historische Materialismus und wird, indem er den grobschlächtigen Gegensatz von Basis und Überbau hintersichläßt, zu einem brauchbaren Instrument der Analyse. Soweit Paschukanis. Und das heißt, daß eine marxistische Betrachtung des Rechts weder einfach vom Standpunkt der Geschichte der politischen Ökonomie aus unternommen werden kann noch vom Standpunkt der materialistischen Rechtskritik, was letztlich beides auf dasselbe hinausläuft: um es in heutiger Begrifflichkeit zu sagen, geht es genau um den Punkt, an dem sich die Geschichtlichkeit der juristischen Praxis und die äußerste Determination des Mechanismus der Kapitalsherrschaft treffen, um den Punkt daher, in dem die Geschichte der Ausbeutung und das Regime der Produktionsverhältnisse in eines fallen. Nur von hier aus ist es möglich, die Analyse der Besonderheit des Rechts und seiner Entwicklung zu vertiefen.

Die methodologischen Klarheit von Paschukanis’ Untersuchung stößt jedoch sofort mit einer empirischen Antithese zusammen. Tatsächlich stellt sich Paschukanis hier zum ersten Mal die Frage danach, was das Recht seinem Wesen nach sein soll, und dies nicht im Verhältnis zur politischen Ökonomie, sondern im Verhältnis zu juristischen Tatbeständen, d. h. er stellt sich das Problem der Wirklichkeit und des Wesens der juristischen Wissenschaft, und er stellt diese Frage im Rahmen einer Betrachtung, die eine übergreifende und systematische Perspektive als Fundament der Analyse abgeben soll. Was nun? Ist das Recht ein in sich stimmiges Schema, ein übergreifendes Moment des inneren Aufbaus der Wirklichkeit? Ist es derart beschaffen, daß die Geltung der Normen und die Wirksamkeit der Ordnung sich decken und sich wechselseitig legitimieren? Oder ist das Recht nur ein technisches Schema, derart, “daß die juristischen Begriffe, die den Sinn der Rechtsform ausdrücken, das Produkt irgendwelcher willkürlicher Erfindungen darstellen” [ 86 ]? Diese Antithese, die wir bei Paschukanis finden, charakterisiert seine Theorie durchgängig, und das heißt: sie bietet eine fundamentale Antinomie zwischen einer Betrachtungsweise, die mit der Entwicklung der Tendenz verbunden ist, und einer anderen, die in der marxistischen Kritik der Normen verankert ist. Es ist das Verdienst von Paschukanis, diese Antinomie derart drastisch dargestellt zu haben. Auf den ersten Blick scheint sich Paschukanis jedoch einigermaßen konfus in dieser Antinomie zu bewegen. Einerseits der furiose Angriff auf Kelsen und auf das neukantianische Rechtsverständnis im allgemeinen, eine Attacke, die ihnen einen technischen Begriff des Rechts anlastet und dann auch nachweist; wenn sich auch in der Allgemeinen Rechtslehre (vom Standpunkt der Formanalyse) keine systematisch entwickelte Zurückweisung dieser Position finden läßt. [ 87 ] Tatsächlich ist seine Kritik an Kelsen (am frühen Kelsen [ 88 ]) äußerst harsch: dessen “unerschrockene Folgerichtigkeit” wird als reductio ad absurdum des neukantianischen Dualismus von Sein und Sollen eingeschätzt [ 89 ] und die reine Theorie als eine Art “Schachspiel” [ 90 ], im übrigen “drückt der extreme Formalismus der normativen Schule (Kelsen) zweifellos die allgemeine Dekadenz des bürgerlichen wissenschaftlichen Denkens der jüngsten Zeit aus, das sich in fruchtlosen methodologischen und formal-logischen Spiegelfechtereien erschöpft und mit der eigenen vollständigen Loslösung von der realen Wirklichkeit Staat macht. In der nationalökonomischen Theorie nehmen wohl die Vertreter der mathematischen Schule en entsprechenden Platz ein.” [ 91 ] Dem folgt der Angriff auf jede Theorie der Herstellung juristischer Normen, die genetisch – d. h. vom Standpunkt des objektiven Rechts – vorgehen will und die sich auf das sich selbst rechtfertigende Schema der formalen Geltung stützt. [ 92 ] Schließlich wird der Angriff gegen den Staatsbegriff Kelsens vorgetragen, der bei ihm “überhaupt nur als gedanklicher Gegenstand, als ein geschlossenes System von Normen oder Verpflichtungen existiert” [ 93 ]. Nun gut, dieser Angriff könnte nicht stärker und umfassender sein, um so weniger, als Paschukanis seitens des orthodoxen historischen Materialismus Stuckas angespornt wird. Von diesen kritischen Voraussetzungen ausgehend, finden wir den gemeinsamen Nenner des Paschukanisschen Institutionalismus und der technizistischen Versuchungen seines juristischen Marxismus. “Der mehr oder minder ungehinderte Gang der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion – die sich in der warenproduzierenden Gesellschaft formell auf dem Wege einzelner privater Rechtsgeschäfte vollzieht – ist der praktische Zweck der rechtlichen Vermittlung.” [ 94 ]

Von der anderen Seite jedoch lastet der Druck des Schemas der Tendenz, der Form und der Totalität auf Paschukanis. Von hier aus führt er den Angriff auf jede technische oder psychologische Konzeption der Rechtswissenschaft, die die wissenschaftliche Reflektion über das Recht in nichts als bloßem, so objektfixierten wie chaotischen und empiristischen Positivismus par excellence verschließt. In dieser Perspektive kehrt ein gewisser Formalismus, der zuvor zur Tür herausgejagt worden ist, durchs Fenster wieder herein, jetzt angetrieben von der Erörterung der Entwicklungsrichtung der Warenform. Nach Paschukanis’ Auffassung scheint die gesellschaftliche Entwicklung eine bestimmte Eigenschaft anzunehmen, die die juristische Entwicklung einseitig und eindeutig festlegt. Die Polemik gegen den reinen Positivismus läßt Raum genug für einen Begriff des Rechts als einer kohärenten Wirksamkeit, für einen Begriff, der mindestens überwiegend optimistisch ist. Gegen Kelsen entwickelt sich die gleiche Polemik. “Sogar der konsequenteste Anhänger der normativen Methode, Hans Kelsen, mußte zugeben, daß der idealen normativen Ordnung auf irgendeine Weise ein Stück realen Lebens, d. h. faktischen Verhaltens der Menschen, beigegeben werden muß.” [ 95 ] Allerdings heißt dies zugestehen auch zugeben, daß die Tatsache, daß Kelsen – seit seiner Schrift Der soziologische und der juristische Staatsbegriff [ 96< /a> ] – bemüht war, die Lehre von der Geltung des Rechts mit der von seiner tatsächlichen Wirksamkeit zusammenzuführen, die Darstellung eines höheren Niveaus bedeutet, auf dem die Differenzen abnehmen. Und dies nach und nach in dem Maße, indem sich die festgefügte Realität des Rechts selbst verhältnismäßig öffnet, sei es in Richtung der konstruktiven Idealität des Systems der Normen, sei es in Richtung der begründenden Positivität der Gesamtheit aller Tatsachen. Wenn der polare Gegensatz von Norm und Tatsache (oder Verhältnis) erneut zusammengefügt wird, dann kann das Paschukanissche Beharren auf einem seiner Elemente ihn nicht vom übergreifenden und systematischen Projekt der Rechtswissenschaft befreien. Jedenfalls haben ihn seine polemischen Mitdiskutanten nicht von ungefähr bezichtigt, er wolle eine “reine Jurisprudenz” [ 97 ] konstruieren: Und in diesem Zusammenhang scheint der Vorwurf, obwohl er durch den Reichtum der Analyse, die Paschukanis bietet, doch sehr eingeschränkt wird, dennoch den wunden Punkt zu treffen. Die Welt der Geltung der Normen sollte der Effektivität der Ordnung untergeordnet werden; wenn aber die Austauschbarkeit des Horizonts total ist, dann gibt es keine Differenz: sie bestünde nur noch in der Privilegierung eines Gesichtspunktes in einer gleichwohl kohärenten Totalität.

Tatsächlich gibt es in der Allgemeinen Rechtslehre nur das Kapitel “Recht und Staat” [ 98 ], in dem es Paschukanis, der diesbezüglich bis dahin mit nicht sehr bestimmten Resultaten auskommen mußte, gelingt, der Antinomie schließlich Herr zu werden. Das Verhältnis zwischen den beiden zur Beschreibung der juristischen Wirklichkeit wesentlichen Momenten entwickelt sich in dieser Schlußfolgerung dahingehend, tatsächlich als ein dialektisches gefaßt zu werden: Die unvermittelte Alternative transformiert sich, wissenschaftlich schlüssig, in einen Prozeß. Paschukanis beginnt diese Schlußfolgerung so einzuleiten: “Wenn man uns also den Rechtsverkehr als einen organisierten und wohlgeordneten Verkehr darstellt und so Recht und Rechtsordnung identifiziert, so vergißt man, daß in Wirklichkeit die Ordnung nur Tendenz und Endergebnis (und noch dazu ein durchaus nicht vollkommenes), nie aber Ausgangspunkt und Voraussetzung des Rechtsverkehrs ist.” [ 99 ] Das Recht und die Rechtsordnung müssen daher ihre abstrakte Identität in die konkrete Bewegung der Tendenz auflösen. Damit wird das gesamte methodologische und materielle Projekt der Analyse, die auf diesen Punkt geführt hat, mit den Problemen konfrontiert, die auf der Tagesordnung stehen: Wenn die Tendenz das Synthetisierende darstellt, aber Einheit nur schaffen kann auf der Grundlage eines notwendigerweise antinomischen Verhältnisses, dann führt das eben darauf, daß der Nexus zwischen Recht und Ordnung sich der Kritik der Rechtswissenschaft als einheitlich und antagonistisch zugleich präsentiert. Und das heißt: Wenn der Staat, als juristische Ordnung betrachtet, das Produkt des Gerichtsprozesses darstellt, dann erfüllt er die “Rolle des Garanten des zu dem Tauschgeschäft unerläßlichen Friedens” [ 100 ]; und was das angeht, ist seine Funktion ganz und gar aktuell. Und wenn gleichzeitig “die juristische, d. h. rationalistische Deutung des Machtphänomens nur mit der Entwicklung der Geldwirtschaft und des Handels möglich wird” [ 101 ] – dann genügt schon diese Feststellung, um uns daran zu hindern, die Sphäre des Staates und des Rechts über Gebühr zu bewerten. Der Staat ist das Produkt des Gerichtsprozesses, er ist aber nicht die Totalität des Gerichtsprozesses. “Der Staat als Organisation der Klassenherrschaft und als Organisation für die Führung von äußeren Kriegen erheischt keine rechtliche Deutung, er läßt sie sogar gar nicht zu. Es ist dies ein Gebiet, in dem die sogenannte Staatsraison regiert, die nichts anderes ist als das Prinzip der nackten Zweckmäßigkeit. Die Macht als Garant des Marktaustausches kann dagegen nicht nur in der Sprache des Rechts ausgedrückt werden, sondern stellt sich selbst als Recht und nur als Recht dar, d. h. verschmilzt ganz mit der abstrakten objektiven Norm. Darum ist jede juristische Staatstheorie, die alle Funktionen des Staates erfassen will, notwendigerweise inadäquat. Sie kann keine treue Spiegelung aller Tatsachen des staatlichen Lebens sein, sie gibt nur einen ideologischen, d. h. verzerrten Widerschein der Wirklichkeit.” [ 102 ]

Somit sind wir im Herz der marxschen Fragestellung. Die Irreduzibilität des Staates auf das Recht und ihr strikter dialektischer Zusammenhang zugleich, der sie aneinander fesselt, sind der marxschen Analyse des übergreifenden Kapitals stets gegenwärtig. “Die gegensätzliche gesellschaftliche Bestimmtheit des stofflichen Reichtums”, schreibt Marx, “sein Gegensatz zur Arbeit als Lohnarbeit ist, getrennt vom Produktionsprozeß, schon im Kapitaleigentum als solchem ausgedrückt. Dies eine Moment nun, getrennt vom kapitalistischen Produktionsprozeß selbst, dessen stetes Resultat es ist und als dessen stetes Resultat es seine stete Voraussetzung ist, drückt sich darin aus, daß Geld, und ebenso Ware, an sich, latent, potentiell, Kapital sind, daß sie als Kapital verkauft werden können und daß sie in dieser Form Kommando über fremde Arbeit sind, Anspruch auf Aneignung fremder Arbeit geben, daher sich verwertender Wert sind. Es tritt hier auch klar hervor, daß dies Verhältnis der Titel und das Mittel zur Aneignung fremder Arbeit ist und nicht irgendeine Arbeit als Gegenwert von Seite des Kapitalisten.”[ 103 ] Die Latenz und die Potenzialität des Staates als einer der Arbeit entgegengesetzten Macht bedeutet im gleichen Augenblick die Selbstauflösung der Macht und ihre Selbstzerlegung in den gültigen Rechtstitel und in das wirksame Mittel der Aneignung. [ 104 ] Gelegentlich der Erörterung der Bildung des Durchschnittszinses vertieft und entfaltet Marx dieses Konzept weiter [ 105 ]: Hier verbindet sich die Irreduzibilität des Profits als der Norm der Entwicklung mit dem Zins als der notwendigen Vermittlung, damit sich die Einzelkapitalisten im Markt bewegen können. “Gewohnheit und Rechtstradition” spielen eine ausschlaggebende Rolle bei der Konstruktion dieser Vermittlung – die letztlich zeigt, daß sich die Allgewalt des Profits zu den Notwendigkeiten der “juristischen Personen” vermittelt. In diesem Sinne die Autonomie des Staates wie die des Profits im Gesamtprozeß der Gesellschaft dialektisch, indem sie zugleich das tatsächliche Kommando über diesen Prozeß aufrechterhalten. An diesem Punkt offenbaren alle romantischen Theorien vom Staat als eines keiner Vermittlung fähigen Molochs ihre vollendete Trivialität, nicht etwa deshalb, weil Staat und Profit keine Autonomie besäßen, sondern deshalb, weil sie diese nur in dem Maße besitzen, indem sie dem Prozeß der Produktion und Reproduktion der Ware zu Diensten stehen. [ 106 ]

Aber kehren wir zum Gedankengang von Paschukanis zurück. Als juristische Ordnung, so hieß es, ist der Staat das Produkt und die Garantie, die Latenz und die Potenzialität des Gerichtsprozesses, er ist nicht der Gerichtsprozeß selbst. Der Analyse, die sich darin vertieft, scheinen die Bedingungen soweit gegeben zu sein, um die Warenform auch in der Form Staat zu entziffern. Denn daß der Staat “die Partei” der herrschenden Klasse sei (und diesbezüglich scheint Paschukanis, durchaus im Sinne Lenins, einige Behauptungen von Engels zu berichtigen [ 107 ]), und daß der Staat, insofern er “Klassenstaat” ist, sich als direkte und als indirekte Herrschaft zugleich manifestiert, d. h. als Gewalt und als Recht in einem [ 108 ] – diese Thesen lösen allesamt nicht das Problem des Staates, sondern sie versinnbildlichen es einfach nur im Feld der Erscheinung und der polaren Gegensätze. Das Problem des Staates, “das für die Analyse keine geringeren Schwierigkeiten birgt als das Problem der Ware”, entsteht genau dann, wenn “neben der direkten und unmittelbaren Klassenherrschaft … eine mittelbare, reflektierte Herrschaft erwächst in Gestalt der offiziellen Staatsmacht als besondrer, von der Gesellschaft losgelöster Gewalt” [ 109 ]. Damit jedoch ist die Grundlage für die marxsche Lösung des Problems geschaffen, die, wie man gesehen hat, nur durch die Verdoppelung von Ordnung und Recht, von Gewalt und legitimatorischer Autorität hindurch gegeben werden kann. Aber gleichwohl, sagt Paschukanis, macht man mir “den Vorwurf, daß ich die Fragen der Herrschaft und Knechtschaft ohne Grund in die unbestimmte Sphäre der ‘Verdoppelung der Wirklichkeit’ verlege und ihnen bei der Analyse der Kategorie des Rechts nicht den entsprechenden Platz einräume” [ 110 ]. Nein, es ist genau diese dialektische Verdoppelung, die allein den besonderen juristischen Aspekt des Verhältnisses von Recht und Staat erklären kann! Nur diese Verknüpfung, deren Takt vom Funktionieren des Wertgesetzes geschlagen wird, gestattet Recht und Staat die selbständige Existenz und die einheitsstiftende Funktion, die ihnen das Kapital zuweist. “Insofern die Gesellschaft einen Markt darstellt, realisiert sich die Staatsmaschine tatsächlich als unpersönlicher Gesamtwille, als Macht des Rechts usw.” [ 111 ] Das ist dasselbe, als wollte man sagen: Nur das Höchstmaß an Organisation erlaubt das Höchstmaß der Unterordnung, nur das Recht in seiner allerdings dialektischen Oppositionsstellung verherrlicht die allgemeine Herrschaft des Menschen über den Menschen. Paradoxerweise besteht das einzig “Juristische”, das von einer Theorie des Staates zugestanden werden kann, darin, daß es “notwendig den Staat als eine von der Gesellschaft getrennte selbständige Gewalt setzen muß.” [ 112 ] Und das hat die Bourgeoisie durch ihre ganze Geschichte hindurch angestrebt, indem sie eben diesen Gedanken mithilfe der Doktrin des Rechtsnaturalismus im Zentrum der Entwicklung des Rechts eingewurzelt hat. [ 113 ] Aber auch die bürgerliche Lösung der Antinomie der Rechtswissenschaft ist geschichtlich determiniert und beschränkt. Die Tendenz zeigt, wie die Illusion einer Verbindung der Staatsfunktionen mit denen des Rechts in eine Explosion mündet. In dieser Perspektive wird die Analyse bewahrheitet, die bis an diesen Punkt geführt worden ist, von hier aus eröffnet sich ein neuer Horizont der wissenschaftlichen und politischen Reflexion. “Der Staat als Kraftfaktor in der Innen- und Außenpolitik – dies ist die Korrektur, die die Bourgeoisie an ihrer Theorie und Praxis des ‘Rechtsstaates’ vornehmen mußte. Je mehr die Herrschaft der Bourgeoisie erschüttert wurde, desto kompromittierender wurden diese Korrekturen, desto schneller verwandelte sich der ‘Rechtsstaat’ in einen körperlosen Schatten, bis endlich die außerordentliche Verschärfung des Klassenkampfes die Bourgeoisie zwang, die Maske des Rechtsstaates ganz abzuwerfen und das Wesen der Staatsmacht als der organisierten Gewalt der einen Klasse über die andere zu entlarven.” [ 114 ] Das besagt nichts anderes, als daß das Verhältnis von Staat und Rechtsordnung, von Effizienz und Geltung, auf dem das gesamte Konzept des Rechtsstaates und des Rechts in seinen neueren Entwicklungen beruht, überwunden und liquidiert wird durch die Herausbildung eines Willens der kapitalistischen Klasse, der sich im Angesicht des Arbeiterangriffs nicht mehr rechtfertigen kann, wenn nicht durch die probate Antwort, d. h. durch die notwendige Gewalt. Die ideologische Verschleierung des Rechtsstaates – einmal in seiner wirklichen Existenz als organisierende und legitimierende Kraft in den Jahrhunderten des Aufstiegs des Bürgertums betrachtet – stößt mit ihrer unversöhnlichen Alternative zusammen, mit dem Kommunismus. Der marxsche Radikalismus von Paschukanis’ Überlegungen wird noch nachdrücklicher bestätigt, wenn wir, um die zu Beginn dieses Abschnitts gestellten Fragen zu beantworten, sein Verfahren zur Analyse des gegenwärtigen Rechtsgeschehens verwenden. Denn darin ist die äußerste Grenze der Tendenz erreicht und wird die intensivste Verdoppelung des ideologischen Schemas von Staat und Recht durch die bürgerliche Praxis dargestellt.

Aber hören wir zu. Die antinomische Explosion der juristischen Dimension der Gegenwart, der Zusammenbruch der widersprüchlichen Kontinuität des formalen (juristischen) Schemas der Verwertung zeigen sich nicht als einfache Neuauflage des Rechtsstaates. Mag sein, daß sie anfangs als Versuch einer rigoroseren Auslegung der Kategorie Rechtsstaat auftreten, der eher in demokratischen und planwirtschaftlichen Termini verstanden werden soll als in liberalen und wirtschaftsliberalen. Aber mit welchem Ergebnis? Es ist der Rede nicht wert. Im Gegenteil liegt es eher am Scheitern des Versuchs, die Struktur des Rechtsstaates wieder zum Spiegel des Rhythmus der totalen Entfaltung des Wertgesetzes zu machen, daß dabei nichts anderes herauskommt als das zwar vorgreifende, aber schon definitive Bewußtsein dessen, daß es unmöglich sein wird, der antinomischen Natur des Rechts eine dauerhafte Form zu geben, d. h. eine Antinomie zu beherrschen, die um so gravierender wird, je mehr sich der Klassenantagonismus entwickelt. Nicht einmal dann, wenn der Rechtsstaat so energisch gedehnt und gestreckt wird wie in den Schriften des späten Kelsen [ 115 ], kann er den dringenden Notwendigkeiten der Epoche genügen: er bleibt trotzdem der Staat der Garantie des Privatrechts, damit ein Staat, der in der Form des Rechts nur das wahrnimmt und beschützt, was das Wirtschaftsleben von selbst hervorbringt. Gewiß, wenn Kelsen diese außerordentliche Kehre herausarbeitet, die den Staat dahin führt, aus einem “bloßen Punkt der Zuschreibung”, aus einem “nur personifizierten Ausdruck der normativen Ordnung” und einem “letzten Bezugspunkt all der hoheitlichen Akte, die als spezifisch normierende betrachtet werden, der allgemeinen Kreuzung, auf die sich alles und jedes bezieht, was als Staatshandeln betrachtet wird” [ 116 ] zum dynamischen Moment der Gesetzesproduktion zu werden und sich als der Bezugspunkt aller Bedingungen der Ordnung darzustellen, indem er auf strikteste Weise sowohl das konstituierende als auch das exekutive Moment ausdrückt [ 117 ] – gewiß, wenn Kelsen diese Wendung in seinen späteren Werken wieder aufnimmt und neu bewertet (wozu ihn die Sozialwissenschaften ermutigen), dann mag das neue Modell nähergerückt sein: Geltung und Effektivität, der Mechanismus der Herstellung der Normen und die Garantie ihrer Wirksamkeit, der Prozeß der Deduktion und jener der Induktion scheinen sich zu identifizieren und wechselseitig zu bedingen. Es scheint, als sei der Rhythmus des Wertgesetzes, das den Arbeitsprozeß und den Verwertungsprozeß, die Organisation und das Kommando, die Kooperation und die Subordination als Momente einer durchgängigen Kontinuität und einer unzerstörbaren Synthesis haben will, verstanden worden. Aber in Wirklichkeit kann solch ein Prozeß niemals tatsächlich verstanden und zugleich in juristischen Begriffen mystifiziert werden, solange nicht der “prunkvolle Katalog der ‘unveräußerlichen Menschenrechte'” [ 118 ], solange nicht “Freiheit, Gleichheit, Eigentum und Bentham” [ 119 ] beiseitegelegt sein werden. Denn in der Struktur des Kapitals hat sich ein qualitativer Sprung ereignet, de r diese Formeln obsolet werden läßt, und das Niveau der Klassenkämpfe gestattet es nicht, diese ihre Antiquiertheit zu verkennen. “Das Kapital, das an sich auf gesellschaftlicher Produktionsweise beruht und eine gesellschaftliche Konzentration von Produktionsmitteln und Arbeitskräften voraussetzt, erhält hier direkt die Form von Gesellschaftskapital … im Gegensatz zum Privatkapital, und seine Unternehmungen treten auf als Gesellschaftsunternehmungen im Gegensatz zu Privatunternehmungen. Es ist die Aufhebung des Kapitals als Privateigentum innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise selbst.” [ 120 ] Es ist jetzt diese neue Form des Kapitals, auf die die neue Rechtswissenschaft sich anwenden muß. Und es ist diese neue Form des Kapitals, die sowohl Kelsen wie allen Apologeten des Staates über den Horizont geht.

Allerdings gestaltet sich diese Anwendung um einiges schwerer, als viele sich vorstellen können, insbesondere die gegenwärtigen Juristen, die vor allem anderen Kritiker Kelsens sind: Der “Sozialstaat” und der “Planstaat” führen in Wirklichkeit ein so vergängliches Leben wie die Rechtswissenschaft, die sich ihnen widmet. [ 121 ] Und diese ihre kurzlebige Existenz haben sie nicht, damit man diesen Abbildern, diesem Ablauf des Wertgesetzes, juristische Solidität verleihen kann, denn sie stellen keine harten Tatsachen dar. Die Geschichte der Rechtswissenschaft seit dem Schwarzen Freitag von 1929 scheint wirklich nur der logisch kohärente Versuch zu sein, Recht und Staat eine gesellschaftliche und proletarische Basis zu verschaffen (früher oder später wird es nötig werden, sich mit diesem Thema vom Arbeiterstandpunkt aus umfassend auseinanderzusetzen [ 122 ]). Nichts ist aus dem geworden, was damals geplant wurde: nichts aus der Aufwertung der Arbeit (des Wertgesetzes) zum einzigen Kriterium der Verwertung, nichts aus der Fundierung der wirklichen Verfassung in der Arbeit, nichts aus der Kritik der Einkommensordnung, nichts aus der Kritik des Dogmas von der Herrschaft des Gesetzes, nichts aus Neuordnung der Gesetzgebung im sozialen, konfliktuellen und planenden Staat, nichts aus der Definition gerichtlicher Funktionen, die unmittelbar Recht schöpfen und unmittelbar in der Praxis anwenden. Paradoxerweise war die Rechtswissenschaft – vor allem in ihren Randgebieten, dem Arbeits- und Verwaltungsrecht, zum Teil auch im Planungsrecht – um eine wahrhaft kapitalistische Version des “Absterbens des Staates” bemüht, zuweilen hat sie sogar mit Vorsatz eine Art “permanente Revolution” nachgeäfft. Vergebens: allen Bemühungen um die Aufklärung des Kapitals zum Trotz haben diese Versuche der Verherrlichung der konkreten Arbeit zum Zwecke der Reduktion des Rechts auf reine Prozessualität, haben diese Pläne vom “Sozialstaat” als demokratischer Programmierung und Garten Eden der freien Arbeit nur das wahrhaft unabwendbare Funktionieren des Wertgesetzes bewiesen, daß das Gesetz der Ausbeutung ist. Aus dem dialektischen Abenteuer des neuen Rechts ist eine Sysiphos-Arbeit geworden. Die ganze Geschichte hat den Arbeitern außerdem gezeigt, daß alle politischen “Umwälzungen diese Maschine vervollkommneten statt sie zu brechen.” [ 123 ]

Das Kapital verlangt vielmehr seinerseits auf einmal nach dem Recht, denn der Arbeiterkampf hat gewisse Krisenmomente sogar der Wissenschaft vom Recht injiziert. Es ist zwar sinnlos, aber “der politische Ökonom wendet auf diese fertige Welt des Kapitals mit desto ängstlicherem Eifer und desto größerer Salbung die Rechts- und Eigentumsvorstellungen der vorkapitalistischen Welt an, je lauter die Tatsachen seiner Ideologie ins Gesicht schreien.” [ 124 ] Keine Idylle ist mehr möglich, weil sich dem Gesamtkapital eine vergesellschaftete und vereinheitlichte Klasse konfrontiert. Vom Standpunkt des Kapitals betrachtet, hat sich das Verhältnis von Recht und Staat darauf auszurichten, diesem Antagonismus die größte Wachsamkeit zu widmen; die Tendenz der Bewegung hin zur Explosion in einer unvermittelten Polarität, die die Entwicklung des Wertgesetzes auch der Rechtsform aufherrscht, muß präsent gehalten werden. Wenn sich der Antagonismus der Tendenz nicht mehr, wie im Rechtsstaat, vermittels einfacher Verschleierung beherrschen läßt, wenn er sich nicht mehr, wie im Sozial- und Planstaat, aus seinem Inneren regulieren läßt, dann wird es darum gehen, ihn einfach anzuerkennen und zu unterdrücken. Die Verdoppelung von Staat und Recht, die Paschukanis mit Marx als auf den Klassenkampf gegründete verstanden hatte, wiederholt sich als fundamentale Tendenz in der Krise des Planstaates. [ 125 ] Was die Rechtswissenschaft betrifft, so wiederholt das Chaos, das in ihr herrscht, das Bewußtsein sowohl der wirklichen Krise wie ihrer gegenwärtigen Unfähigkeit, sie zu beherrschen.

4. Der Klassenkampf und die Auslöschung des Rechts

Paschukanis läßt sich also auch nichtrevisionistisch lesen. Gewiß, die Widersprüche seines Denkens sind zahlreich, aber ist es doch immer möglich, inmitten dieses Fadenknäuels, in dem sie sich oft durchkreuzen, den roten Faden der marxistischen Analyse und des revolutionären Projektes wiederzufinden. Jetzt wollen wir andererseits versuchen, weniger in summarischen Begriffen zu einem Verständnis der Widersprüche im Denken Paschukanis’ zu gelangen, als vielmehr die historische Ursache dieser Widersprüche aufzufinden, die in eben der Thematik des Überganges und der politischen Schranken gründen, innerhalb derer die russische Revolution und der Bolschewismus gezwungen waren, sich dieser Frage zu stellen. Denn es ist von eminenter Bedeutung für das Verständnis seines Denkens, zu begreifen, warum Paschukanis in erster Linie ein Revolutionär war und auch sein wollte, der sich an den Nöten und Schicksalen der Massen beteiligt.

Daher sind es im wesentlichen zwei Fragen, die der Gegenstand selbst zu erörtern uns auferlegt: zum einen die nach dem Verhältnis von Recht und Übergang, zum anderen die nach dem Verhältnis von Klassenkampf und Recht. Nur im Vergleich der tatsächlichen Realität der kapitalistischen Entwicklung und der vorwärtstreibenden Kraft des Klassenkampfs beginnt das Problem der Vernichtung des Rechts sich auf angemessene Weise zu stellen.

Wie Marx hatte Paschukanis nicht den geringsten Zweifel daran, daß das Recht nicht nur eine Form der Gesellschaft des Kapitals darstellte, sondern einzig und allein eine Erscheinung der Gesellschaft des Kapitals. Es gibt kein proletarisches Recht. Denn der “Übergang zum entfalteten Sozialismus” wird “das Absterben von Kategorien des bürgerlichen Rechts … das Absterben des Rechts überhaupt bedeuten, d. h. das Verschwinden des juristischen Moments aus den Beziehungen der Menschen zueinander.” [ 126 ] Und schon heute verhält es sich einerseits so, “daß die Rechtsform als solche in unserer Übergangsperiode nicht jene unbeschränkten Möglichkeiten in sich birgt, die sich ihr in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft in deren Geburtsstunde eröffneten. Im Gegenteil schließt sie uns nur zeitweilig in ihre engen Horizonte ein. Sie existiert nur, um sich endgültig zu erschöpfen.” [ 127 ] Seinen Kritikern, den ersten Theoretikern eines proletarischen Rechts, antwortet er mühelos nach Maßgabe der marxschen Kritik des Gothaer Programms und Lenins Staat und Revolution. [ 128 ]

Andererseits macht sich Paschukanis wenig Illusionen bezüglich der Einschätzung der realen Lage in Sowjetrußland: er bezeichnet das ganze gegenwärtige ökonomische System als “proletarischen Staatskapitalismus”, und auch seine spätere Selbstkritik ändert nichts an der Festigkeit seiner Überzeugung. [ 129 ] Mehr noch: die Neue Ökonomische Politik (NÖP) erscheint ihm als das, was sie auch war, als ein extrem hinter dem zurückgebliebenes Stadium dessen, was die marxsche Analyse als Grundbedingung der schrittweisen Vernichtung des Rechts angenommen hatte. [ 130 ] Das berührt nicht seine Überzeugung, daß die sowjetische Gesellschaft einige unter dem Aspekt der Auslöschung des Rechts bedeutsame Erscheinungen aufweist, aber diese sind im wesentlichen symbolischer Natur. Ihre Einschätzung unterliegt den enggesteckten Grenzen des ablaufenden Prozesses – der eben der Prozeß der Festigung der kapitalistischen Struktur des Staates ist. Im proletarischen Staatskapitalismus scheint es so, als gebe es zwei verschiedene Wirklichkeiten des Tausches: die erste besteht in einem Wirtschaftsleben, das einer vernünftigen, nicht marktförmigen Modalität folgt, und dem “entspricht die Methode der unmittelbaren, d. h. technisch-bestimmenden Anweisungen in der Gestalt von Programmen, Produktions- und Distributionsplänen usw.” [ 131 ] Aber andererseits “haben wir eine in der Form des Werts zirkulierender Waren und folglich in der Form von Rechtsgeschäften sich ausdrückende Verbindung zwischen wirtschaftlichen Einheiten.” [ 132 ] Es ist evident, resümiert Paschukanis, “daß die erste Tendenz keinerlei Aussichten für ein Aufblühen des juristischen Handwerks bietet. Der allmähliche Sieg dieser Tendenz bedeutet das allmähliche Absterben der Rechtsform überhaupt. [ 133 ] Was jedoch die zweite Tendenz betrifft, so scheinen ihr die Permanenz und die Reproduktion der Rechtsform eine selbstverständliche Notwendigkeit zu sein; Paschukanis will es jedoch scheinen, als ob, im gleichen Maße, in dem “in der proletarischen Diktatur trotz Fortbestehen des Marktaustausches die Interessengegensätze innerhalb der nationalisierten Industrie aufgehoben” werden, sie “die Absonderung oder Autonomie einzelner Wirtschaftsorganismen (nach dem Muster der privatwirtschaftlichen Autonomie) nur als Methode aufrechterhalten” kann [ 134 ].

Man mag über die “wenigen” Illusionen lächeln, die Paschukanis in dieser Sache hegt. Dennoch, einmal abgesehen von seiner überbordenden Begeisterung für die juristischen Formen des Kriegskommunismus – der nichts anderes ist als eine Methode der direkten Aneignung -, ist die Perspektive der Paschukanisschen Argumentation viel umfassender und angemessener: die wirklichen Schranken werden in ihrer Höhe erkannt, nicht aber von ihrer Höhe herab. Der wirkliche Grund dafür ist, daß Paschukanis hier, hinter diesen kaum merklichen Hinweisen, das ausschlaggebende Moment der Frage nach dem Übergang erkennt, nämlich die Selbstkonstitution, d. h. nicht so sehr die Selbstkonstitution der unbedeutenden und vernachlässigenswerten Formen der Vernichtung des Rechts (die nur ein Ausdruck der Armut und der vorkapitalistischen Bedingungen der Rückständigkeit sind, außerdem der verzweifelten Not, die den sofortigen Eingriff erfordert), sondern vielmehr die Selbstkonstitution des Staates, der die Gesellschaft als ganze unter Anklage stellt, und dies gemäß eines tendenziellen Prozesses, der die Antagonismen auf die Spitze treibt und der darin, und nur darin, den Weg zu einem Übergang öffnet, der durch die proletarischen Kämpfe gebildet wird. Hier wird die voranweisende, modernisierende und also revolutionäre Funktion der russischen Revolution erkannt, die insofern besteht, als sie das höchste Niveau des Antagonismus bestimmt. Und tatsächlich fängt das Recht dann an, sich den Bedingungen seiner Selbstvernichtung ausgesetzt zu sehen, wenn der Staat, wie die gegenwärtige Staatsform zeigt, in seiner neuen kapitalistischen Gestalt die Notwendigkeit zeigt, gegen das Recht das Kommando hervorzuheben. Die Analyse, die Paschukanis in Sachen des proletarischen Staatskapitalismus vorträgt, beinhaltet deshalb, wenn auch nicht ausdrücklich, so doch im Filigran, die Analyse des kapitalistischen Staates der Gegenwart. In beiden Fällen stellt sich das Problem des Übergangs durch die Bestimmung des Widerspruchs zwischen dem Recht als einer Form des Tauschwerts und dem Kommando des kapitalistischen Staates hindurch. Wenn der subjektive Wille als Beweis gegen den kapitalistischen Staat des Proletariats aufgeboten wird, so ändert das weder etwas an der Realität des Problems noch löst es dieses. Im Schlepptau des Übergewichts der Tendenzanalyse hingegen, denen er das Recht und den Staat der Bourgeoisie unterzogen hatte, erahnt Paschukanis hier in Wirklichkeit das Übergangsproblem und das der Bedingungen der Auslöschung des Rechts, und er formuliert es in präziser Begrifflichkeit. Das Problem sitzt inmitten des unhintergehbaren Widerspruchs zwischen dem Staatskapitalismus und dem Tauschwert als dem Gesetz der gesamtgesellschaftlichen Warenproduktion und -zirkulation. Es ist dies nur ein andere Formulierung dafür, daß der Rechtsstaat endgültig tot ist und daß der Zusammenbruch der Staatsform, die sich die Bourgeoisie, um zu existieren und um sich entwickeln zu können, auf den Leib zugeschnitten hatte, die tatsächlichen und prinzipiellen Voraussetzungen eröffnet, das Übergangsproblem als ein Terrain darzustellen, das die Arbeiterkämpfe durchqueren müssen, d. h. als eine zu verwirklichende Möglichkeit. [ 135 ]

Dennoch, das Problem, einmal korrekt gestellt, ist noch weit davon entfernt, gelöst zu sein. Im Gegenteil, es ist noch komplizierter geworden, weil es in einen Tendenzzusammenhang gestellt wurde, der extrem objektivistisch konnotiert ist (wenn man einmal von der Betrachtung der hier nicht interessierenden Übergangsbedingungen absieht, die die Lage in Rußland aufweist). Aber kann es in Wirklichkeit einen besseren Weg zur Lösung des Problems geben? Kann eine theoretische Bedingung aufgefunden werden, die es möglich macht, den Tendenzzusammenhang der Übergangsthematik und die Analyse der in ihr wirksamen subjektiven Kräfte in ein dialektisches Verhältnis zu setzen? In genau diesem, im Innersten dialektischen Verhältnis sind die Mindestbedingungen einer wirklichen Annäherung an die wirkliche Lösung des Problems angesiedelt, wenn wir es uns – im Licht der vorzüglichen Analysen von Marx und Engels – erneut vor dem Hintergrund der neuesten revolutionären Erfahrung zu stellen haben; und es ist etwas Neues, daß, ausgehend von diesem höchsten Niveau der Analyse, der gesamte Entwurf der marxistischen Revolutionswissenschaft in einem anderen Licht erscheint. [ 136 ] Aber zurück zu Paschukanis: Sind die allgemeinen Voraussetzungen, unter denen sich seine revolutionäre Problemstellung entwickelt, so beschaffen, daß sie ihm, über die richtige Annäherung an das Problem hinaus, einen verständigen und realistischen Versuch seiner Lösung gestatten?

Das ist gewissermaßen der springende Punkt, an dem sich alle Widersprüche auflösen. Trotz allen Willens, die Realität aufzusprengen, lastet der bolschewistische Ansatz der Analyse des Übergangs schwer auf Paschukanis (wie schon auf Lenin). Tatsächlich bleibt die ganze Argumentation durch ein Mißverständnis und eine Grenze beschränkt, es handelt sich um das Mißverständnis der Grenze, auf der dem Kapital tatsächlich der Garaus bereitet werden an. Der Bolschewismus stellt das Problem des Sozialismus und der Bedingungen der Auslöschung des Staates in Begriffen der Vergesellschaftung des Eigentums, der einfachen Wiederaneignung des Privateigentums: so soll das Marktverhältnis durch eine Organisation des gesellschaftlichen Eigentums und der gesellschaftlichen Arbeit ersetzt werden. Aber das genügt vorne und hinten nicht: Es ist nicht einfach nur das Privateigentum, dem der Arbeiterkampf gilt, sondern er geht gegen die Grundlage des Privateigentums, gegen das Wertgesetz der Arbeit als Basis des Eigentums und Norm d er Ausbeutung. Das Eigentum ist weiter nichts als die bestimmte Vergegenständlichung einer Entwicklungsstufe des kapitalistischen Kommandos und der Geltung des Wertgesetzes: “Die ‘Arbeit’ ist die lebendige Quelle des Privateigentums, das Privateigentum als die schöpferische Quelle seiner selbst. Das Privateigentum ist nichts als die vergegenständlichte Arbeit. Nicht allein das Privateigentum als sachlichen Zustand, das Privateigentum als Tätigkeit, als Arbeit, muß man angreifen, wenn man ihm den Todesstoß versetzen will. Es ist eines der größten Mißverständnisse, von freier, menschlicher, gesellschaftlicher Arbeit, von Arbeit ohne Privateigentum zu sprechen. Die ‘Arbeit’ ist ihrem Wesen nach die unfreie, unmenschliche, ungesellschaftliche, vom Privateigentum bedingte und das Privateigentum schaffende Tätigkeit. Die Aufhebung des Privateigentums wird also erst zu einer Wirklichkeit, wenn sie als Aufhebung der ‘Arbeit’ gefaßt wird, eine Aufhebung, die natürlich erst durch die Arbeit möglich geworden ist, d.h. durch die materielle Tätigkeit der Gesellschaft möglich geworden, keineswegs als Vertauschung der einen Kategorie mit einer andern zu fassen ist. Eine ‘Organisation der Arbeit’ ist daher ein Widerspruch. Die beste Organisation, welche die Arbeit erhalten kann, ist die jetzige Organisation, die freie Konkurrenz, die Auflösung aller frühern scheinbar ‘gesellschaftlichen’ Organisationen derselben.” [ 137 ] Gesellschaftliches Eigentum ist nicht aus sich selbst heraus die Voraussetzung der Auslöschung des Rechts, es ist, ganz im Gegenteil, auf das beste mit dem Fortschritt des Kapitals vereinbar, es ist, wie Marx uns erinnert, “die Aufhebung des Kapitals als Privateigentum innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise selbst” [ 138 ]. Und wenn die Argumentation der Marxisten auf einer überholten Ebene der Analyse stehenbleibt, dann kann sie sich nur in eine Reihe unentwirrbarer Widersprüche verstricken.

Eben das ist es, was Paschukanis passiert. Stets ist sein Denken ist eine Art Buchhaltung des Widerspruchs, den die Arbeiterbewegung mit sich führt, des Widerspruchs zwischen der Entlarvung des Eigentums und des Kampfes gegen das Eigentum einerseits, ihrer Determination durch das Wertgesetz und ihres Kampfes gegen das Wertgesetz andererseits. Ob er sich nun mit der begrifflichen Bestimmung des Rechts als einer Ware auseinandersetzt oder mit dem Problem der Rechtswissenschaft, ob er die Entwicklungstendenz des Rechts in der Gesellschaft des Kapitals untersucht oder den Übergang zum Kommunismus studiert – Paschukanis muß die Rechnung aufmachen, und dabei unterliegt er oft einer ungenügenden und beschränkten Vorstellung der Funktionsweise des Wertgesetzes, d. h. einer einseitigen Vorstellung vom Verlauf der Ausbeutung, die nur die unterentwickelte Geltung dieses Gesetzes in Rußland demonstriert. Das Recht rettet sich gewissermaßen aus dieser Lage, indem es sich mit der Legende vom gesellschaftlichen Arbeitsprozeß verbindet, der sich außerhalb des Verwertungsprozesses und quasi eigenlogisch entwickeln könne.

Aber Paschukanis hat doch immer die Kraft, diese Einseitigkeit der Analyse zu überwinden. Der Arbeits- und der Verwertungsprozeß können nur vom Standpunkt der Analyse aus unterschieden werden. Vom Standpunkt der revolutionären gesellschaftlichen Praxis dagegen bilden sie einen einzigen Block, das Subjekt der Ausbeutung und das Objekt der revolutionären Aktion. Das Recht ist keine Funktion, die vom Verwertungsprozeß abgekuppelt werden könnte, auch dann nicht, wenn man sie dem Arbeitsprozeß anhängen könnte. Falls dies doch geschieht, wenn sich der revolutionäre Prozeß sich auf einem neuen Niveau der Organisation der Arbeit bestätigt – nun gut, dann mag es eben unausweichlich sein. Aber mit der Frage des Übergangs hat das rein gar nichts zu tun, alles dagegen mit der nach der Entwicklung des Kapitals. Folglich kann das Recht, was das Thema des Übergangs zum Kommunismus angeht, nicht von der Ausbeutung abgelöst werden. Die Revolution will das Recht auch nicht haben, deshalb nicht, weil der Übergang, den die Arbeiter einfordern, nicht im theoretischen Gang der Kategorien der Analyse, nicht in den Kategorien von Arbeit und Wert begreifbar ist, weil er vielmehr eine Aktion ist, die die Totalität des Kapitalverhältnisses angreift und es als solches zerstört. Dann hat jedwede Illusion über die Arbeit und ihren Wert zu verschwinden. Der kommunistische Kampf wird folgerichtig zum Kampf gegen die Arbeit, gegen den Staat, gegen das Recht, das die besondere autoritäre Form des Verhältnisses von Staat und Organisation der Arbeit bildet.

Die neue Antwort auf die Frage nach dem Übergang und nach der Auslöschung von Recht und Staat wird daher nach Maßgabe der Radikalität dieser Voraussetzungen gegeben werden, die Paschukanis als den Nerv seiner gesamten Untersuchung erahnt hat. Der Weg dahin allerdings ist, in der Epoche von Paschukanis und innerhalb vergleichbarer Grenzen, nur von Lenin in Staat und Revolution ein Stück weit beschritten worden – und es ist Lenin, an den man sich zur Vertiefung des Thema so halten muß wie an die maoistische Theorie des ununterbrochenen Revolution als Form des Übergangs sowie an den Marx der Grundrisse und ihrer glänzenden theoretischen Antizipationen. [ 139 ]

Der Standpunkt der Totalität des Projektes der Zerstörung ist im Kampf der Arbeiterklasse stets gegenwärtig. Und zwar deshalb, weil in ihm stets die Instanz des Kampfs gegen die Arbeit gewärtig ist. In der Fabrik geht der Kampf weiter. Im Kapital, im Kapitel über den Arbeitstag, geht die marxsche Schilderung diesem Prozeß auf den Grund. In der Fabrik findet, was den Arbeitstag betrifft, “eine Antinomie statt, Recht wider Recht, beide gleichmäßig durch das Gesetz des Warenaustausches besiegelt.” Und Marx fährt fort: “Zwischen gleichen Rechten entscheidet die Gewalt.” “Und so stellt sich in der Geschichte der kapitalistischen Produktion die Normierung des Arbeitstags als Kampf um die Schranken des Arbeitstags dar – ein Kampf zwischen dem Gesamtkapitalisten, d.h. der Klasse der Kapitalisten, und dem Gesamtarbeiter, oder der Arbeiterklasse.” [ 140 ] Vom Arbeiterstandpunkt ist diese Normierung ein Ergebnis des Kampfes, die juristischen Bestimmungen sind Resultate des Kampfes gegen die Arbeit. “War das Règlement organique der Donaufürstentümer ein positiver Ausdruck des Heißhungers nach Mehrarbeit, den jeder Paragraph legalisiert, so sind die englischen Factory-Acts negative Ausdrücke desselben Heißhungers.” [ 141 ] “Die Fabrikgesetzgebung, diese erste bewußte und planmäßige Rückwirkung der Gesellschaft auf die naturwüchsige Gestalt ihres Produktionsprozesses, ist … ebensosehr ein notwendiges Produkt der großen Industrie als Baumwollgarn, Selfactors und der elektrische Telegraph.” [ 142 ] Paschukanis folgend, ist uns bereits die totale Vermittlungslosigkeit des Rechts mit dem Klassenkampf deutlich geworden, auch in der Übergangsperiode – jenseits der Beschränktheiten seiner Argumentation unter den Bedingungen des Übergangs in der UdSSR zu Zeiten der NÖP. Heute geht es darum, die Implikationen der neuen Bestimmung der marxschen Fremdheit des Arbeiters gegenüber dem Kapital zu verstehen. Bei Paschukanis beginnt sie sich dort zu zeigen, wo er sich, in den beiden letzten Kapiteln seines Buches [ 143 ], weigert, den Klassenkampf den neuen Normen des Rechtes zu unterwerfen, seien sie auch “sozialistisch”. Ist diese Weigerung, angesichts der Bedingungen des russischen Übergangs, utopistisch? Mag sein. Dennoch kann der polemischen Spannung, die seine Theorie ausmacht, durch ein derartiges Eingeständnis nicht die im mindesten die Spitze genommen werden. Denn sie geht genau ins Zentrum des Problems und stellt die Übergangsphase ins Jenseits jeder Chance einer revisionistischen Wiederaneignung von Paschukanis’ Denken: der Übergang kann einzig und allein ein Weg des Kampfes sein, ein Prozeß, in dem sich das Proletariat aller Vermittlungen entzieht, ein Prozeß der Entfremdung, der sich darstellt als der Kampf gegen jede institutionelle Vergegenständlichung des Kräfteverhältnisses der sich konfrontierenden Klassen. Es gibt keinen alternativen Gebrauch des Rechts, der diese Kämpfe ersetzen könnte. Es gibt keinen Doppelcharakter der Macht, der institutionell beherrscht werden könnte. Der Übergang unterscheidet sich von allen früheren Phasen der Herrschaft des Rechts nur dann, wenn er eine Periode von Kämpfen gegen die juristische Entfremdung ist, von Kämpfen, die sich keinem einzigen aufs Neue konstituierten Gleichgewicht einfügen lassen. Der Kampf gegen die Arbeit und gegen das Recht als besonderter Form der Organisation der Arbeit kann vor keiner Grenze haltmachen.

Gewiß: Falls sich tatsächlich, wie wir denken, diese theoretische Überzeugung aus Paschukanis herauslesen läßt, falls tatsächlich all’ die Widersprüche seines Denkens durch diese Spannung, die er mit lebhafter revolutionärer Unruhe zur Kenntnis nimmt, zum Tanzen gebracht werden können, so mag man darin noch einen Rest Utopie erkennen können. Aber auch sie läßt nach, wenn wir uns auf das Terrain der Tendenz begeben, die Paschukanis erahnt, die Marx beschrieben hat. Zum Beispiel dann, wenn Marx schreibt: “Die große geschichtliche Seite des Kapitals ist diese Surplusarbeit, überflüssige Arbeit vom Standpunkt des bloßen Gebrauchswerts, der bloßen Subsistenz aus, zu schaffen, und seine historische Bestimmung ist erfüllt, sobald einerseits die Bedürfnisse soweit entwickelt sind, daß die Surplusarbeit über das Notwendige hinaus selbst allgemeines Bedürfnis ist, aus den individuellen Bedürfnissen selbst hervorgeht, – andrerseits die allgemeine Arbeitsamkeit durch die strenge Disziplin des Kapitals, wodurch die sich folgenden Geschlechter durchgegangen sind, entwickelt ist als allgemeiner Besitz des neuen Geschlechts, – endlich durch die Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit, die das Kapital in seiner unbeschränkten Bereicherungssucht und den Bedingungen, worin es sie allein realisieren kann, beständig voranpeitscht, soweit gediehen ist, daß der Besitz und die Erhaltung des allgemeinen Reichtums einerseits nur eine geringere Arbeitszeit für die ganze Gesellschaft erfordert und die arbeitende Gesellschaft sich wissenschaftlich zu dem Prozeß ihrer fortschreitenden Reproduktion, ihrer Reproduktion in stets größerer Fülle verhält; also die Arbeit, wo der Mensch in ihr tut, was er Sachen für sich tun lassen kann, aufgehört hat. Kapital und Arbeit verhalten sich demnach hierin wie Geld und Ware; ist das eine die allgemeine Form des Reichtums, die andre nur die Substanz, die unmittelbare Konsumtion bezweckt. Als das rastlose Streben nach der allgemeinen Form des Reichtums treibt aber das Kapital die Arbeit über die Grenzen ihrer Naturbedürftigkeit hinaus und schafft so die materiellen Elemente für die Entwicklung der reichen Individualität, die ebenso allseitig in ihrer Produktion wie ihrer Konsumtion ist und deren Arbeit daher auch nicht mehr als Arbeit, sondern als volle Entwicklung der Tätigkeit selbst erscheint, in der die Naturnotwendigkeit in ihrer unmittelbaren Form verschwunden ist; weil an die Stelle des Naturbedürfnisses ein gesellschaftlich erzeugtes getreten ist.” [ 144 ]

Das ist es, das Terrain des Übergangs. Paschukanis gibt sich keine Rechenschaft darüber, wie furchtbar sein Abstand zu den russischen Bedingungen ist, gleichwohl gewinnt er aus deren Innerem ein immenses Bewußtsein der außerordentlichen Kraft des revolutionären Prozesses. Der Blick, mit dem er den Übergang untersucht, kann auf nichts anderes als auf die Herausbildung des neuen proletarischen Individuums gerichtet sein: und es ist der Kampf allein, durch den es sich herausbildet, der Kampf gegen die Arbeit und ihre Organisation, der Kampf gegen das Recht. Irgendein juristischer Sachverhalt, ein beliebiges Rechtsinstitut oder eine Verfassung kann doch einen proletarischen Sieg bedeuten, aber nur nach Maßgabe dessen, daß er als Registrierung der Resultate des Kampfes und der Aneignung von Möglichkeiten der Herausbildung des proletarischen Kollektivindividuums betrachtet werden, das die Arbeit nicht will. Vom Standpunkt seiner staatlichen Anwendung oder juristischen Wirkung aus betrachtet, ist umgekehrt jedwedes Rechtsinstitut nur eine Neuformierung der kapitalistischen Herrschaft. “Sobald die allmählich anschwellende Empörung der Arbeiterklasse den Staat zwang, die Arbeitszeit gewaltsam zu verkürzen und zunächst der eigentlichen Fabrik einen Normalarbeitstag zu diktieren, von diesem Augenblick also, wo gesteigerte Produktion von Mehrwert durch Verlängrung des Arbeitstags ein für allemal abgeschnitten war, warf sich das Kapital mit aller Macht und vollem Bewußtsein auf die Produktion von relativem Mehrwert durch beschleunigte Entwicklung des Maschinensystems.” [ 145 ] Vom Standpunkt der Wirkung betrachtet, muß jedes Moment eines proletarischen Sieges zur technischen und juristischen Neuformierung der Produktion des Kapitals werden; jedes Moment der Reorganisation der Arbeit bedeutet zugleich die Ausweitung und Intensivierung seiner Verwertung, d. h. der Ausbeutung. Nur der Blick, der sich auf den Kampf und auf seine Kontinuität richtet, ist Ausdruck des Arbeiterstandpunktes. Nicht die Entfernung zwischen dem Kampf und dem kommunistischen Ziel ist utopisch – utopisch ist der Glaube an die Möglichkeit, die Ausbeutung vermittels der Rechtsinstitute des Kapitals zu beseitigen. Nur die Loslösung vom Kapital, die die Arbeiterklasse im Kampf erlangt, ist das Terrain des Überganges, nur die Totalität des Zerstörungsprojekts zerstört die Utopie.

“Einen anderen Vorwurf, den mir der Genosse Stutschka macht, nämlich, daß ich die Existenz des Rechts nur in der bürgerlichen Gesellschaft anerkenne, lasse ich … gelten.” [ 146 ]

Einige Bemerkungen nach zwanzig Jahren

Tatsächlich sind es nicht zwanzig, sondern mindestens 25 Jahre her, seit dieser Artikel zum ersten Mal in der Nummer 1 der “Critica del diritto” erschien, einer Mailänder Zeitschrift, die damals von einer Gruppe Juristen, Staatsanwälten, Arbeitsrichtern, Professoren der Jurisprudenz sowie einer ansehnlichen Schar von Rechtsanwälten gegründet und geleitet wurde. Es handelte sich um eine “militante” Zeitschrift, wie man damals sagte, und diese Professoren und Staatsanwälte bezeichneten sich selbst ganz offen als “Kommunisten” – eine Bestimmung, die diesen von heftigen Leidenschaften geprägten Zeiten angemessen war. Wenn man 25 Jahre später nachschaut, wo die Leute von 1974 geblieben sind, so kann man zufrieden sein: Von einer kleinen Minderheit abgesehen, sind die Mitglieder des Redaktionskomitees von “Critica del diritto” keine “Pentiti” geworden und haben nicht “bereut”. Selbst wenn einige von ihnen, gealtert in einem mit dem Niedergang der revolutionären Bewegung traurig gewordenen Beruf, sich nicht mehr als “militant” betrachten, so haben sie dennoch nicht “abgeschworen”. Dies ist etwas seltenes in Italien, und in jedem Fall eine kostbare Hinterlassenschaft, die die jahrtausendalte Korruption eines römischen, katholischen Landes durchbricht und verurteilt. Darauf bin ich stolz. Oder besser gesagt, da man auf die Tugend anderer nicht stolz sein kann: Ich bin glücklich, daß mich diese Gruppe damals zu ihrem Freund erkoren hat, Menschen, die früher Genossen waren und heute immerhin der Sache treu, zuverlässig und “nicht bekehrt” sind. (Nicht bekehrt ist, wer bewußt an der Ablehnung der Werte des Staates und der Normalität des bürgerlichen Lebens festhält, auch nachdem er schmerzlich die politische Niederlage erfahren hat.) Mit Stolz also kann ich feststellen, daß ich beim Wiederlesen dieses Artikels mit dem, was darin gesagt wird, immer noch einverstanden bin: Es sind Dinge, die allgemein diskutiert, die also von der revolutionären Phantasie dieser freudigen Epoche durchdrungen waren und eine solide Basis unserer theoretischen Praxis darstellten. Was sage ich in diesem Artikel? Daß Paschukanis, der große Jurist der ersten Dekade der bolschewistischen Revolution, das Marxsche Denken über das Recht gut interpretiert hatte, indem er erkannte, daß das Recht keine universale und notwendige Form des Geistes ist, sondern nur eine Figur der bürgerlichen Gesellschaft und des kapitalistischen Marktes (sowie, in untergeordneter Weise, eine Funktion des Staates). Zweitens, daß Paschukanis, um diese Annahme zu beweisen, einem für den Marxismus (insbesondere den sowjetischen) ungewöhnlichen Weg folgt, indem er von einer formalen Ableitung des Rechts ausgeht, die sich auf die Gültigkeitserklärung der privaten Ansprüche und auf die Regeln der Verträge stützt – statt von der Wirkung der Normen, die sich über die gesellschaftliche Arbeit legen und ihre Ausbeutung organisieren, das heißt von den abstrakten Regeln des Werts im Kapitalismus. Nicht, daß diese der Dynamik der Entwicklung und der Transformation des Rechts äußerlich wären – aber sie bilden eine Tendenz dieser Dynamik, die, auch wenn sie zur gewaltförmigen Überdetermination der gesellschaftlichen Beziehungen führt, diese doch in Form einer dauerhaften Regulierung durchdringen muß und die ihre subjektiven Motivationen zu interpretieren hat. In einem dritten Teil seines Werkes verschärft Paschukanis die institutionell privatrechtliche (aus dem Privateigentum folgende, individualistische etc.) Ableitung des Rechts, wobei er sie, dort, wo sie nicht im direkten Widerspruch zu dieser steht, in ein labiles Gleichgewicht mit der kapitalistischen Notwendigkeit bringt, die Wirksamkeit jenes Ursprungs in jedem Fall zu garantieren. So kann das Recht in der Tat, auch wenn es sich in der bürgerlichen Gesellschaft ausgehend vom Einzelinteresse konstituiert, deshalb doch nicht auf den Staat verzichten – im Gegenteil, es verlangt die Präsenz und die Gewalt des Staates, je stärker sich die privatrechtliche Ordnung in sich vernetzt und ausdehnt. Der Widerspruch entspringt diesem Verhältnis nicht, sondern er ist sein Motor, und das heißt: je mehr die Märkte zum Quell der Autorität werden,, sei es in der nationalen, sei es in der internationalen Ordnung, desto machtvoller veräußerlicht sich die Autorität. An diesem Punkt deckt Paschukanis’ Methode das politische Ziel der Theorie auf. Viertens wird sich dann die Verschärfung des Widerspruchs feststellen lassen, zu dem diese Entwicklung ihrer Tendenz nach führt – das heißt die der Märkte, die nach der Wirksamkeit des vom Privatrecht interpretierten subjektiven Anspruchs trachten, und andererseits die des Staates, der für die Beziehungen im Innern und für die internationalen Interessen der einzelnen Kapitalfraktionen verantwortlich ist – : im Rahmen dieser Tendenz, sagt Paschukanis, trennen sich Staat und Recht endgültig, sie verdoppeln sich… Aber das bedeutet nicht, daß man das Privatrecht (oder das Recht des subjektiven Anspruchs) dem Staat als dem wirkungsvollen (und bei Bedarf gewaltsamen) Kriterium der Garantie der Verträge entgegensetzen kann. Indem sie sich voneinander trennen, bezeugen diese beiden Funktionen vielmehr ihr dialektisches Innenleben, und die Antinomie wird antagonistisch, der Knoten schließlich unauflösbar und unerträglich. Paschukanis hebt dieses Resultat der Tendenz hervor, und vielleicht ist genau dies der Punkt, in dem sein kritisches Denken dem seiner Zeitgenossen so deutlich voraus ist – dort also, wo es ihm zu zeigen gelingt, wie das Recht der Privaten und das unerbittliche Wesen des Staates in der Beziehung, die sie verbindet, völlig komplementär und widersprüchlich zugleich sind. Ein Wunder der Dialektik, könnte man sagen! Das wäre allerdings billiger Humor, nicht ironische Philosophie: diese bezeugt uns, daß die Dialektik damit nichts mehr zu tun hat. Bei Paschukanis – und das ist der Vorschlag zur Interpretation, den ich in diesem Artikel machte – gibt es keine Dialektik, es gibt nur die gleichzeitige Anwesenheit von juristischen und staatlichen Formen, die dazu bestimmt sind, gemeinsam abgeschafft zu werden. Mit dem Absterben des Staates werden wir auch das Recht absterben sehen. Eine Utopie? Gewiß! Und doch ist sie in der Tradition der Massenkämpfe der ausgebeuteten Arbeiter weithin geteilt worden.

Was ist heute aus all dem geworden? Wenn ich diese “Bemerkungen” mit der Erklärung eingeleitet habe, nichts zu bereuen, während ich jetzt zugestehe, daß Paschukanis’ Intuitionen über das katastrophische Schicksal des bürgerlichen Rechts und des Staates der Utopie nahekommen, so glaube ich doch nicht, einem Widerspruch zu verfallen. Es scheint mir vielmehr, daß Paschukanis’ These heute, in den neuen, krisenhaften Verhältnissen, in denen sich der Kapitalismus befindet, erneut auf der Tagesordnung steht. Warum dies? Und mit welchen Veränderungen, aus welchen Gründen, mit welchen Beschränkungen?

Mir scheint, daß die kapitalistische Entwicklung nach dem “kurzen Jahrhundert” – wenn man unter diesem “kurzem Jahrhundert” die Zeit von 1917 bis 1968 versteht, das heißt jene mit der Oktoberrevolution beginnende, vom internationalen Machtdualismus geprägte Epoche, die in den kapitalistischen Ländern des Westens das fordistische Produktionsmodell und den New Deal hervorgebracht hat, also die Kontraktualisierung der Beziehungen zwischen den produktiven Kräften sowohl in der Organisation der Arbeit wie der der Gesellschaft -, daß also die kapitalistische Entwicklung am Ende des “kurzen Jahrhunderts” und nachdem sie das Scheitern des sowjetischen Modells zur Kenntnis genommen hat, Paschukanis’ Eingebungen und die von ihm postulierten Tendenzen im großen und ganzen bestätigt. Erstens, weil der Geist und die Ideologie des Kapitalismus die privatrechtliche unternehmerische Funktion innerhalb des Projekts der Akkumulation und in den Wandlungen der Entwicklung zurückerobert und, was das Recht betrifft, verstärkt haben. Das Recht der Privatleute wird – mehr als jemals zuvor – zum Paradigma des Rechts im allgemeinen. An zweiter Stelle setzt sich jedoch die Funktion des Staates als absolut zentral: nicht neutral und ausgleichend, wie es die Vulgata des Wirtschaftsliberalismus will, sondern zentral und ausschlaggebend in der Determination (oder Überdetermination) der gesellschaftlichen Beziehungen, der Ausbeutung und des Zusammenlebens, der Produktion und Reproduktion, kurz gesagt. Im selben Maße, in dem der Markt triumphiert, wird der Staat allmächtig. Dies ist das dritte Element, das die Beschreibung der Beziehung zwischen Recht und Staat, die Paschukanis geleistet hat, besonders aktuell und, besser gesagt, zeitgenössisch werden läßt. Es ist dies in der Tat das Paradox der postmodernen Epoche – ein Paradox, das sich in der gleichzeitigen Anwesenheit eines Maximums von staatlicher Macht und einer beständigen, systematischen Ausweitung der Ansprüche des Privateigentums ausdrückt, oder, um es anders zu formulieren, in der blindwütigen Auflösung des “Öffentlichen” von Seiten des Staates und dem grimmigen Anspruch der Privaten, die gesellschaftliche Totalität selbst zu konstruieren.

Der jüngste Verlauf der kapitalistischen Entwicklung hat also jene von Paschukanis beschriebenen paradoxalen Zustände verstärkt oder, besser gesagt, ins Extrem getrieben, die den Widerspruch in der Sphäre des Rechts soweit steigerten, daß er zum Antagonismus wurde. Daß der Widerspruch aufs Äußerste geht, zeigt sich sowohl, wenn man den Blick nach unten richtet, also auf die Beziehung, die das Recht an die Gesellschaft bindet, wie auch im Blick nach oben, dorthin, wo sich die Macht an einem neuen Ort des Kommandos konsolidiert.

Zuerst der Blick nach unten. Paschukanis sagte, daß die soziale Subjektivität Recht schafft, im wesentlichen vermi ttels der privatrechtlichen Formen der juristischen Begrifflichkeit. Heute hat diese schöpferische Kraft erneut eine zentrale Rolle erlangt – sie ist aber gleichzeitig in eine Beziehung zur Macht gestellt (einer Macht, die sich sehr intensiviert und ihre selbständige Fähigkeit, sich das Soziale zu unterwerfen, verstärkt hat), die jede Bestimmung derselben als dialektisch zur leeren Hülse werden läßt. In der Folge schwindet dem juristischen System jede Möglichkeit, jene Rationalität zu produzieren, die nur die subjektiven Forderungen der juristischen Maschinerie bieten konnten, mithin jene politischen, repräsentativen, demokratischen Vermittlungen, die allein es dem Recht ermöglichten, Abbild der Gesellschaft zu sein und ihre Bewegung zu interpretieren. Blicken wir zweitens nach oben. Auch hier hat sich die Voraussage von Paschukanis als richtig erwiesen. Zwar hat er das Entstehen des amerikanischen Imperiums und das Verlöschen der nationalstaatlichen Souveränität nicht vorhersehen können. Aber er sah, daß sich die Autorität des Staates, und, dadurch vermittelt, die Herrschaft der Bourgeoisie, in den äußersten Grenzen der Veräußerlichung ausdrücken würden. Genau dies ist geschehen, seitdem sich die Quelle der Autorität auf die imperiale Macht verlagert hat, seitdem sich also Gültigkeit und Wirksamkeit der juristischen Funktion weit jenseits der armseligen Grenzen des Nationalstaates begründen. Es ist klar, daß zum Begriff der “imperialen” Souveränität und des “imperialen” Rechts (sowie zu ihrer Produktion und den Machtinstanzen, die durch sie genährt werden) neue Untersuchungen durchgeführt werden müßten, was hier jedoch nicht möglich ist. Hier interessiert es uns, diesmal mit Blick nach oben, erneut das Ende jener Dialektik zwischen Gesellschaft und Staat festzustellen, die, Paschukanis zufolge, das Recht konstituiert und strukturiert. In der imperialen Verfassung befindet sich das Recht inzwischen außerhalb jeder Verhältnismäßigkeit, und es ist dieser Zustand, den das “Oben” durchsetzt; genauso, wie das Recht inzwischen, wie wir gesehen haben, jenseits jeder Rationalität steht, daß heißt jenseits jeder Dialektik von “unten”. Es stellt sich heraus, daß Paschukanis mit seiner Illustration dieser Entwicklung der juristischen Struktur in nuce Recht behalten hat, auch wenn er natürlich nicht vorhersehen konnte, daß sich die Welt in den uns heute beherrschenden Szenarien bewegen würde.

In der ersten Phase der russischen Revolution sagte Paschukanis also etwas Richtiges, wenn er versuchte, den Ansprüchen der Vielen auf kollektive Freiheit Form zu verleihen. Und er sagt etwas, das auch heute richtig ist, nach dem Untergang der russischen Revolution. Wir können seine Ansicht in der Beobachtung zusammenfassen, daß es nach der Oktoberrevolution kein Recht mehr geben würde. Das Recht würde seiner Abschaffung entgegengehen. Aber seine bewußte, von der revolutionären Bewegung durchgesetzte Abschaffung ist nicht eingetreten. Statt dessen gab es jene irrationale, gewaltsame, die der Kapitalismus erzwang. Die Maßlosigkeit des Kommandos, das die kapitalistische Macht produziert – sei es, daß sie das Recht zu einer “imperialen” Quelle der Autorität treibt, sei es, daß sie die Dialektik mit den biopolitischen Bedingungen der Produktion zerstört, oder sei es vermittels der neuen gesellschaftlichen Formen der Arbeit -, das Unmaß des Kommandos läßt jede Möglichkeit, das Recht als gesellschaftliche Ordnung, schlicht: als Gerechtigkeit, zu betrachten, ins Nichts verschwinden. Das Recht, das wir gekannt haben und von dem auch Paschukanis spricht, gibt es nicht mehr. Der “Übergang” hat stattgefunden.

An diesem Punkt der Entwicklung sind der Kapitalismus und die Gesellschaft, die er begründet, nicht länger lebbar. Muß man also gehen? Wohin? Noch weiß es niemand. Mit Paschukanis wissen wir aber immerhin, daß es keinen “Übergang” mehr gibt: der “sozialistische” vor allem hat traurige Beweise dafür geliefert. Gehen wir also! Die Richtung unserer Utopie ist negativ, unbekümmert um die Dialektik (weshalb sich darum kümmern, wenn es sie nicht mehr gibt?): aber der Sinn und der Wunsch unseres Auszugs sind nicht negativ. Denn tatsächlich wäre es nicht das erste Mal, daß unter dem Druck des Exodus die Mauern fallen.

Aus dem Italienischen von Deborah Ferrelli, Ulrike Hoffmann und Joachim Bruhn

Anmerkungen

[ 1 ] Zuerst erschienen 1973 unter dem Titel Rileggendo Paschukanis: note di discussione, in: Antonio Negri, La forma Stato. Per la critica dell’ economia politica della costituzione (Materiali marxisti 12, a cura del Collettivo di scienze politiche di Padova), Milano: Feltrinelli (1977) 41980, S. 161-195.
[ 2 ] Eugen Paschukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus. Versuch einer Kritik der juristischen Grundbegriffe (russ.: 11924, 21927, 31929) dt. zuerst in der Übersetzung von Edith Hajós, Wien/Berlin: Verlag für Literatur und Politik 1929. Unsere Zitation folgt dem mittlerweile vergriffenen, um eine Rezension von Karl Korsch erweiterten Reprint der dritten Auflage (Moskau 1929) Frankfurt: Neue Kritik (1966) 31970. Die neueste Ausgabe ist: Freiburg/Berlin: Haufe-Verlag 1991, herausgegeben und mit einem Anhang versehen von Hermann Klenner und Leonid Mamut.
[ 3 ] Paschukanis, Allgemeine Rechtslehre, S. 48 f.
[ 4 ] A.a.O., S. 47 f.
[ 5 ] Karl Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Bd. 1: Der Produktionsprozeß des Kapitals, Berlin 1973, S. 99 (= Marx-Engels-Werke, Bd. 23, im folgenden MEW).
[ 6 ] Ebd.
[ 7 ] Ebd., S. 100
[ 8 ] Ebd., S. 82 f
[ 9 ] Ebd., S. 118
[ 10 ] Ebd., S. 609
[ 11 ] Ebd., S. 609 f.
[ 12 ] Karl Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844, in: MEW 40, S. 524 f. So aber schon Friedrich Engels in seiner Schrift Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie von 1843, in: MEW 1, S. 499 ff.
[ 13 ] Marx, Kapital 1, S. 644
[ 14 ] Völlig zu Recht erhebt er diesen Anspruch gegen die Polemik Peter Stutschkas, vor allem im Vorwort zur zweiten Auflage der Allgemeinen Rechtslehre, S. 9 ff.
[ 15 ] Vgl. Emil Lask, Rechtsphilosophie (1905), in: Ders., Gesammelte Schriften, Bd. 1., Tübingen 1923, S. 275-332; Georg Lukács, Geschichte und Klassenbewußtsein. Studien über marxistische Dialektik (1923), Darmstadt/Neuwied 1968; zu diesen wenigen zählt auch Karl Korsch, An Stelle einer Einleitung (1930), in: Paschukanis, a.a.O., S. I- XI (zuerst in: Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung, 15. Jg. 1930).
[ 16 ] Siehe auch Umberto Cerronis Introduzione a Teorie sovietiche del diritto, in: Ders., Teorie sovietiche del diritto, Milano 1964, insbes. S. XXXIII ff.; R. Guastini, La “teoria generale” del diritto in URSS, in: G. Tarello (Hg.)., Materiali per una storia della cultura giuridica, Bd. 1, Bologna 1971, v.a. S. 392 ff. und 401 ff.
[ 17 ] Paschukanis, Allgemeine Rechtslehre, S. 51
[ 18 ] Ebd., S. 52 f.
[ 19 ] Ebd., S. 54
[ 20 ] Ebd., S. 55
[ 21 ] Ebd., S. 57
[ 22 ] Vgl. Santi Romano, Die Rechtsordnung (1917), Berlin 1975
[ 23 ] Ebd., S. 68
[ 24 ] Vgl. Ebd., S. 69
[ 25 ] Ebd., S. 15
[ 26 ] Ebd., S. 68
[ 27 ] Ebd., S. 72
[ 28 ] Hans Kelsen, Allgemeine Rechtslehre im Lichte materialistischer Geschichtsauffassung (1931), in: Ders., Demokratie und Sozialismus. Ausgewählte Aufsätze, Wien 1967, S. 69 ff.
[ 29 ] Das heißt mit Blick auf die klassischen Konzeptionen von Ihering und Winscheid. Einen ähnlichen Standpunkt nimmt Emil Lask ein, nicht so sehr in seiner Rechtsphilosophie als in seiner Schrift Fichtes Idealismus und die Geschichte (in: Gesammelte Schriften, Bd. 1, S. 1-274).
[ 30 ] Paschukanis, Allgemeine Rechtslehre, S. 89
[ 31 ] Ebd., S. 90
[ 32 ] Ebd., S. 96
[ 33 ] Ebd.
[ 34 ] Ebd., S. 97
[ 35 ] Vgl. Ebd., S. 99-10
[ 36 ] Vgl. Paul M. Sweezy, Theorie der kapitalistischen Entwicklung. Eine analytische Studie über die Prinzipien der Marxschen Sozialökonomie, Frankfurt 1970, S. 37-40.
[ 37 ] Karl Korsch, An Stelle einer Einleitung, in: Paschukanis, Allgemeine Rechtslehre, S. XI
[ 38 ] Vgl. Paschukanis, a.a.O., S. 104 ff. Er bezieht sich hier auf Karl Renners Buch Die soziale Funktion des Rechts, das erstmals 1904 unter dem Pseudonym Karner veröffentlicht wurde. Eine zweite, komplett veränderte Auflage erschien 1929 unter dem Titel Die Rechtsinstitute des Privateigentums und ihre soziale Funktion. Ein Beitrag zur Kritik des bürgerlichen Rechts.
[ 39 ] Paschukanis, a.a.O., S. 37
[ 40 ] Ebd., S. 31
[ 41 ] Ebd., S. 32
[ 42 ] Ebd., S. 30
[ 43 ] Ebd., S. 38-45. Vgl. R. Guastini, a.a.O., S. 379-392
[ 44 ] Vgl. MEW 13, S. 613-642
[ 45 ] Ebd., S. 39
[ 46 ] Ebd., S. 40
[ 47 ] Ebd., S. 41
[ 48 ] Ebd., S. 45
[ 49 ] Ebd.
[ 50 ] Karl Marx, Das Kapital, Bd. 2: Der Zirkulationsprozeß des Kapitals (MEW 24), S. 109
[ 51 ] Paschukanis, a.a.O., S. 78
[ 52 ] Ebd., S. 83
[ 53 ] Ebd., S. 78
[ 54 ] Ebd., S. 81
[ 55 ] Vgl. Karl Marx, Das Kapital, Bd. 3: Der Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion (MEW 25), S. 221 f.
[ 56 ] Paschukanis, a.a.O., S. 83
[ 57 ] Karl Marx, Lohnarbeit und Kapital, in: MEW 6, S. 410
[ 58 ] Ebd., S. 418
[ 59 ] Marx, Das Kapital, Bd. 1, S. 534 f.
[ 60 ] Marx, Das Kapital, Bd. 3, S. 614. Vgl. aber auch Kapital Bd. 1, S. 144-148
[ 61 ] Ebd., S. 611
[ 62 ] Marx, Das Kapital, Bd. 1, S. 532 f. Zum Verhältnis zwischen formeller und reeller Subsumtion vgl. auch Karl Marx, Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses, Frankfurt 1969, S. 45-64
[ 63 ] Marx, Das Kapital, Bd. 1, S. 556
[ 64 ] Ebd., S. 562
[ 65 ] Vgl. die Marxschen Bemerkungen über die einfache Kooperation, in: Ebd., S. 341 ff.
[ 66 ] Ebd., S. 350
[ 67 ] Ebd., S. 351
[ 68 ] Ebd., S. 381
[ 69 ] Ebd., S. 447
[ 70 ] Ebd., S. 382
[ 71 ] Ebd., S. 417
[ 72 ] Ebd., S. 419
[ 73 ] Ebd., S. 595
[ 74 ] Ebd., S. 596
[ 75 ] Ebd., S. 604
[ 76 ] Ebd., S. 619
[ 77 ] Ebd., S. 377
[ 78 ] Karl Marx, Das Kapital, Bd. 3, S. 274
[ 79 ] Ebd., S. 399 ff
[ 80 ] Ebd., S. 400
[ 81 ] Paschukanis, Allgemeine Rechtslehre, S. 109
[ 82 ] Ebd., S. 114. Das Diktum von Marx stammt aus der Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie, in: MEW 13, S. 619
[ 83 ] W. I. Lenin, Die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland, in: Ders., Werke Bd. 3, Berlin 1968, S. 328
[ 84 ] Marx, Das Kapital, Bd. 1, S. 643
[ 85 ] Paschukanis, Allgemeine Rechtslehre, S. 26
[ 86 ] Ebd., S. 32
[ 87 ] Ebd., S. 19 ff.
[ 88 ] Zur Entwicklung des Kelsenschen Denkens siehe den vorzüglichen Aufsatz von M. G. Losano in der Einleitung zur italienischen Ausgabe von Kelsens Reiner Rechtslehre (Turin 1966).
[ 89 ] Paschukanis, a.a.O., S. 23
[ 90 ] Ebd., S. 24
[ 91 ] Ebd., S. 43 f
[ 92 ] Ebd., S. 60 ff.
[ 93 ] Ebd., S. 86
[ 94 ] Ebd., S. 16 (Hervorhebung: A. N.).
[ 95 ] Ebd., S. 61
[ 96 ] Hans Kelsen, Der soziologische und der juristische Staatsbegriff: Kritische Untersuchung des Verhältnisses von Staat und Recht (1922), Aalen 1962 [ 97 ] Paschukanis, a.a.O., S. 84
[ 98 ] Ebd., S. 114-131
[ 99 ] Ebd., S. 114 f.
[ 100 ] Ebd., S. 116
[ 101 ] Ebd.
[ 102 ] Ebd., S. 117 f.
[ 103 ] Marx, Das Kapital, Bd. 3, S. 368
[ 104 ] Zu den Begriffen der Latenz und der Präsenz, wie Marx sie entwickelt hat, vgl. auch im zweiten Band des Kapital die Seiten 124-135
[ 105 ] Karl Marx, Das Kapital, Bd. 3, S. 367 f. und 376
[ 106 ] Vgl. dazu Marx, ebd., S. 404 ff., das Kapitel “Veräußerlichung des Kapitalverhältnisses in der Form des zinstragenden Kapitals”.
[ 107 ] Vgl. Paschukanis, a.a.O., S. 118 ff.
[ 108 ] Ebd., S. 118
[ 109 ] Ebd.
[ 110 ] Ebd., S. 121
[ 111 ] Ebd., S. 123
[ 112 ] Ebd., S. 125
[ 113 ] Ebd., S. 126. Die Analyse des Rechtsnaturalismus, die Paschukanis leistet, ist von größter Bedeutung, und sie verdiente es, bei Gelegenheit einer Gegenüberstellung mit den entsprechenden Passagen aus Lukács’ Geschichte und Klassenbewußtsein weiter ausgearbeitet zu werden.
[ 114 ] Ebd., S. 131
[ 115 ] Wir beziehen uns hier vor allem auf die General theory of law and state von 1945 und auf die Ausgabe letzter Hand der Reinen Rechtslehre 1960 (Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, zweite, vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Wien 21983).
[ 116 ] Hans Kelsen, Allgemeine Staatslehre (1925), Bad Homburg 1966, S. 8 ff.
[ 117 ] Kelsen, Reine Rechtslehre. Einleitung in die rechtswissenschaftliche Problematik, Lepizig 1934
[ 118 ] Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1. S. 320
[ 119 ] Ebd., S. 189
[ 120 ] Das Kapital, Bd. 3, S. 452
[ 121 ] Siehe dazu die Art. Riformismo, Stato pianificato, Politica di piano und Stato di diritto mit einschlägiger Bibliographie in: Antonio Negri (Hg.), Stato e politica (Enciclopedia Feltrinelli-Fischer Bd. 27: Scienze politiche 1), Milano 1970
[ 122 ] Der Versuch, einen Anfang mit dieser Geschichtsschreibung zu machen liegt vor mit: Sergio Bologna, S., G. P. Rawick, M. Gobbini , A. Negri; Operai e stato. Lotte operai e riforma dello Stato capitalistico fra rivoluzione d’Ottobre e New Deal, Milano 1972
[ 123 ] Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, in: MEW 8, S. 197
[ 124 ] Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1, S. 792
[ 125 ] Vgl. zur weiteren Vertiefung Antonio Negri, Krise des Planstaats, Kommunismus und revolutionäre Organisation, Berlin 1975
[ 126 ] Paschukanis, Allgemeine Rechtslehre, S. 34.
[ 127 ] Ebd., S. 113
[ 128 ] Ebd., S. 34 f.
[ 129 ] Ebd., S. 112
[ 130 ] Ebd., S. 34.
[ 131 ] Ebd., S. 111
[ 132 ] Ebd., S. 112
[ 133 ] Ebd.
[ 134 ] Ebd., S. 113
[ 135 ] R. Guastini (a.a.O., S. 414-420, 500-506) meint, daß Paschukanis, der “Formalist” und Analytiker des Rechts, durch Paschukanis, den Voluntaristen, ersetzt wird, wenn es um das Übergangsproblem geht. Wo immer auch die Grenzen unseres Autors liegen mögen, diese Unterscheidung scheint unzutreffend: Es handelt sich nämlich, um es hier in aller Deutlichkeit zu sagen, weder um Voluntarismus noch um subjektive Grenzen, sondern um eine neue Fragestellung, die der Klassenkampf auf die Tagesordnung setzt. Auf jeden Fall ist es für alle gegenwärtigen revisionistischen Positionen bezeichnend, den Klassenkampf als gewillkürt, als bloß “subjektiven Faktor” zu betrachten; und der zweideutige Erfolg des Althusserismus erklärt sich in genau diesem Licht: der Angriff auf den Subjektivismus wird zum Angriff auf den Klassenkampf. Zur Kritik des Althusserismus vgl. P. A Rovattis Einleitung zur italienischen Ausgabe (Milano 1973) von Jacques Rancière, Der Begriff der Kritik und die Kritik der politischen Ökonomie von den “Pariser Manuskripten” zum “Kapital”, Berlin 1972, sowie Ders., Wider den akademischen Marxismus, Berlin 1975.
[ 136 ] Vor allem die Erfahrung der chinesischen Kulturevolution, genauer: der “ununterbrochenen Revolution” hat, um es in angemessener und moderner Begriffen zu sagen, die neue Stellung des Übergangsproblems vorangetrieben: vgl. vor allem die Schriften von Charles Bettelheim: Ökonomischer Kalkül und Eigentumsformen. Zur Theorie der Übergangsgesellschaft, Berlin 1970, sowie China nach der Kulturrevolution: industrielle Organisation, dezentralisierte PLanung und Wertgesetz, München 1974. Was aber die westlichen Gesellschaften und die höheren Entwicklungsstufen des Klassenkampfes betrifft, steht man hier noch ganz am Anfang.
[ 137 ] Karl Marx, Über Friedrich Lists Buch “Das nationale System der politischen Ökonomie” (1845), in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 14. Jg. 1972, S. 423-446, hier S. 436
[ 138 ] Marx, Das Kapital, Bd. 3, S. 452
[ 139 ] Eine gute methodologische Einführung in diese Themen gibt P. A. Rovatti, Critica e scientificità in Marx, Milano 1973
[ 140 ] Marx, Das Kapital, Bd. 1, S. 249
[ 141 ] Ebd., S. 253
[ 142 ] Ebd., S. 504
[ 143 ] Paschukanis, Allgemeine Rechtslehre, S. 132-174. Die Kritik, die Karl Korsch, a.a.O., daran übt, ist außergewöhnlich vage.
[ 144 ] Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf) 1857-1858, Berlin 21974, S. 231
[ 145 ] Marx, Das Kapital, Bd. 1, S. 432
[ 146 ] Paschukanis, a.a.O., S. 16

Trennmarker