Klaus Heinrich

tertium datur

Eine religionsphilosophische Einführung in die Logik

Februar 2021, 232 Seiten, ISBN: 978-3-86259-152-7
Dahlemer Vorlesungen 1 | Hrsg. von Wolfgang Albrecht, Rüdiger Hentschel, Hans-Albrecht Kücken, Peter Lux, Ursula Panhans-Bühler, Jürgen Strutz, Irene Tobben | Hardcover

34,00 

978-3-86259-152-7 Kategorien: ,

Beschreibung

Ich erschrak, als ich von dem Unternehmen erfuhr: ausgegraben die alten Vorlesungen, zehn Jahre und länger her, nicht zum Bleiben bestimmt, sondern nachdenklich zu machen und zu verschwinden. Ich hatte selbst darauf Wert gelegt: ›die Würde des vergänglichen Wortes‹, das war mein Argument, nein zu sagen, wenn ich um die Einwilligung zu Tonbandaufnahmen gebeten wurde. Damals stellte ich mir meinen Beruf noch anders vor: mit Muße zum Schreiben. Aber zugleich, begraben unter ›Papieren‹, vorgeblich einer Lawine der Erneuerung, mißtraute ich dem geschriebenen Wort, vertraute auf die Wirkung des gesprochenen.

Tertium datur – ein abseitiges Thema? Formen als Inhalte lesen, das Pathos, das diese Beschäftigung mit Logik angeleitet hat, war ein eminent politisches Thema. Religionswissenschaft hat durchaus ihren Gegenstand: das Verdrängte der Philosophie – so habe ich es damals formuliert, mit Blick auf jene Heilslehren, die eine Sicherheit jenseits der Welt der Mischungen versprechen. ›Tertium non datur‹ – das ist ein solcher (der vornehmste) Entmischungssatz einer zwei-, aber ich fürchte durchaus auch mehrgliedrigen Logik; ›tertium non datur‹, das bedeutet: entweder Leben oder Tod – also ein von Tod unangefochtenes Leben. Aber das ›tertium‹, das dieser Satz bestreitet, ist nichts anderes als unser Leben, aus Leben und Tod und all den Stellvertretungen des Todes, die für uns heute aktuell sein mögen, gemischt – und das ist die Sache der Religion, ihm zuliebe sagen die verschiedenen Religionen ihr verschiedenartiges ›Fürchtet euch nicht‹.

Inhalt

  • Anamnetisches Vorwort
  • Erste Vorlesung, Zweite Vorlesung, Dritte Vorlesung, Vierte Vorlesung, Fünfte Vorlesung,  Sechste Vorlesung, Siebte Vorlesung, Achte Vorlesung, Neunte Vorlesung
  • Anmerkungen
  • Stichwortartige Übersicht
  • Editorische Notiz

 

Pressestimmen

»Bereits im ersten Band der Dahlemer Vorlesungen hat Heinrich gezeigt, wie sich die logischen Formen des Okzidents, die Analogie, die Induktion und die Deduktion, von ihren ursprünglichen mythologischen Gegenständen gelöst und dabei ihre Inhalte immer mehr von realen Konflikten gereinigt hatten, bis nurmehr entleerte Verfahrensweisen und Formeln übriggeblieben waren. Aber gleichzeitig hebt er hervor, daß die logischen Formen ihren Ausgangspunkt indem Erfahrungsschatz der Religionen haben: ›Tertium non datur, das bedeutet entweder Leben oder Tod − also ein vom Tod unangefochtenes Leben. Aber das tertium, das dieser Satz bestreitet, ist nichts anderes als unser Leben, aus Leben und Tod und all den Stellvertretungen des Todes, die für uns heute aktuell sein mögen, gemischt − und das ist die Sache der Religion, ihm zuliebe sagen die verschiedenen Religionen ihr verschiedenartiges Fürchtet euch nicht.‹« / Manfred Bauschulte, Merkur

»1981 erschien dann zum ersten Mal eine seiner Vorlesungen gedruckt. Studenten und Mitarbeiter hatten den Zögerlichen dazu bewegt, Tonbandabschriften freizugeben. Der Band hieß tertium datur und enthielt eine 1970 vorgetragene religionsphilosophische Einführung in die Logik, die noch heute, fünfzig Jahre danach, jeder Person in die Hand gedrückt werden sollte, die sich für Philosophie interessiert.« / Frankfurter Allgemeine Zeitung

»Logik, traditionell einer der sprödesten Disziplinen der Philosophie, muß nicht notwendigerweise eine geschichts- und lebensferne Sache, ein Exzerzierfeld für Pedanten, die Ausgeburt eines fruchtlosen Scharfsinns sein. Sie kann auch psychologisch und gesellschaftlich wichtig werden. Klaus Heinrich, einst studentischer Mitbegründer der Freien Universität Berlin, heute dort Professor für Religionswissenschaften, demonstriert das eindrucksvoll in seiner religionsphilosophischen Einführung.
Diese Einführung ist der erste Band von Heinrichs ›Dahlemer Vorlesungen‹, Hörer und Schüler haben das, was er – erstaunlich genug! – in freier Rede vorgetragen hat, anhand ihrer Mitschnitte und Mitschriften rekonstruiert. Akademischer Lokalpatriotismus? Professorale Selbstbespiegelung, hinter studentischer Anhänglichkeit versteckt? Oder gar ›Nachlaß zu Lebzeiten‹ eines Autors, der es nicht zum ›fertigen‹ Buch gebracht hat?
Der Verdacht wäre berechtigt, wenn hier nicht relevantes Denken in einer Form vorgetragen würde, die die Vorzüge des Genres – Offenheit, Situationsgebundenheit – nutzt.« / Ludger Lütkehaus, Frankfurter Allgemeine

»Daß Vollendung und Ziel der Aufklärung auseinanderfallen, zeigt sich darin, daß den Menschen der Zweck ihrer Selbsterhaltung undurchsichtig geblieben ist und das Selbst in Selbstbeherrschung des Lebens versäumt. Das sind bekannte Thesen Horkheimers und Adornos. An deren ›Dialektik der Aufklärung‹ muß erinnern, wer den geistigen Ort bestimmen will, von dem aus Klaus Heinrich spricht – Heinrich steht, allegorisierende Verfahren Adornos weitertreibend, positiv zu den Stoffen der Mythologie. Bei Gelegenheit Francis Bacons hat er einmal seine Absicht verdeutlicht, die mythologischen Materialien allegorisierend zu brechen, um sie dann zu ›Bundesgenossen‹ im Kampf gegen den ›Ursprungsmythos‹ zu gewinnen … Die Wirklichkeitssubstrate abstrakter Begriffe aufzudecken, logische Forme(l)n auf in ihnen abgelagerte Inhalte hin zu entziffern, ist Heinrichs Ruhm.« / Norbert Bolz, Die Zeit

»Ein zugleich spannendes und schwieriges Unterfangen, denn Heinrichs Diktum, im freien Vortrag sich entfaltend, ist geprägt von einer assoziativen Lebendigkeit, einem am Sprechen selbst sich entzündenden und immer wieder förmlich sich selbst überraschenden Wort, das mit seiner leisen, den Fluß der Rede skandierenden Insistenz auf den Hörer übergreift, ihn unterwirft und ihn, mit sanfter Gewalt durch die Labyrinthe der Sätze, zuweilen auch der Anakoluthe führend, zu Schärfe und Klarheit des Denkens zwingt. Eine Kunst der Rede, die sich weniger speziellen rhetorischen Qualitäten verdankt als vielmehr der Sicherheit und dem Vertrauen, mit dem der Redende sich der assoziativen Fülle seines Wissens überläßt, zuweilen sich darin zu verlieren scheint, um desto sicherer mit dem Gegenstand wieder emporzutauchen, der sich in neuer, reicherer Klarheit zeigt. Eben dies ist nun auch für den Leser nachzuvollziehen …
Tertium non datur: entweder – oder lautet jene scheinbar krisensichere Formulierung, jener für unser gesamtes Denken so unumstößlich scheinende Satz vom (nicht zugelassenen) Widerspruch, der, mit der fraglosen, zwingenden Würde eines Axioms auftretend, A als A und nichts anderes behauptet und damit Identität als ein von allem Fremden, das heißt Nicht-Substantiellen Gereinigtes erkennt und tautologisch beschwört … Wenn es Tag ist, dann ist es nicht Nacht, denn eines zugleich als anderes, wie noch der Mythos es will, der den Tag aus dem Schoß der Nacht entspringen läßt – dies ist eine unzulässige Mischung, ein Widerspruch, offenbar tief beunruhigend, angst- und schwindelerregend für unser Denken, wiewohl wir in der Realität immer wieder diese Mischungen erfahren und Leben eben dies Gemischte, Widersprüchliche, Zufällige ist: das Reine und das Unreine, das Glück und das Leiden, Geborenwerden und Sterben, Veränderung, Werden, das Leben und der Tod …« / Marleen Stoessel, Süddeutsche Zeitung

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