Der Preis der Demokratie

Der Preis der Demokratie

Über einige Eigenheiten des Rechtsnachfolgers und die Segnungen des Positivismus

Joachim Bruhn

Das Bekannte ist nicht schon das Erkannte: Keineswegs muß, wer dem Mörder die Tat auf den Kopf zusagt, zuvor sechzehn Semester Kriminalistik studiert haben. Wenn es noch eines Beweises mehr dafür bedurft hätte, daß Erkenntnis und Wahrheit nicht den so prompten wie gerechten Lohn für Fleiß mit Methode darstellen, dann ist es, leider, Daniel J. Goldhagen. Nicht einmal der Autor von “Hitlers willigen Henkern” agiert auf dem objektiven Niveau der von ihm selbst eröffneten Einsicht und Perspektive. Das kommt davon: Unterm System des gesellschaftlich zwar notwendigen, allerdings falschen Bewußtseins wird Wahrheit dem erkenntniswilligen Subjekt einzig als Zufall zuteil, nicht als Leistung, die es verantwortet, sondern als glückliche Fügung, die ihm widerfährt. Zwischen dem Subjekt und der Erkenntnis tut sich mit Vehemenz der Abgrund auf, der unsere Gesellschaft ist, die Kluft, die der Nazismus unüberbrückbar hat werden lassen. Es reflektiert sich darin die Überflüssigkeit des je einzelnen für Gedeih und Fortgang des akkumulativen Getriebes, die vollendete Äußerlichkeit, die der Nazismus zur conditio humana totalisiert hat. Die Wahrheit über dies Verhältnis erscheint, wo sie überhaupt erscheint, als pathogene Devianz: Entronnene der Vernichtung gibt es, die sich nicht aufs Sozialamt trauen, um die Rente zu beantragen, aus Angst, erfaßt, verhaftet, deportiert zu werden. [ 1 ] Hinter dem Rechts- und Sozialstaat erblicken sie den vernichtungskompetenten Souverän; sie wissen darin mehr über den Staat, als Jürgen Habermas und die komplette Demokratietheorie. Es ist aber eine Wahrheit, die ihnen nichts nützt, eine Erkenntnis, die nicht sie haben, sondern die sie hat.

Das bessere Deutschland, dem “Auschwitz” stets nur Metapher war und eine billige Gelegenheit nationaldemokratischer Sinnstiftung, hat diese triste Konstellation instinktiv erkannt und zielsicher ausgebeutet. Wenn sogar Goldhagen den Deutschen und ihrer Nation zwar auf den Kopf zuzusagen vermag, was es über sie zu wissen gibt, aber nachher nicht weiß, was er gesagt hat, dann hat die “Aus der Geschichte lernen”-Fraktion erst recht keinen Anlaß, an den glänzenden Aussichten zu zweifeln, die sich der antimonopolistischen Zivilgesellschaft unter der Obhut des nationalen Staates des Grundgesetzes bieten. Also haben ihm die “Blätter für deutsche und internationale Politik”, ehemals ein linksnationalistisches DKP-Blatt für die Volksfront der Stalinisten mit den Linksliberalbourgeois, heute erst recht fürs andere Deutschland unterwegs, ihren “Demokratiepreis” angetragen. Karl D. Bredthauer dankte im Auftrag der Redaktion sowie im Namen aller wahrhaft “Wir Deutschen” dafür, wie sehr er sich für die “historischen Chance” engagiert habe, “daß alle Deutschen endlich wirklich ankommen in der politischen Zivilisation der Moderne” [ 2 ]; Goldhagen nahm den Preis dankend entgegen, Jürgen Habermas und Jan Philipp Reemtsma hielten die Grabreden. Und damit war die Sache vom Tisch. Das Dritte Reich, das hatte Goldhagen erkannt, war ein klassenübergreifendes Mordkollektiv, der Führer war nicht so sehr der eigensinnige Diktator als vielmehr der große Bruder und primus inter pares der Volksgemeinschaft. Das Dritte Reich, so hatte er weiter erkannt, war im Grunde nichts weiter als eine solidarische Veranstaltung aller Menschen, die nur irgendwie und wie auch immer bereit waren, sich selbst als die “Wir Deutschen” zu begreifen, denn, was deutsch fühlt, ist objektiv antisemitisch. Das Dritte Reich, so Goldhagens Pointe, war ein nationales Projekt von Tante Emma und Onkel Adolf. Diese Einsicht war nichts als die Wahrheit gewesen. Aber sie war Goldhagen keineswegs, wie er selbst glaubt, in der Konsequenz sorgsam reflektierter Quellenauswertung und methodologisch kontrollierter Geschichtswissenschaft zuteil geworden, sondern gleichsam contre coeur, seinem Positivismus zum Trotz. Seine Erkenntnis hatte er nicht aus den Fakten destilliert, er hatte sie mit den Fakten illustriert. [ 3 ] Das war ganz recht so. Aber daß Theorie darüber entscheidet, was zur relevanten Tatsache taugt, mochte er nicht wissen. Er ist ein gläubiger Positivist, das hat der “Demokratiepreis” öffentlich beglaubigt. Der Positivismus ist unfähig, den Antisemitismus zu denken, d.h. als vermitteltes Moment der negativen Totalität zu reflektieren; er vermag ihn bloß zu definieren, d. h. als bloßen Aspekt aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang zu abstrahieren. Darüber büßt das Phänomen seine soziale Objektivität ein, es wird dem Positivismus zur sozialen Konstruktion, zur Wahrnehmung, die sich in “kognitiven Mustern” und “kollektiven Mentalitäten” (Goldhagen), in “Codes” (Reemtsma”) oder der “ethisch-politischen Selbstverständigung unter Bürgern” (Habermas) fundieren soll. In extrem positivistischer Konsequenz, bei Paul Feyerabend etwa, führt diese Operation auf die Liquidation jedweder Intention auf Wahrheit. Nichts anderes soll sie sein als Konvention, d.i. die allseits geglaubte Lüge: “‘Objektiv’, das heißt unabhängig von Traditionen, gibt es keine Wahl zwischen einer humanitären Einstellung und dem Antisemitismus. (…) Die Rationalität ist weder gut noch schlecht, sondern ist einfach”. [ 4 ] Es versteht sich, daß, wem Wahrheit, sei’s auch als negative, nicht denkmöglich wird, auch Begriff und Sache der Ideologie Hekuba sein müssen. Das ist der hinter allen Turbulenzen im nationalen Kollektiv liegende Konsens Goldhagens, wie mit seinen deutschnationalen Kritikern, so mit seinen linksnationalen Preisgebern: der ausgesprochene Widerwille, den Antisemitismus als objektive Ideologie der kapitalisierten Gesellschaft zu identifizieren. So kommt es, nur weil der Souverän seine Erscheinungsform geändert hat, daß der bittere Faschismusforscher zum sanften Lobredner der Demokratie wird. Er bedient den BRD-Gründungsmythos, Weimar sei eine Demokratie ohne Demokraten gewesen, d.h. eine Gesellschaft, die unfähig war, das humanistische Programm ihres Souveräns sich anzueignen, und er sagt: “Der Aufstieg des Nationalsozialismus beruhte im wesentlichen darauf, daß es in Deutschland nicht gelang, genuines Verständnis und eine ausreichende Akzeptanz für demokratische Überzeugungen sowie liberale Werte zu entwickeln und es deshalb ebenfalls nicht gelang, demokratische Institutionen nachhaltig zu etablieren.” Antisemitismus und Nazismus sind das eine, Kapital und Staat sollen das ganz andere sein: “Deutsche”, sagt Goldhagen (und sein ganzer Widerstand gegen die Zeremonie steckt im Fehlen des Artikels), “Deutsche haben viel aus der Geschichte gelernt”; das Grundgesetz berechtigt zu den schönsten Hoffnungen. Und “nicht ein moralisches Urteil abzugeben, war das Ziel, sondern zu erklären, warum Dinge geschehen sind”, sagt er abschließend. In eben dieser Spaltung zwischen Tatsachenfeststellung und Werturteil, die für Goldhagen nur der so spontane wie fraglose Ausdruck seines Positivismus ist, liegt zugleich der Grund, aus dem das andere Deutschland ihn für demokratiepreiswürdig hielt. Goldhagen verdient den Preis gar nicht, obwohl er seiner durchaus würdig ist. Denn in Deutschland wird die positivistische Spaltung aufgeladen mit einem derart vollendeten Abscheu vorm kategorischen Urteil, weil es das Urteil über die Nation selbst wäre, nicht nur über den Nationalismus. Der Positivismus gibt den “Wir Deutschen” ein Alibi. Jürgen Habermas hat es in seiner Rede so entwaffnend offen gesagt, daß man Ernst Nolte sein müßte, um sich darüber zu freuen: “Die eine Seite (d.h. die Justiz) ist an der Fr age der Vorwerfbarkeit von Handlungen interessiert, die andere Seite (d.h. die Geschichtswissenschaft) an der Aufklärung ihrer Ursachen. Aus der Sicht des Historikers entscheidet die Zurechenbarkeit von Handlungen nicht über Schuld und Unschuld, sondern über die Art der erklärenden Gründe. Wie auch immer die Erklärung aussehen mag – ob die Gründe eher in den Personen oder in den Umständen liegen – als solche kann eine kausale Erklärung den Handelnden weder belasten noch entschuldigen. Erst aus der Perspektive von Beteiligten, die sich vor Gericht oder im Alltag begegnen und voneinander Rechenschaft fordern, verwandeln sich Fragen der Zurechnung in rechtliche – oder auch moralische – Fragen”. Gesellschaft ist zum “Umstand” geronnen; außerdem können die Deutschen sich sicher sein, daß sich Fragen der Zurechnung nicht unversehens in Fragen der Moral verwandeln, denn die Chancen, noch auf Beteiligte zu treffen, sind nach allen Massakern denkbar gering: Dankenswerterweise hat der Führer, könnte man so sachlich wie zynisch feststellen, nichts als Fakten, Fakten, Fakten hinterlassen und keine Subjekte blieben übrig, die den Deutschen deren Bewertung, das kategorische Urteil gar, aufzwingen könnten. In Deutschland ist es leicht, dem Positivismus anzuhängen: Er ist das als Wissenschaft auftrumpfende Alibi einer unheilbaren, einer so allgemein bürgerlichen wie spezifisch deutschen Ambivalenz in Anbetracht des Nazismus.

Was sich liebt, das schreckt sich; was sich haßt, das neckt sich: Dem abgrundtief trauten Verhältnis, das der demokratisierte Rechtsnachfolger zu seinem nazistischen Staatsvorläufer unterhält, eignen alle Merkmale einer leidenschaftlichen Haßliebe. Faszination und Abscheu halten sich genau die Waage; zwischen Begeisterung und Widerwillen oszilliert die Konjunktur der veröffentlichten und verwissenschaftlichten Meinung. Der Führer ist der grause Buhmann, allerdings er setzt die deutsche Demokratie ins rechte Licht; sein Raubkrieg gibt die beste Kulisse für den glamorösen Auftritt der NATO; die finsteren Großraumplanungen der Nazis zeigen, wie gut man mit Maastricht bedient wird, und die Massenvernichtung ist der allerbeste Vorwand, Toleranz und Menschenrecht als die Grundlagen unseres Staatswesens dick und fett herauszustreichen – ohne die Nazis wüßten die Deutschen gar nicht, wie gut der Rechtsstaat tut. Diese Haßliebe rührt daher, daß man als deutscher Bürger unmöglich wissen kann, ob man den Führer dafür hassen soll, daß er den Vernichtungskrieg gegen den Rest der Welt verlor, oder ihn dafür lieben, daß er wenigstens den resoluten Versuch unternahm: von daher rührt die Unfähigkeit zu trauern. Wie die veröffentlichte, so ist auch die verwissenschaftlichte Meinung unfähig zum kategorischen Urteil über den Führer, wäre es doch das Urteil über ihr Subjekt selbst, den so kapitalproduktiven wie staatsverfallenen Bürger. In der strukturellen Uneindeutigkeit gegenüber dem Nazismus spiegelt sich die tiefe Ambivalenz der bürgerlichen Gesellschaft selbst, ihre ökonomische Zerrissenheit ebenso wie ihr politisches Vereinheitlichungsbedürfnis. Haßliebe, die gleichzeitige Präsenz “einer gut begründeten Liebe und eines nicht minder berechtigten Hasses, beide auf dieselbe Person gerichtet”, wie Sigmund Freud sagte, [ 5 ] drückt in einem die allgemeine Neigung der bürgerlichen Gesellschaft zum autoritären Staat aus wie sie zugleich ihren Widerwillen gegen dessen bisherige Bilanz bekundet. Es ist diese unnachahmliche Ambivalenz, die ihren Gegenstand spaltet, um in der Oszillation zwischen den Spaltungsprodukten den inneren Konflikt, den sie nicht lösen kann, als Bewegung auszuagieren und darin eben die Form ihrer Einheit zu finden, die sie am Gegenstand leugnet. Die Unfähigkeit zum kategorischen Urteil schlägt sich in den Strategien der Spaltung nieder, die die Spielarten der Meinung umtreibt: Autobahnen versus Judenvernichtung, Handlung versus Struktur, die nationale Not unterm System von Versailles versus den Irrsinn des Zweifrontenkrieges, Funktionalismus versus Intentionalismus, Rassenwahn versus Bevölkerungspolitik, Arbeit versus Interaktion, Befehlsnotstand versus Verantwortlichkeit, Erklären versus Verstehen. Die Haßliebe macht es, daß alle demokratische und alle geschichtswissenschaftliche Beschäftigung mit dem Nazismus alle Züge einer nachgerade pathologischen Gespaltenheit trägt. Es ist wie mit dem Blick in den getreuen Spiegel, der eine grausige Fratze zeigt, wenn man gerade sein Sonntagsgesicht aufgesetzt hat. Hinein guckt es, als könne es kein Wässerchen trüben, heraus schaut es, daß das Blut in den Adern gefrieren möchte: Je näher man hinschaut, desto ferner schaut es zurück. Das Spiegelbild zeigt die Wahrheit, darum wird jede Bekanntschaft und Verwandtschaft bis aufs Messer geleugnet. So kommt es einerseits, daß die Beschäftigung mit dem Nazismus unterm permanenten Verdacht steht, eine irgendwie und objektiv subversive Tätigkeit zu sein, weil noch der liberalste Geschichtsforscher, so nachdrücklich er die fdGO auch vom morbus Weimar gesund schreiben möchte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die Leichenberge im Fundament unseres Staatswesens stößt. Das liegt in der Natur der Sache. Der Nazismus setzt die BRD in ein schlechtes Licht, untergräbt ihr Ansehen, denunziert sie als Rechtsnachfolger und Erbschleicher. Wider Willen wie Methode in die Nähe der Subversion geraten, schlägt nun das Pendel nach der anderen Seite aus, und die Angst vorm objektiven Resultat, d.h. vorm kategorischen Urteil über die deutsche Staatlichkeit schlechthin, wird zum Treibsatz der Apologie. So kommt es andrerseits zu dem haarsträubenden Paradox, daß die Beschäftigung mit dem Nazismus keineswegs zur Aufklärung über den Staat des deutschen Kapitals, über die bürgerliche Demokratie, über den Charakter der Nation usw. usf. führt, sondern mit an höherer Fügung grenzender, geradezu traumwandlerischer Sicherheit vielmehr zu deren Verherrlichung und wie immer kritisch gewendeten Lobpreisung. [ 6 ] Das liegt im Wesen der Verhältnisse. Der Nazismus rechtfertigt die BRD, fördert ihr Ansehen ungemein und lobhudelt sie als gelungenes Lernen aus der Geschichte und zukunftsträchtiges Demokratieprojekt. Es versteht sich, daß die deutsche Haßliebe zum Nazismus, so, wie sie auf die Ambivalenz der gesellschaftlichen Subjekte verweist und in den Konjunkturen der veröffentlichten und denen der verwissenschaftlichten Meinung sich ausdrückt, nichts anderes darstellt denn den notorischen Reflex der bonapartistischen Situation von 1933: Im Interesse des Kapitals zerschlug der Führer die bürgerlichen Parteien, und im Interesse der Lohnarbeit zerschlug er die Organisationen der Arbeiterbewegung. Weder Bürger noch Arbeiter wußten, wie und was ihnen geschah, aber sie wußten doch eines ganz genau, daß sie es nämlich wollen mußten. Der Führer beraubte und enteignete die sozialen Klassen ihrer Repräsentation, d.h. der Organe ihrer politischen und ökonomischen Willensbildung, aber er verschaffte den Klassen damit die Chance, ihre objektive Funktion sich anzueignen, d.h. Funktionäre der barbarischen Akkumulation zu werden. Daß dieser doppelte Bonapartismus, daß diese souveräne Dialektik von Enteignung und Aneignung ausgerechnet im Antisemitismus reflektiert und tatsächlich an den Juden exekutiert wurde, geht den Rechtsnachfolgern und Funktionserben noch im nachhinein so sehr über den gesellschaftlichen Horizont, daß sie, wollen sie überhaupt erklären und verstehen, zwangsläufig zum Publikum von “Schindlers Liste” werden und dort das schaffende Kapital als prinzipiell, läßt man’s nur nach eigener Logik gewähren, antifaschistisches begaffen. [ 7 ] Das macht: Sie können den “Zivilisationsbruch” nicht verstehen, weil sie ihn nur um den Preis des Bruchs mit ihrer eigenen gesellschaftlichen Statur und Existenz, wenn nicht verstehen, so doch: in seiner Permanenz und Kontinuität unterb inden könnten. Dieser Preis gilt als ungerechter Preis. Im System der Haßliebe jedoch ist das Erkennen schon unmittelbar das Verkennen: Die Aufdeckung der Geschichte des Nazismus wird mit der Zudeckung seines Begriffs, der negativen Dialektik des Kapitals, identisch, und die historische Empirie gerät, wie es ihr Auftrag ist, zur Sabotage an der kritischen Theorie, gar an der praktischen Kritik.

Das Bekannte mit Macht daran zu hindern, zum Erkannten zusammenzuschießen: Das ist der gesellschaftliche Auftrag der Demokratie in Deutschland. Ihr Preis ist die Verdrängung der allseits bekannten und kollektiv beschwiegenen Tatsache, daß, wer die Demokratie will, den Staat wollen muß: das zentralisierte Gewaltmonopol und also die Bedingung der Möglichkeit des totalen Terrors. Dafür, daß das kategorische Urteil über die Gesellschaft, die den Nazismus hervorbrachte und sein Potential demokratisch am Köcheln hält, weiter auf sich warten läßt, kann sich das andere Deutschland allerdings gratulieren.

Zuerst in Bahamas, Juni 1997.

Anmerkungen

[ 1 ] Vgl. William G. Niederland, Folgen der Verfolgung. Das Überlebenden-Syndrom Seelenmord, Frankfurt 1980
[ 2 ] Karl D. Bredthauer, Grenzen einer deutschen Normalisierung. Die konstitutive Bedeutung des Bruchs von 1945/49, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 4/1997, S. 407. Auch die im folgenden zitierten Festreden von Jürgen Habermas, Über den öffentlichen Gebrauch der Historie. Warum ein “Demokratiepreis” für Daniel Goldhagen? (408-416) und Jan Philipp Reemtsma, Abkehr vom Wunsch nach Verleugnung. Über “Hitlers willige Vollstrecker” als Gegenstück zur historischen Erklärung (417-423) sowie Daniel Jonah Goldhagens Dankesrede Modell Bundesrepublik. Nationalgeschichte, Demokratie und Internationalisierung (424-442) finden sich hier. Heft 5/97 dokumentiert das Presseecho.
[ 3 ] Eine Schlagzeile des Badischen Tagblatts (10.5.97) gibt den Tenor des Anti-Goldhagen-Backlash vor: Historikerin liefert Goldhagen-Kritikern neuen Stoff. Deutschstämmige Wissenschaftlerin Ruth Birn entdeckt handwerkliche Schwächen in “Hitlers willige Vollstrecker ”: Aus zehntausenden von Dokumenten habe er nur 200 benutzt – die “Deutschstämmigen” haben eben eine chronische Abneigung gegen Einseitigkeit.
[ 4 ] Paul Feyerabend, Erkenntnis für freie Menschen, Frankfurt 1980, S. 68
[ 5 ] Sigmund Freud, Hemmung, Symptom und Angst (1926), zitiert nach J. Laplanche/J.-B. Pontalis, Das Vokabular der Psychoanalyse, Frankfurt 1972, S. 58
[ 6 ] Siehe zum Beispiel Wolfgang Wippermann, Wessen Schuld? Vom Historikerstreit zur Goldhagendebatte , Berlin 1997. Wippermann ist ein akribischer, fast pedantischer Theoriesortierer und -vergleicher – siehe nur seinen Klassiker Faschismustheorien. Zum Stand der gegenwärtigen Diskussion (Darmstadt 1995) – , dem vor lauter Material das Hören, das Sehen und das Begreifen vergangen ist. Die Theorien verhindern Theorie; und so kommt er in seinem neuesten Buch auf den Gedanken, alles hinge davon ab, “wer den Diskurs bestimmt, die Begriffe besetzt” (Wessen Schuld, S. 8), d.h. er hält es, aller Faschismusforschung zum Trotz, für möglich, Begriff, Ideologie und Sache der Nation alternativ und von links zu besetzen: Die Forschung wird so zur Barrikade vorm Begriff.
[ 7 ] Siehe Initiative Sozialistisches (Hg.), Schindlerdeutsche. Ein Kinotraum vom Dritten Reich, Freiburg 1994

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