Karl Pfeifer: Besprechung zu »Georg Elser in Deutschland«

Karl Pfeifer

Besprechung

 

Matheus Hagedornys lediglich 135 Seiten umfassendes, gedankenreiches Buch ist nicht noch eine Elser-Biographie, sondern zeigt auf, welche Rolle dieser Attentäter im deutschen Erinnerungsdiskurs spielt.

Der süddeutsche Arbeiter Georg Elser hatte im November 1939 im Münchner Bürgerbräu-Keller eine selbst gebastelte Bombe versteckt, mit der er Adolf Hitler ins Jenseits befördern wollte. Leider verließ Hitler vorzeitig die Veranstaltung und die Bombe erwischte nur ein paar Anhänger.

Das erste Kapitel widmet sich dem individuellen Terror und welche Probleme die Linke damit hat. Elser war vor der Machtübergabe an Hitler KPD-Mitglied. Seit dem Herbst 1938 begann er seine persönlichen Bindungen zu lockern. Er fand Arbeit im Steinbruch, wo er Sprengstoff abzweigen konnte. Während der Zeit des Freundschaftspaktes der Sowjetunion mit dem Deutschen Reich hatte sich Elser zwei Wochen Nacht für Nacht im Bürgerbräu-Keller einschließen lassen, um seine Tat vorzubereiten.

Hagedorny schildert kenntnisreich, welche Probleme die linken Parteien und Gruppen nach 1945 mit der Erinnerung an Elser hatten.

Überrascht werden die Leser vom zweiten Kapitel: Über die Rolle des Christentums im Bürgerbräu-Attentat. Besonders traurig liest man über Pastor Martin Niemöller, dass er Georg Elser als Naziagenten verleumdete.

Im dritten Kapitel erklärt Hagedorny, weshalb Georg Elser kein Vorbild wurde: »Die sterblichen Überreste von SS-Unterscharführer Theodor Bongartz, dem Mörder Georg Elsers, verwahrte bis zum Jahr 2000 ein Ehrengrab. Seinem Opfer, erschossen und verbrannt im Krematorium des KZ-Dachau, wird ein solches auf immer verwehrt bleiben.«

Georg Elser wäre »der Jugend als Beispiel vorzustellen«. Hagedorny meint als Beispiel im ambivalenten Sinne: »Zum einen als Beleg für die Reichweite eines Einzelnen, der aus seinen Begabungen und Mitteln einen möglichst effizienten antinazistischen Widerstand geformt hat, zum anderen als Exempel für die Macht und den Vernichtungswillen der deutschen ›Volksgemeinschaft‹, die neben dem Leib von Georg Elser beinahe auch dessen Erinnerung auszulöschen vermochte.«

Ein spannendes Buch über die (mangelnde) Erinnerung an den christlich und kommunistisch geprägten Attentäter.

Erschienen in: Illustrierte Neue Welt, 3/20