Dormagen – Swami Adorno

Christel Dormagen

Swami Adorno

Das Sozialistische Forum in Freiburg hat – gewissermaßen als Gegengift – eine Aufsatzsammlung gegen den ebenfalls in Freiburg zunehmend grassierenden Raineeshismus herausgegeben. Merkwürdigerweise passierte mir beim Lesen etwas sicher Unbeabsichtigtes.

Das Buch präsentiert eine Überfülle der dialektisch-kritischen Enttarnungen der Freundlichkeitsdiktatur, der neuen Sektensucht, des Therapiewahns, der Öko-Disziplinierung. Am meisten wird Adorno zitiert, und er schlägt auch sprachstrukturmäßig am meisten durch. Da die Entlarvung des Gegenstandes – die falsche Wirklichkeit – nun immer schon feststeht (Adorno hat vor den 70ern geschrieben) vor ihrem neuen konkreten Gegenstand: dem Bhagwanismus, wird mir von Artikel zu Artikel deutlicher, wie das kritische Instrumentarium selber zum Herrschaftsmittel geraten kann, das vor seinem Gegenstand erblindet. Dabei war (?) ich auch süchtige Adornoleserin und -benutzerin. Vielleicht hätte ER selber diese irritierende Erscheinung: Verdinglichung genannt und vor ihr gewarnt.

Natürlich gibt es im genannten Buch plattere und klügere Formen dieser Methode. Am schönsten finde ich persönlich z.B. die Filmnotizen. “Daß ausgerechnet die Betroffenheit den Leninismus entwaffnet hat, nein, das ist nicht gerecht. Der Abgang hätte würdiger sein können, doch mit einem Schlag war das letzte Reservat der ML im Film, der Dokumentarfilm, abgeräumt. Daß die Parteilichkeitsfilme im Journal der Moden rubriziert wurden und nicht unter der Sparte Wege zur Weisheit und Wahrheit, wurde rasch verstanden.”

Und nützlich wird mir das Buch nun doch auch auf jene unvorhergesehene Weise: Wie wenig nützt doch unser aller Schreibergestus des entsetzten Besserwissens, des strafenden Für-Dumm-Erklärens. Die Lust des Durchschauers trifft sich nie mit der Lust des Verführten, weil beide nicht miteinander reden. Und beide nähren jeweils immer nur das Befriedigungsbedürfnis des eigenen Lagers.

Aus: konkret 1/85

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