N.N. – Grand Hotel Abgrund

N.N.

Im Zeichen der deutschen Ideologie

Als Hermann Lübbe im Zuge der 68er-Protestbewegung konstatierte, dass “das wichtigste Element unserer ideologiepolitischen Situation die Entfaltung einer Kultur der Gegenaufklärung sei” und “Universitäten und Redaktionsstuben zu Zentren politischer Heilsgewißheit, wirklichkeitsüberlegener Besserwisserei[,] penetrantem Moralismus und eifernder Intoleranz” geworden seien, setzte er den MarxistInnen an den Universitäten das Konzept der Zivilreligion entgegen.

40 Jahre später schwingen in den bundesrepublikanischen deutschen Universitäten kaum noch marxistisch eingefärbte ProfessorInnen ihre Reden. Die deutsche Ideologie auf der Höhe der Zeit ist auf dem Vormarsch; das attestieren Alex Gruber und Philipp Lenhard in ihrem kürzlich erschienenen Sammelband “Gegenaufklärung – Der postmoderne Beitrag zur Barbarisierung der Gesellschaft” und verorten sie im poststrukturalistischen Denken der französischen Philosophie sowie dessen politischen VollstreckerInnen. Sie fassen die von Marx und Engels untersuchte deutsche Ideologie der Linkshegelianer nicht bloß als historischen Abriß des Denkens der damaligen Zeit. Vielmehr wird die deutsche Ideologie eines Max Stirner als Philosophie ausgewiesen, welche die Individuen als von abstrakten Begriffen beherrschte Subjekte begreift. Die deutschen IdeologInnen haben zum Ziel, das Allgemeine in jeder Form zu denunzieren und im Zuge dessen die subjektivistische Willkür zu legitimieren. Dabei widmen sich die Autoren des Bandes nicht nur den philosophischen Impulsen, sondern untersuchen ebenfalls die politischen Implikationen der postmodernen DenkerInnen. Als Kritik einer philosophischen Denkrichtung angefangen, schafft es das Buch, dem akademisch- sozialwissenschaftlichen Zeitgeist und dem politischen Moralismus, der allzu oft auf Schiffen wie der Marvi Marmara landet, Einhalt zu gebieten.

Aus: Unique. Zeitung der HochschüerInnenschaft der Uni Wien (7/2011)

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