Gerhard Scheit

Für Israel

Vier Kapitel über Souveränität als Einführung in negative Urteilskraft

September 2025, 472 Seiten, ISBN: 978-3-86259-196-1
Französische Broschur

29,00 

978-3-86259-196-1 Kategorie:

Beschreibung

Gerade dann, wenn das kritische Bewusstsein, was Souveränität beinhaltet, am dringendsten nötig wird, droht es, verschüttzugehen. Das gilt unter den unerträglich sich verschärfenden Bedingungen von Israels Existenz vor und nach dem 7. Oktober gewiss in besonderem Maß.

Symptomatisch dafür ist etwa die Berufung aufs internationale Recht als Selbstzweck – um wohlmeinend nachzuweisen, dass jener Staat diesem Recht entsprechend seine Selbstverteidigung organisiere, und denen entgegenzutreten, die auf der selben Grundlage die abgrundtiefe Antithese behaupten, seine Regierung handle dem internationalen Recht zuwider und hier seien vielmehr Kriegsverbrecher am Werk, die vor den Internationalen Strafgerichtshof gestellt werden müssten. Für die Frage jedoch, worin die Souveränität eines Staats überhaupt besteht und wie darum das internationale Recht aufzufassen wäre, bleibt dann weder Raum noch Zeit. So wundert es nicht, wenn deutsche Politik die Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsraison ausgibt – aber kaum dass es jemand merkt, verrät sie sich damit schon selbst. Denn die Formulierung lässt ausdrücklich offen, um welchen Teil es sich dabei handelt und in welchem Verhältnis er zum Ganzen steht, wobei die propagandistische Bedeutung des Begriffs »Staatsraison« ja darin liegt, dass dem Souverän alles zum Mittel werden kann und darf. Ähnliches, wenn auch weniger verräterisch, haben sprachliche Verrenkungen wie etwa die Rede vom ›israelbezogenen Antisemitismus‹ im Sinn: durch Einordnung in ein ideelles Aktensystem, Intersektionalität genannt, verschwindet die in der deutschen Linken seit Jean Améry mühsam errungene Erkenntnis, dass der Antizionismus zur Speerspitze des Antisemitismus geworden ist.

Das heißt, die fast unlösbare Aufgabe besteht immer noch darin, »weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen« (Adorno); ins Politische gewendet: die eigene partikulare Taktik, der Macht gegenüber angewandt, nicht als Wahrheit des Ganzen misszuverstehen; weder das Muster fürs internationale Recht, also das wirkliche, weil von einem Souverän garantierte Recht innerhalb des Staats, noch das internationale Recht selbst (so scharf zwischen ihnen unterschieden werden muss, weil letzteres von keinem Gewaltmonopol gedeckt wird) als allgemeinen Zustand der Freiheit zu verklären.

Vor solcher Verdummung ist Zionismus gefeit, insofern er sich einen Sinn für die negative Urteilskraft in der jüdischen Religion bewahrt hat, also – in den Worten der Dialektik der Aufklärung – dafür, Hoffnung einzig ans Verbot zu knüpfen, das Endliche als das Unendliche, die Lüge als Wahrheit anzurufen, sodass Erkenntnis in der Denunziation solchen Wahns gründe.

20 Jahre nach seinem Buch Suicide Attack – Zur Kritik der politischen Gewalt unternimmt es Gerhard Scheit, seither veränderte Konstellationen für Israel und den Zionismus, für deren Gegenwart wie für deren Geschichte zu erhellen. Das neue Buch ist der Erinnerung an Joachim Bruhn gewidmet.

Aus dem Inhalt

  1. Das Trauerspiel der Souveränität: Walter Benjamin und die politische Theologie
    Necessitas legem non habet – Politische Philosophie als Kritik der politischen Theologie – Der Messias und der Ausnahmezustand – Kritik des Politischen, Historisierung seiner Theologie – Existenzialontologische Wende, Einstimmung auf die Kapitulation – Dekonstruktion als Philosophie der Selbstentwaffnung – Die Apotheose des ›Muselmanns‹
  2. Der Judenstaat und seine Feinde: ›Die Einsamkeit Theodor Herzls‹
    Assimilation als Widerspruch – Übergang zum Zionismus – Der Gestor und der Hegemon – Die Bewaffnung des Gestors und die Einsamkeit Vladimir Ze’ev Jabotinskys – Exkurs über die Romane Jabotinskys – Ende des Kulturzionismus: Erfahrung und Verdrängung – Der Antizionismus und der Eichmann-Prozess – Israel und das Dilemma der Neocons – Der jüdische Staat und der Hegemoniebegriff – Unbewaffneter Weltsouverän und Bewaffnung des Gegengestors
  3. Der sterbliche Gott oder: Die Rackets und der Todestrieb
    Die Resistenzkraft gegen das Racket – Racket und Klasse – Historisierung der Resistenzkraft I – Exkurs über ›Michael Kohlhaas‹ – Historisierung der Resistenzkraft II – Massenpsychologie jenseits des Lustprinzips – Racket und Sadismus – Autarkie des Unstaats gegen den Primat der Ökonomie – Islamische Racket-Republik
  4. Vor und nach dem 7. Oktober
    Der praktische Imperativ nach Auschwitz – Rechtspositivismus und politische Theologie im jüdischen Staat – Nach dem 7. Oktober, an dem sich zeigte, was islamische Rackets vorläufig von Auschwitz an einem einzigen Tag zu wiederholen imstande sind – Der praktische Imperativ bei Jean Améry oder das gebotene Scheitern des »radikalen Universalismus« – Eine Heimholung am Rande: Von der antideutschen Jugendbewegung zur deutschen Sehnsucht nach Weltinnenpolitik
  5. Addenda
    Allegorien der Nation: ›Hannah Arendt‹ und ›Zero Dark Thirty‹ – Jüdischer Selbsthass? – Universalismus des Rechts und Partikularität der Zirkumzision – Israel vor Gericht – Von Hitlers willigen Vollstreckern zum Holocaust des Klimawandels: Kleine Nachbemerkungen zu 20 Jahren Goldgagen-Debatte – Die Nachfolgerackets des Nationalsozialismus deutscher Provenienz – Menschen mit Nazihintergrund und ihr ehemaliger Führer im Weißen Haus. Zwei Glossen – Carl Schmitt und die freiheitsliebenden Taliban – Totale Integration und blinder Fleck des Souveräns. Über die Versuche zur Zeitdiagnose in Adornos Seminaren – Primat der Außenpolitik und Gegenidentifikation. Ein imaginäres Gespräch – Was ist Wahrheit? Und was ist Gegenidentifikation? Aufforderung, Manfred Dahlmann zu lesen – Lakonischer Nachtrag zu den beiden Texten über Gegenidentifikation

Materialien

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