Jour Fixe-Programm Herbst/Winter 2021/22 online

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Die Farbe der Robe
70 Jahre höchstrichterlicher Rechtsfetischismus

Rechtspräparate im Event-Cube – Ging einer während der spätsommerlichen Feiern zum siebzigjährigen Beste­hen des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) in Karls­ruhe spazie­ren und gelangte dabei auf den Marktplatz, dann stand er vor einem gläsernem Mehrper­sonen-Sarkophag, der auf der Internetpräsenz des BVerfG ohne Scham und ohne erkennbare Ironie als ›Event-Cube‹ zum 70jähri­gen bewor­ben wurde. Darin schlief nicht Schneewitt­chen alias Justitia einem Königssohn mit Prädi­katsexamen entgegen, sondern dort waren geschlechtslose Bun­desorgane der Rechts­pflege wie im Dornröschenwintergarten in unbenannten justi­ziellen Ver­richtun­gen erstarrt, stumm und lebensgroß, gesichtslos und wie im Stehen auf­gebahrt. Der fachdidak­tische Zweck dieser Inszenierung besteht ersichtlich darin, die Symbolkraft der Richter­robe zum Ausdruck zu bringen, also das verfassungs­geberische Votum für die ver­meintlich reine ›Herr­schaft des Rechts‹ (so der Titel der zum Jubiläum des BVerfG von der Bundes­zentrale für poli­tische Bildung heraus­gegeben Zeit­schrift Aus Politik und Zeit­geschichte), und das heißt nichts anderes als: die sin­gulär post­nazistische und doch schon von Hegel eingeleitete Verdrängung und Verschie­bung von Gewalt und Sou­veränität in die rechtsstaatliche Gebor­genheit, staats­bürgerliche Siche­rungsver­wahrung und schein­bare Immanenz einer zeitlos reinen Rechtslehre, der Kelsen’­schen Grundnorm mit all ihren sub­sump­tions­logischen Deduktionen und begriff­lichen Netz­werken mit­tels eines ganz beson­deren Verfassungsorgans – gleichsam des Kehlkopfs der Souve­rä­nität. [Weiterlesen]